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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0156

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

STANDLAMPE VON OTTO KLODEN, DRESDEN

MIT ZWEI ELEKTRISCHEN INNENLAMPEN

AUSGEFÜHRT IN MATTMESSINO

immer die allgemeine Beziehung der Kunst zum Leben die
Grundlage von Cranes Ausführungen. Einige der Vor-
lesungen wandten sich an ein größeres Publikum, andere
der in Rede stehenden Aufsätze waren in Kunstzeitschriften
erschienen. Das Werk ist mit vielen sehr guten, zum Teil
bisher wenig bekannten Illustrationen versehen, die uns in
Zeichnungen, Entwürfen und Musterbeispielen aus den
verschiedensten kunstgewerblichen Branchen wirklich
Interessantes bieten. So finden wir im ersten Aufsatz, be-
titelt »Of the Aris and Craßs Movement: It's General
Tendency and possible Outcome«. Reproduktionen nach
Blakes »Song oj Experience«, der als Buchillustrator am
höchsten in England bezahlt worden ist; ferner eine sehr
gute Wiedergabe von Holman Hunts »TheBallad ofOriana«,
eine Illustration zu Tennysons Gedichten. In der sogenannten
Moxon-Ausgabe« (1857), des eben erwähnten Poeten
lieferten auch Rossetti und Millais Illustrationen. Von dem
ersteren gibt Crane als Beispiel in seinem Buch »The
Palace of Art«, von letzterem die »Die Braut« in dem
Gedicht »Talhing Oak«. Schon in diesem Bilde Millais'
kann man meiner Ansicht nach herausfinden, daß er zum
eigentlichen Präraffaeliten nicht veranlagt war. Ein im
allgemeinen sehr wenig auf dem Kontinent bekannter
Künstler, der aber entschieden zu den Präraffaeliten ge-
rechnet werden muß und der von Crane als ein Zeichner
ersten Ranges geschätzt wird, ist der vor kurzem ver-
storbene Maler Sandys. Als ein Beispiel seiner Kunst
wurde hier der im «Cornhill-Magazine« erschienene kraft-
volle Holzschnitt »Manoli« wiedergegeben. Sandys hatte
sich seinerzeit viel Feinde durch einen Stich gemacht, in
welchem er Millais »Isumbras« und durch dies Bild zugleich
Holman Hunt, Millais, Rossetti und Ruskin persiflierte.
Walter Crane urteilt in seinem Aufsatz »The english

Revlval oj decorative Art« wie folgt über die präraffaeli-
tische Bewegung: »Um den Ursprung in unserer Renais-
sance zu bezeichnen, müssen wir bis auf die Tage der
präraffaelitischen Vereinigung zurückgehen. Obgleich keins
ihrer Mitglieder ein dekorativer Zeichner im strengen Sinne
des Wortes war, wenn wir Dante Gabriel Rossetti aus-
nehmen, so richteten sie doch durch ihre entschlossene und
begeisterte Rückkehr zum unmittelbaren Symbolismus, zum
poetischen oder romantischen Gefühl des Mittelalters,
denen sie die Macht der modernen Analyse hinzufügten,
und schließlich durch ihre charakteristisch ausgedrückte
Liebe zu allem Detail, ihre Aufmerksamkeit ebensosehr
auf alle Zweige der Zeichnung wie auf die Malerei.«

Von Cranes beiden Söhnen ist Lancelot Maler, Lionel
Architekt geworden. Zu dem seinerzeit im »Art Journal«
publizierten Artikel »The teaching of Art«, der hier im
Buche nochmals abgedruckt worden ist, findet sich zur
Vertretung der figürlichen Malerei von Lancelot Crane das
Gemälde »Friedrich Barbarossa«, während Lionel Crane
für den Aufsatz «Thoughts 011 House Decoration« Ansichten
und Pläne für »The Collective Dwelling« lieferte. Rings um
einen größeren Spiel- oder Erholungsplatz sind Wohn-
häuser gruppiert, die eine gemeinsame Küche, Wirtschafts-
räume, Eßsaal, Leseräume usw. enthalten, also nicht nur
theoretisch, sondern praktischen, unserer modernen Zeit
angepaßten Kommunismus lehren sollen.

Wie loyal im übrigen Walter Crane trotz sozialistischer
Tendenzen denkt und wie über allen Zweifel erhaben sich
sein Patriotismus bewährte, beweist der Umstand daß seine
Entwürfe und Zeichnungen für die Straßendekoration zu
feierlichen Gelegenheiten, wie z. B. das Jubiläum der
Königin Victoria oder des Einzuges Königs Eduard VII.,
als die besten an maßgebender Stelle anerkannt wurden.
In England nahm man ehedem keinen Anstand, Morris den
Posten als Poeta Laureatus anzubieten und Walter Crane
ist auf seinem neuesten photographischen Porträt mit einem
italienischen Ordensstern abgebildet, den ihm die hiesige
Regierung zu tragen erlaubte. Eigentlichen Sozialismus in
unserem Sinne, das heißt mit wirklichem Klassenantagonismus
— um nicht zu sagen Klassenhaß — gibt es kaum im
Inselreich. Ja, eine »grande dame« aus der hohen englischen
Aristokratie, die Gräfin Warwick, hält als sozialistischer
Wanderprediger im idealen Sinne von Ruskin, Morris und
Crane Vorträge im Zobelpelz vom Automobil aus. Die
oben erwähnten Entwürfe von Straßendekorationen, die für
Stadtväter im allgemeinen ein recht lehrreiches Studium
bieten möchten, finden sich in dem Buche veranschaulicht
in dem Aufsatz «Of temporary Street Decoration«. Be-
zeichnend genug stellt das Einzugstor eine mittelalterliche
Burg vor.

Gleichwie Morris' Anschauungsweise vielfach trotz aller
sozialistischen Tendenzen im alten Rittertum wurzelte, in
ebendemselben Maße beschäftigt sich Crane mit Heraldik.
Der auf Seite 203 enthaltene Aufsatz Oj the Treatment of
Anirnal Forins in Decoration and Heraldry« besitzt als
Illustration die Löwen für das englische Wappen in so
charakteristischer Zeichnung, wie sie heraldisch nicht besser
gedacht werden kann.

Unter den vielen anderen Essays erwähne ich noch
Note on Tolstoi's«, »What is Art?«, Oj the Progress of
Taste in Dress in Relation to art education« und »The
Relation of the easel Picture to decorative art«.

Den Schluß des Buches bildet ein literarisches Denkmal
für den verstorbenen Altmeister Watts unter dem Titel:
•>A great Artist in a literary Searchlight« unter Beigabe der
Illustration von »Liebe und Tod«, »Sir Galahad« und
»Die Hoffnung«. o. von Schieinitz.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf. o. m. b. h. Leipzig
 
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