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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Hampe, Theodor: Die bayerische Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0014

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DIE BAYERISCHE JUBILÄUMS-LANDESAUSSTELLUNG IN NÜRNBERG

Stellung von einheitlicher, in hohem Grade künstlerischer
Wirkung ist, wurde bereits angedeutet. Und mit
gleicher Sorgfalt, gleichem Geschmak sind die ein-
zelnen Teile und die hauptsächlichsten Räumlichkeiten
durchgearbeitet und zu einander in Beziehung gesetzt:
der stattliche, von Obelisken flankierte Haupteingang
am Ende des Vorparks, das langgestreckte, durch eine
Mittelkuppel, Turmbauten und mehrere Portale klar
gegliederte, mit geometrischem Wanddekor ausgestattete
Hauptindustriegebäude, der reizvolle, wesentlich auf
Weiß und Gold gestimmte Bau der Staatsforstaus-
stellung (alles von Oberbaurat von Kramer); ferner
das durch seine Anlage — vergleiche die unserem
Artikel vorangestellte Ansicht aus der Vogelperspektive
— wie durch die kecke Zusammenstellung mehrerer
voller Farbentöne: rot, grün, blau, grau und dazu
weiß, überaus dekorative Hauptrestaurant, die edel
gehaltene, doch in ihrer nahezu völligen Schmuck-
losigkeit etwas nüchtern wirkende Kunsthalle (von
Professor Paul Pfann in München), das prächtige
Würde und Kraft zu vollendetem Ausdruck bringende
Gebäude des Staates (von Landbauamtsassessor Lud-
wig Ullmann in Nürnberg) mit seinem, von hohem
Geschmack, feinstem Farbensinn und reicher Phan-
tasie zeugenden Innenräumen (teils von Ludwig Ull-
mann, teils von Direktionsassessor Arthur Wünscher
in Nürnberg) und andere mehr.

Wie bei den meisten dieser Ausstellungsbauten,
so spielt überhaupt im Kunstgewerbe der Gegenwart
die Farbe, die uns häufig den Mangel schmückender
Formen vergessen lassen soll und in der Tat nicht
selten vergessen läßt, eine große Rolle. Das zeigen
uns auch, um zu diesen überzugehen, viele der Aus-
stellungsgegenstände. Ganze Häuser samt ihren Innen-
einrichtungen wurden vom bayrischen Verkehrsmini-
sterium (Bedienstetenwohnhaus für drei Familien;
Architekt Arthur Wünscher), vom Rosenheimer Ge-
werbeverein (Inntaler Landhaus; Architekt Otto Riemer-
schmid in München) und anderen ausgestellt, und
als ein Ausstellungsobjekt und zwar eines der bedeut-
samsten und für die Kunst unserer Zeit charakte-
ristischsten darf auch das von Bruno Paul entworfene

AUS DEM WEINHAUS VON BRUNO PAUL
TRINK- UND SPEISEZIMMER

von den Vereinigten Werstätten für Kunst im Hand-
werk ausgeführte, zweckmäßig, bequem und mit er-
lesenem Geschmack eingerichtete »Weinhaus« gelten.

Sehr zweckdienlich für ein Weinrestaurant ist es,
wenn solches von vornherein, noch bevor man mit
dem edlen Saft der Reben nachzuhelfen brauchte,
eine gemütliche und behagliche, eine seßhafte, wenn
ich so sagen darf, Stimmung zu erzeugen imstande
ist; und diese wichtige Anforderung erfüllt das Bruno
Paulsche Weinhaus in hohem Maße. So einladend
sein hohes rotes Ziegeldach und seine weißen Wände
mit dem grauen und blauen Riegelwerk durch das
Laub der Bäume des Ziergartens hindurchschimmern,
so anheimelnd sind die Räume im Innern des Ge-
bäudes, die halboffenen Hallen und Altane gestaltet
und ausgestattet. Viel trägt dazu das fast durch-
gängig als Material verwandte Holz und die nicht
minder das Gefühl der Behaglichkeit auslösende
Mattenverkleidung der Wände, viel aber auch die
resolute Farbengebung bei. Der Buffetraum oder das
Entree erscheint gelb und weiß mit schwarzem Dekor,
der anstoßende Wirtschaftsraum oliv mit ultramarin-
blau und weiß, ein anderer violettrosa mit oliv und
schwarz, sowie weißen Möbeln, über der Tür ein
biedermeierndes Wandgemälde, roh, aber flott gemalt,
von A. Salzburger. Der gleichfalls zu einem gemüt-
lichen Zechraum erweiterte Treppenabsatz repräsen-
tiert sich in mit tiefem Blau umrahmten Blaßlila und
mit grauen Möbeln und so fort. Nur der größere,
Spitzbogenwölbung markierende Saal im Obergeschoß
ist feierlicher und kühler lediglich in weiß und gold
oder gelb gehalten. Von Bruno Paul, dessen Kunst
Nürnberg neuerdings auch die, man kann wohl sagen,
in jeder Beziehung vollendete und vorbildliche Aus-
stattung des Wartesaals I. und II. Klasse in seinem
Zentralbahnhof, ein wahres Meisterwerk geschmack-
voller Dekoration, verdankt, rührt ferner noch ein
für die Firma Steingraeber und Söhne, München,
Bayreuth und Nürnberg ausgeführter und von ihr
ausgestellter Flügel in dunkelolivfarbenem Wasser-
eichenholz mit diskretem Intarsiaschmuck her.

Besonders reich ist die Ausstellung an Zimmer-
einrichtungen, die ja heute, unter dem Zeichen der
Raumkunst, vornehmlich das Kunstgewerbe repräsen-
tieren und in mancher Beziehung in der Tat für das
Können der Zeit besonders kennzeichnend sind. Da
ist Richard Riemerschmid mit drei Räumen: Direk-
torzimmer, Vorzimmer und Expeditionszimmer für
das Bayerische Gewerbemuseum, daneben mit einem
wirkungsvollen, ganz aus Messing hergestellten Säulen-
bau für die Messingwerke von Wieland & Co. in Ulm
und Vöhringen, sowie einem originellen kleinen Bau
für die Erzeugnisse der von Poschingerschen Glas-
hütten zu Frauenau, Büchenau und Oberzwieselau
im bayerischen Teile des Böhmerwaldes vortrefflich
vertreten. Den tiefgehenden Einfluß von Riemer-
schmids Unterricht zeigen überdies zahlreiche aus
den vom Bayerischen Gewerbemuseum ins Leben ge-
rufenen Meisterkursen, die in dem ersten Jahre ihres
Bestehens von Peter Behrens, jetzt aber schon meh-
rere Jahre hindurch von Riemerschmid geleitet wurden,
 
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