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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Graul, Richard: Die neueren Erwerbungen einiger deutschen Kunstgewerbemuseen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0019

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DIE NEUEREN ERWERBUNGEN EINIGER DEUTSCHEN KUNSTGEWERBEMUSEEN 11

bleiben. Er wird
in den oft außer-
ordentlich hohen
Aufwendungen,
die um solchen
Besitz gegenwär-
tig gemacht wer-
den müssen, eine
um so notwen-
digere Bereiche-
rung unseres Na-
tionalwohlstan-
des erblicken, als
er uns vom Aus-
lande und gerade
von den »prak-
tischen« Ameri-
kanern strittig ge-
machtwird. Denn
daß die Ameri-
kaner aus bloßer
Großmannssucht
fürihrLanddieal-
ten Kunstschätze
Europas teuer zu
erwerben suchen,
das wird wohl
niemand glau-
ben, der die Ver-
hältnisse kennt
und sich von der
praktischen Not-
wendigkeit eines
Kunstbesitzes ge-
rade in einem in-
dustriellen Lande,
welches in allem
Weltpolitiktreibt,
überzeugt hat!
Von diesem Ge-
sichtspunkt aus
scheint mir da-
her der effektive
Nutzen gerade des hervorragende Altsachen sammeln-
den Kunstgewerbemuseums nicht hoch
schlagen werden zu können.

Freilich kann diese Gemeinnützigkeit nur erreicht
werden mit der Vereinigung von originalen Arbeiten
erheblichen Kunstwertes. Die rein kulturgeschichtlichen,
ikskundl.chen Rücks'chten müssen zurücktreten,
wenn es sich um die Belebung des künstlerischen
Sinnes, um die Förderung der ästhetischen und kunst-
tecluuschen Erziehung handelt. Und nicht nur müssen
die Objekte der Sammlung an sich wertvoll sein, die
Art ihrer Vorführung soll derart sein, daß sie den
uu der Werke Weigert ... Das sind aber Binsen-
wahrheiten, die ich mich fast schäme, an dieser Stelle
zu wiederholen.

Weniger einleuchtend scheint vielen dagegen der
Nachweis einer gewissen handelspolitischen Rücksicht,
die aus einer derartigen Förderung unserer kunstgewerb-

_ , MARIA MIT DEM CHRISTUSKIND

lerrakottarelief von einem Schüler oder Nachfolger des Donatello. Florenz, 2. Hälfte des 15. Jahrh.

Höhe 53 cm

genug ange-

lichen Museenab-
geleitet werden
kann. Daß unser
kunstindustrieller
Export auf vielen
Gebieten nicht
bloß mit billiger
und deshalb oft
schlechter Ware
den Weltmarkt
auf die Dauerbe-
herrschen kann,
ist für den Weiter-
blickenden keine
Frage mehr. Die
ungeheuere Mas-
se der kerami-
schen und ande-
ren Waren, die
wir alle halben
Jahre z. B. auf
den Leipziger En-
grosmessen auf-
stapelnsehen,läßt
auf eine ästheti-
sche Minderwer-
tigkeitebensoun-
geheuer großer
Kreise des Publi-
kums schließen.
Die ausschließ-
liche Befriedi-
gung gerade nur
dieser künstle-
risch Bedürfnis-
losen ist aber
keine Aufgabe,
deren Lösung un-
sere Industrien
zu stärken und
ihren Wert zu
steigern vermag.
Die künstleri-
schen Ansprüche müssen in diesem massenhaften
Kundenkreis geweckt werden. Das Beispiel des Besten
muß dieses Erziehungswerk erleichtern.

Hier liegt für die Kunstgewerbemuseen eine weite
und lohnende Arbeit. Neben die wechselnde Aus-
stellung des besten Neuartigen muß die vergleichende
Gegenüberstellung der besten alten Werke treten, in
einer Auswahl, die den jeweiligen lokalen Bedürfnissen
des Publikums, der Industrie, der Handwerker und
Künstler entspricht. Denn so wünschenswert die
Förderung des Einzelnen in seinen kunstgeschäft-
lichen Sorgen auch ist, die Hauptmission der Museen
liegt in der Erziehung der Massen, in der Steigerung
der allgemeinen Sehnsucht nach dem künstlerisch
Besseren und Wertvolleren. Nicht vom Verkäufer,
vom Händler, auch nicht vom produzierenden In-
dustriellen kann das Heil kommen — der Konsument
selbst muß in sich jene künstlerische Genußfähigkeit
 
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