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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Buchwald, Conrad: Vom heutigen Kunsthandwerk in Schlesien: ein Brief aus Breslau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0158

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VOM HEUTIGEN KUNSTHANDWERK IN SCHLESIEN

Daß sie überhaupt kamen, ist größtenteils das
Verdienst Professor Hans Poelzigs, der seit einigen
Jahren unsere Kunstschule leitet, so, daß diese Jahre
Zeiten kräftigen Aufschwunges, frischen Lebens und
tüchtiger Arbeit für unseren kunstgewerblichen Nach-
wuchs sind. Es ist eine Freude zu sehen, wie es
dort so gar nicht bureaukratisch und doch auch
wieder nicht bummelig

zugeht. Es wird fleißig
gearbeitet in Theorie und
Praxis, so in allerhand
Werkstätten, wo erfahrene
Techniker an der Hobel-
bank stehen, Bronze gie-
ßen und ziselieren, trei-
ben und emaillieren oder
mit dem Holzschnitzmes-
ser in der Hand, am Web-
stuhl oder am Stickrahmen
den Mädchen wehren und
die Knaben lehren«. Von
dem außerordentlich tüch-
tigen Ziseleur und Gold-
schmied Tillmann Schmitz
und von Wanda Bibrowicz,
der geschickten techni-
schen Lehrerin der Webe-
klasse unter dem Ge-
schmackszepter von Max
Wislicenus, sehen Sie hier
einiges. Geschmackbildend
vor allem hat Max Wis-
licenus mit seiner schöpfe-
rischen Phantasie und
seinem fein entwickelten
Farbensinne auf seine
Schüler im kunstgewerb-
lichen Unterrichte einge-
wirkt. Sein hier abgebil-
deter Altar ist ein vortreff-
liches Stück Malerei, ist
moderne kirchliche Kunst
im guten Sinne. Seine
große Vielseitigkeit in
Entwürfen der verschie-
densten Art, für Buch-
schmuck, Plakate, Vergla-
sungen, kann hier leider
nicht gezeigt werden.

Ferner Gosens Ehren-
preis derStadtMünchen für
die vorjährige Herkomer-
Konkurrenz, auf den die

Münchener sehr stolz waren! Er ist von Anfang bis
zu Ende in allen Teilen ausschließlich in der Bres-
lauer Kunstschule entstanden. Der technischen Leistungs-
fähigkeit der dabei beteiligten Kräfte stellt er bei seiner
tadellosen Vollendung das glänzendste Zeugnis aus.
Natürlich gehört dazu, daß der entwerfende Künstler,
wie Gosen und wie sein hiesiger Vorgänger im
Amte, [gnafius Taschner, das Material und seine Be-

TH. VON GOSEN, BRESLAU. AUTOMOtilLPREIS DER STADT

MÜNCHEN. AUSFÜHRUNO: WERKSTÄTTEN DER KÖNI0L.

KUNST- UND KUNSTOEWERBESCHULE BRESLAU

handlung kennt, wirklich Bildhauer, Bildschnitzer,
Bildgießer ist und nicht nur Tonkneter, der sein
Modell fremder Hand zu handwerksmäßiger Aus-
führung überlassen muß. Einzig und allein bei einem
solchen Lehrer können die Schüler etwas lernen, zu-
mal, wenn dieser wie hier in seiner plastischen Ge-
staltungsfähigkeit so hervorragend ist, nicht alltäglich

und nicht gesucht origi-
nell, des Zusammenhangs
mit der alten Kunst sich
bewußt und doch klar
und vernünftig gerade aus,
nicht rückwärts blickend,
gesunde, anständige Ar-
beit leistend und zu ihr
erziehend.

Ein solcher Erzieher
zur Praxis ist auch Hans
Roßmann. Vor zwei Jah-
ren, als er einige Zeit hier
war, bekam er den Auf-
trag, das »Herrenstübel«
im »Schweidnitzer Keller«
unseres altehrwürdigen
Rathausesauszumalen.Was
er damit in redlicher Ar-
beit geleistet, ist würdig
des Kleinods, das als Rah-
men im Großen ihm dient.
Breslau hat durch ihn eine
neue Sehenswürdigkeit er-
halten, die als schöpferi-
sches Werk hoffentlich an-
regend wirken wird, wenn
auch Geschmacklosigkei-
ten im allgemeinen an-
steckender sind als gute
Vorbilder. Bei diesem
Auftrage schon hat ihm
eine Anzahl Schüler ge-
holfen, die gern zu ihm
gehen, weil sie wissen,
daß sie was lernen, und
die bei der Ausführung
einer guten Idee auch mit
Eifer bei der Sache sind.
Eine gute Idee war es zum
Beispiel zu Weihnachten
Spanschachteln von ihnen
bemalen zu lassen. Sie
fanden, im Kunstgewerbe-
museum ausgestellt, rei-
ßenden Absatz. Einzelne
allerliebst, besonders die
heimische Volkskunst in

^Mn^

m.

waren auch wirklich ganz
mit Anklängen an unsere
der Farbengebung, in der Ornamentik, in den Kostiim-
figuren, in der Auffassung von Helden der Welt-
geschichte.

Ein ganz junger Schüler der Roßmannklasse auch
war es, der sich bei dem Wettbewerb um ein Plakat
für das deutsche Sängerbundesfest, das dieses Jahr in
 
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