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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Hampe, Theodor: Die bayerische Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0012

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DIE BAYERISCHE JUBILÄUMS-LANDESAUSSTELLUNG IN NÜRNBERG

AUS DEM WEINHAUS VON BRUNO PAUL. TRINK- UND SPEISEZIMMER

immer mehr die Überzeugung Bahn gebrochen hatte,
daß eine jede Zeit Anspruch erheben könne auf eine
ihr homogene Kunst, daß es auf die Dauer mit der
bewundernden Verehrung und Pflege der alten Stil-
arten, an denen sich überdies das liebe Publikum
müde zu sehen begann, nicht getan sei, daß die neu-
zeitliche Kultur mit ihren so gänzlich veränderten
Grundlagen, Lebensbedingungen und Interessen auch
in der Kunst ihren eigenen Stil verlange, war man
alsbald zu einer vollkommenen Verpönung der alten
Formen, zumal der alten Ornamentationsmotive fort-
geschritten, ohne daß doch zunächst ein vollgültiger
Ersatz dagewesen wäre. Aus den Bedürfnissen der
Zeit, aus den rein handwerklichen Anforderungen, aus
dem Material, aus dem Zwecke jedes Gegenstandes
heraus sollten sich eben, so war die richtige Über-
legung, dahin gingen Wunsch und Wille, die an-
gemessene Form, der neue Schmuck spontan wie mit
Naturnotwendigkeit entwickeln. Selbstverständlich war
dabei die Form das wesentlichste; für sie in jedem
Falle gewissermaßen das Gesetz zu finden, wandte
man sich mit Eifer dem Studium namentlich der
statischen und konstruktiven Momente zu. Es gab
und gibt — denn wir sprechen hier von einer Phase,
die wir jetzt eben zu überwinden im Begriffe stehen
— Fanatiker dieser Idee, die etwa aus einem zweck-
entsprechend gebauten Fahrrade aus blitzendem Stahl,
aus dem Räderwerk einer Schnellzugslokomotive alle
Gesetze der Ästhetik, auch des Kunstschönen, heraus-
lesen und ableiten zu können vermeinten. Solange

noch die Frage der Formengebung oder der sie be-
dingenden Grundsätze und Normen nicht als gelöst
angesehen werden durfte, hatte die Ausbildung einer
neuartigen Ornamentik, die nach ähnlichen Prinzipien
den richtigen Formen, den guten Lösungen wiederum
gesetzmäßig entsprießen sollte, nur auf ein verhältnis-
mäßig schwaches Interesse und geringe Förderung zu
rechnen, ja nicht selten mit erheblichem Widerstände
zu kämpfen. Zwar wußten auch hier einzelne ihrer
Zeit vorauseilende Meister das Spiel der Kräfte, die
wir uns in einem künstlerisch geformten Gegenstande
nach Zweck und Art desselben wirksam zu denken
haben, frühzeitig etwa in feinsinnigem, wohlüberlegtem
Linienornament zum Ausdruck zu bringen, wie denn
auch die einzelnen Zweige des Kunstgewerbes in
ihrer Entwickelung nicht alle das gleiche Tempo inne-
halten, die neuere Buchausstattung z. B. schon sehr
zeitig gereift und zu einem gewissen Abschluß ge-
langt ist.

Aber auf weiten Gebieten der angewandten Kunst
galt längere Zeit hindurch völlige Schmucklosigkeit
oder richtiger das Fehlen fast jeglichen Ornaments
bei Kunstwerken der zielbewußten neuen Richtung
beinahe als ein Erfordernis; und durch die äußerliche
Ähnlichkeit, die dadurch für oberflächliche Beurteiler
mit den Denkmälern des Biedermeierstils (die übrigens
ihre biedere Einfachheit mehr einer durch die noch
lange fühlbaren Folgen der napoleonischen Kriege
gebotenen Einschränkung und dem gleichfalls durch
Not und Verarmung hervorgerufenen Mangel an
 
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