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DIE NEUEREN ERWERBUNGEN EINIGER DEUTSCHEN KUNSTGEWERBEMUSEEN
Tag bringt, — das Ideal so manchen braven Hand-
werkervereins würde zur Wirklichkeit. Man nehme
den ersten besten Kunstgewerbeverein und frage die
Mitglieder zur Probe — die meisten, die sich mit
ihrer Kunst, ihrem Handwerk, ihrer Industrie im
Kampf ums Dasein mühen, werden die Abkehr vom
Alten gut heißen — weil sie ihrer Hände Werk für
wichtig genug halten, in den heiligen Hallen der Mu-
seen für immer bewahrt zu werden.
Und doch — was haben in der kurzen Zeit ihrer
Wirksamkeit die Kunstgewerbemuseen schon gelitten
unter der Nachgiebigkeit gerade an diese Forderungen
des Tages! Wieviel bedeutungslose Dinge, wieviel oft
Minderwertiges haben sie angekauft, ankaufen müssen auf
allen großen Weltausstellungen, in Wien, in Philadelphia,
in Paris, und immer in der besten Absicht, dem Ge-
werbe, der Industrie zu dienen! Wie mancher, den
der Eifer, sich beizeiten »Dokumente« gegenwärtiger
Kunst zu sichern, zu eiligem Ausgeben verleitet hat,
wäre froh, wenn er gerade die kostbarsten dieser mo-
dernen Arbeiten eintauschen könnte gegen ein gutes,
echtes Stück alter Handwerkskunst, — gegen einen
Tiroler Schrank des 15. Jahrhunderts, gegen ein un-
tadeliges ewig junges Schnitzwerk des Florentiner
Quattrocento!
Aber so sind wir: wir schwimmen mit dem
Strome der Jungen und Jüngsten und nehmen Stre-
ben für Gelingen, geschickt sein für reif sein! Wir
haben ja keinen Überblick, können keinen haben
über den Ausgang und den charakteristischen Wert
des Werdenden. Wozu dann diese Dinge, die im
Laufe der Zeit sich erst ausreifen, ihren wahren Wert
erst erringen müssen, voreilig einfangen, im Museum
aufbahren wie ein ehrwürdig Ding, dem Alter und
erprobte Geltung etwas wie unvergänglichen Wert
leihen! Wie kurzsichtig, wenn wir unsere Museen,
die doch keine kommerziellen Musterlager sein sollen,
allein in den Dienst der wechselnden Tagesansprüche
stellen würden! Das mag eine Aufgabe für Handels-
oder Exportmuseen sein, für die Kunstgewerbemu-
seen genügt es, diese Dinge in wechselnden vorüber-
gehenden Ausstellungen zu zeigen. Vertrugen es doch
schon die berühmten Vorbildersammlungen alten Stils
nicht, aller Welt zur Nachahmung ä discretion zu
dienen! Wie schnell haben die abgewirtschaftet — so
schnell die Mode des Tages es verlangte. Eine Kunst-
gewerbesammlung, die sich mit Beispielen der besten
Kunst der van de Velde, Peter Behrens, Olbrich auf-
täte, um dem Gewerbe die Hand zu weisen, würde
bei den schnellen Geschmackswandlungen unserer Zeit
noch viel schneller gerade die Wirkung einbüßen, um
derentwillen sie geschaffen worden war.
Wir sammeln ja nicht mehr alte Kunst, um sie zur
Nachahmung, zur Kopie zu empfehlen oder gar etwa, um
mit ihr dem ernsten Mühen, dem hohen Streben des
Modernen ein nee plus ultra zuzurufen! Wir sammeln
ihre Beispiele um des erprobten Gehaltes willen an
echter Kunst, wir sammeln sie als Beweisstücke ästhe-
tischer Kultur, stilistischer Reife, weil in ihnen das
harmonische Walten ewiger Stilgesetze lebendig ist.
So angesehen enthalten die echten und guten Werke
der alten Kunst eine schier unverwüstliche Kraft der
Anregung, sind im edelsten Sinne unersetzliche Vor-
bilder und nützen sozusagen als Stimmgabeln guter
Qualität, auch wenn sie in der Form nicht dem
gegenwärtigen Zeitgeschmack dienen können. Als
Zeugen oft langer Kunstvergangenheiten, stecken sie
voller Heimlichkeit, denn in ihnen deckt die Form
einen Inhalt, wie der Körper eine Seele — deshalb
haben gerade diese alten Arbeiten eine belebende,
eine befreiende Wirkung.
Wer die Werke alter Kunst in unseren kunst-
gewerblichen Sammlungen auf die angedeutete Art
der Nutzbarkeit anschaut, dem wird ihr Nutzen für
die allgemeine Geschmacksbildung keine Frage mehr
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TRUHE AUS NUSSHOLZ GESCHNITZT IN SARKOPHAGFORM. FLORENZ, ANFANG 16. JAHRHUNDERT
DIE NEUEREN ERWERBUNGEN EINIGER DEUTSCHEN KUNSTGEWERBEMUSEEN
Tag bringt, — das Ideal so manchen braven Hand-
werkervereins würde zur Wirklichkeit. Man nehme
den ersten besten Kunstgewerbeverein und frage die
Mitglieder zur Probe — die meisten, die sich mit
ihrer Kunst, ihrem Handwerk, ihrer Industrie im
Kampf ums Dasein mühen, werden die Abkehr vom
Alten gut heißen — weil sie ihrer Hände Werk für
wichtig genug halten, in den heiligen Hallen der Mu-
seen für immer bewahrt zu werden.
Und doch — was haben in der kurzen Zeit ihrer
Wirksamkeit die Kunstgewerbemuseen schon gelitten
unter der Nachgiebigkeit gerade an diese Forderungen
des Tages! Wieviel bedeutungslose Dinge, wieviel oft
Minderwertiges haben sie angekauft, ankaufen müssen auf
allen großen Weltausstellungen, in Wien, in Philadelphia,
in Paris, und immer in der besten Absicht, dem Ge-
werbe, der Industrie zu dienen! Wie mancher, den
der Eifer, sich beizeiten »Dokumente« gegenwärtiger
Kunst zu sichern, zu eiligem Ausgeben verleitet hat,
wäre froh, wenn er gerade die kostbarsten dieser mo-
dernen Arbeiten eintauschen könnte gegen ein gutes,
echtes Stück alter Handwerkskunst, — gegen einen
Tiroler Schrank des 15. Jahrhunderts, gegen ein un-
tadeliges ewig junges Schnitzwerk des Florentiner
Quattrocento!
Aber so sind wir: wir schwimmen mit dem
Strome der Jungen und Jüngsten und nehmen Stre-
ben für Gelingen, geschickt sein für reif sein! Wir
haben ja keinen Überblick, können keinen haben
über den Ausgang und den charakteristischen Wert
des Werdenden. Wozu dann diese Dinge, die im
Laufe der Zeit sich erst ausreifen, ihren wahren Wert
erst erringen müssen, voreilig einfangen, im Museum
aufbahren wie ein ehrwürdig Ding, dem Alter und
erprobte Geltung etwas wie unvergänglichen Wert
leihen! Wie kurzsichtig, wenn wir unsere Museen,
die doch keine kommerziellen Musterlager sein sollen,
allein in den Dienst der wechselnden Tagesansprüche
stellen würden! Das mag eine Aufgabe für Handels-
oder Exportmuseen sein, für die Kunstgewerbemu-
seen genügt es, diese Dinge in wechselnden vorüber-
gehenden Ausstellungen zu zeigen. Vertrugen es doch
schon die berühmten Vorbildersammlungen alten Stils
nicht, aller Welt zur Nachahmung ä discretion zu
dienen! Wie schnell haben die abgewirtschaftet — so
schnell die Mode des Tages es verlangte. Eine Kunst-
gewerbesammlung, die sich mit Beispielen der besten
Kunst der van de Velde, Peter Behrens, Olbrich auf-
täte, um dem Gewerbe die Hand zu weisen, würde
bei den schnellen Geschmackswandlungen unserer Zeit
noch viel schneller gerade die Wirkung einbüßen, um
derentwillen sie geschaffen worden war.
Wir sammeln ja nicht mehr alte Kunst, um sie zur
Nachahmung, zur Kopie zu empfehlen oder gar etwa, um
mit ihr dem ernsten Mühen, dem hohen Streben des
Modernen ein nee plus ultra zuzurufen! Wir sammeln
ihre Beispiele um des erprobten Gehaltes willen an
echter Kunst, wir sammeln sie als Beweisstücke ästhe-
tischer Kultur, stilistischer Reife, weil in ihnen das
harmonische Walten ewiger Stilgesetze lebendig ist.
So angesehen enthalten die echten und guten Werke
der alten Kunst eine schier unverwüstliche Kraft der
Anregung, sind im edelsten Sinne unersetzliche Vor-
bilder und nützen sozusagen als Stimmgabeln guter
Qualität, auch wenn sie in der Form nicht dem
gegenwärtigen Zeitgeschmack dienen können. Als
Zeugen oft langer Kunstvergangenheiten, stecken sie
voller Heimlichkeit, denn in ihnen deckt die Form
einen Inhalt, wie der Körper eine Seele — deshalb
haben gerade diese alten Arbeiten eine belebende,
eine befreiende Wirkung.
Wer die Werke alter Kunst in unseren kunst-
gewerblichen Sammlungen auf die angedeutete Art
der Nutzbarkeit anschaut, dem wird ihr Nutzen für
die allgemeine Geschmacksbildung keine Frage mehr
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TRUHE AUS NUSSHOLZ GESCHNITZT IN SARKOPHAGFORM. FLORENZ, ANFANG 16. JAHRHUNDERT