DIE ENTWICKELUNG DES KUNSTGEWERBES IN ELSASS-LOTHRINGEN SEIT 1870 221
Straßen und Plätze, ihm ist jeder brutale Ton verhaßt,
jede derbe Aufdringlichkeit zuwider. Sie streben eine
intimere, für den kleinen Raum berechnete Bildwirkung
an und zeigen ihren Vorzug in der treffsicheren Kom-
position ihrer Figuren, aus denen mitunter ein herz-
erhebender Humor lacht, dem sich niemand verschließen
kann« (W. Trunk, »Kunstgewerbe im Elsaß«). Auch
als Graphiker und Buchschmuckzeichner hat Schneider
mit vielem, weit über die Grenzen unserer engeren
Heimat gehenden Erfolg gewirkt. — Hier bei Grom-
bach stellten auch Bastian seine dekorativen Fließen,
v.Zschock seine ersten Kunstschlosserarbeiten, Elchinger
seine keramischen Werke aus. Die Künstlervereinigung
bey St. Nicolaus war nie eine Clique, vorurteilslos
suchte sie jede Bewegung
zu Wort kommen zu lassen
und wurde durch das all-
seitige Interesse des neu er-
wachten echten Kunstsinns
reichlich belohnt. Nun
begann man in Straßburg
sich zu regen. Mit nicht
geringen Erwartungen be-
grüßte man die Gründung
einesneuen Unternehmens,
das »Elsässische Kunst-
haus« (Dezember 1905),
welches sich die Förderung
elsässischer Kunst und
Kunstgewerbes zur Auf-
gabe gemacht hat. Hier
kommen in ausgedehnten,
bequemeren Räumen, als die
früheren Veranstaltungen
bieten konnten, in perma-
nenten und periodischen
Ausstellungen zur Schau:
Möbel von Spindler, Kera-
mik von Elchinger, Kunst-
schlossereien von Zschock,
Stukkaturen von Butz, Ver-
glasungen von Braunagel
und Camissar. Hier auch
stellen Stoskopf, Daubner, Ch-Spindler' st'Leonhard
Sattler, SchnugundMarzolf,von dem hierder wundervolle,
von Elchinger in Ton ausgeführte Tiger wiedergegeben
ist, aus. — Das Werk der Gebrüder Elchinger ver-
dient näher beleuchtet zu werden. Auf die Bedeutung
der elsässischen Töpferei, deren Spuren sich hierzu-
lande bis in die graueste Vorzeit verfolgen lassen, ist
von dem Humanisten Wimpfeling (1450—1528) bis
zum aktuellen, um elsässische Kunstgeschichte hoch-
verdienten Forrer mehrfach hingewiesen worden. Aus-
giebige Tonlager und reiche Waldungen, die sich im
ganzen Lande zerstreut vorfinden, bieten bestes Roh-
material in Fülle. In allen keramischen Sammlungen
stellen Schletfstadter, Straßburger und Niederweiler
Erzeugnisse, ansehnliche und wertvolle Stücke, dar.
Der bekannteste unter den Hauptplätzen elsässischer
Töpferei der Gegenwart ist Sufflenheim, das schöne
und ausgedehnte, am Rande des ehrwürdigen Hagenauer
Forstes gelegene Dorf. Hier wirkt seit mehreren Gene-
rationen die Töpferfamilie Elchinger. Philipp Elchinger,
ein biederer Charakterkopf, mit eigenwüchsiger Bildung,
ließ seinen drei Söhnen eine gewissenhafte und ein-
dringliche Erziehung zukommen. Ihre künstlerische
Ausbildung erhielten sie an den Kunstschulen zu Höchst,
Straßburg und Karlsruhe, von wo die Brüder das
Neuerworbene den reichen praktischen Erfahrungen
des Vaters zuführten, was zusammen mit dem ver-
erbten eisernen Fleiß der Sippe Hervorragendes er-
geben mußte. So entwickelten sich aus den irdenen,
bleiglasierten Gebrauchstöpfen, wie sie unsere Groß-
mütter in Haus und Küche so gerne benutzten, Luxus-
töpfereien mit wunderbaren matten Glasuren, die auf
allen Ausstellungen der
letzten Jahre, Paris, Turin,
Dresden, sehr ehrenvoll ab-
schnitten. Dieser Weg ist
groß und dornig, und nur
wer ihn zu messen vermag,
kann sich eine Vorstellung
davon machen, mit wieviel
Opfern, Schaffensfreude
und Zähigkeit die Brüder
Elchinger zu Werke gehen
mußten, um in einem
Zeitraum von knapp zehn
Jahren zu einem solchen
hochkünstlerischen, selb-
ständigen (wie sehr wurde
Läuger von der badischen
Regierung unterstützt!)
Resultat zu gelangen. Hut
ab vor solchen Leistungen!
Was Utzschneider in Saar-
gemünd für die große
Menge tut, ohne immer-
hin das Künstlerische
außer Acht zu lassen, viel-
leicht nicht immer sinn-
gemäß (was soll eine
figürliche Verzierung auf
einer bauch igen Schüssel?),
das ist Elchinger für den
anspruchsvollsten künstlerischen Genießer. Er ist der
Hannong unter den zeitgenössischen Töpfern des
Elsasses. Möge ihm ein günstiges Geschick einen
besseren finanziellen Erfolg bescheren wie jenem.
Die unerschöpflichen Glaspoeme des Straßburger
Münsters, der leider jetzt verbrannten Magdalenenkirche,
der Kirchen von Altthann, St. Georg in Schlettstadt,
Niederhaslach, Weißenburgin ihrer fast schwelgerischen
Farbenpracht, sind wohl angetan, dem Künstler als
Anregung zu Wirken und Schaffen auf reichen, den
Anforderungen der Neuzeit entsprechenden Bahnen
zu dienen. Es nimmt wunder, daß außer der all-
täglichen Dutzendproduktion, die dazu herhält, Kirchen
und Treppenhäuser zu »schmücken«, eigentlich von
wenig Künstlern den wertvollen Anregungen jener
Glasgemälde gefolgt wird. Außer denen des Jung-
Elsässers Meyemicolay nenne ich von modern auf-
Bank
Straßen und Plätze, ihm ist jeder brutale Ton verhaßt,
jede derbe Aufdringlichkeit zuwider. Sie streben eine
intimere, für den kleinen Raum berechnete Bildwirkung
an und zeigen ihren Vorzug in der treffsicheren Kom-
position ihrer Figuren, aus denen mitunter ein herz-
erhebender Humor lacht, dem sich niemand verschließen
kann« (W. Trunk, »Kunstgewerbe im Elsaß«). Auch
als Graphiker und Buchschmuckzeichner hat Schneider
mit vielem, weit über die Grenzen unserer engeren
Heimat gehenden Erfolg gewirkt. — Hier bei Grom-
bach stellten auch Bastian seine dekorativen Fließen,
v.Zschock seine ersten Kunstschlosserarbeiten, Elchinger
seine keramischen Werke aus. Die Künstlervereinigung
bey St. Nicolaus war nie eine Clique, vorurteilslos
suchte sie jede Bewegung
zu Wort kommen zu lassen
und wurde durch das all-
seitige Interesse des neu er-
wachten echten Kunstsinns
reichlich belohnt. Nun
begann man in Straßburg
sich zu regen. Mit nicht
geringen Erwartungen be-
grüßte man die Gründung
einesneuen Unternehmens,
das »Elsässische Kunst-
haus« (Dezember 1905),
welches sich die Förderung
elsässischer Kunst und
Kunstgewerbes zur Auf-
gabe gemacht hat. Hier
kommen in ausgedehnten,
bequemeren Räumen, als die
früheren Veranstaltungen
bieten konnten, in perma-
nenten und periodischen
Ausstellungen zur Schau:
Möbel von Spindler, Kera-
mik von Elchinger, Kunst-
schlossereien von Zschock,
Stukkaturen von Butz, Ver-
glasungen von Braunagel
und Camissar. Hier auch
stellen Stoskopf, Daubner, Ch-Spindler' st'Leonhard
Sattler, SchnugundMarzolf,von dem hierder wundervolle,
von Elchinger in Ton ausgeführte Tiger wiedergegeben
ist, aus. — Das Werk der Gebrüder Elchinger ver-
dient näher beleuchtet zu werden. Auf die Bedeutung
der elsässischen Töpferei, deren Spuren sich hierzu-
lande bis in die graueste Vorzeit verfolgen lassen, ist
von dem Humanisten Wimpfeling (1450—1528) bis
zum aktuellen, um elsässische Kunstgeschichte hoch-
verdienten Forrer mehrfach hingewiesen worden. Aus-
giebige Tonlager und reiche Waldungen, die sich im
ganzen Lande zerstreut vorfinden, bieten bestes Roh-
material in Fülle. In allen keramischen Sammlungen
stellen Schletfstadter, Straßburger und Niederweiler
Erzeugnisse, ansehnliche und wertvolle Stücke, dar.
Der bekannteste unter den Hauptplätzen elsässischer
Töpferei der Gegenwart ist Sufflenheim, das schöne
und ausgedehnte, am Rande des ehrwürdigen Hagenauer
Forstes gelegene Dorf. Hier wirkt seit mehreren Gene-
rationen die Töpferfamilie Elchinger. Philipp Elchinger,
ein biederer Charakterkopf, mit eigenwüchsiger Bildung,
ließ seinen drei Söhnen eine gewissenhafte und ein-
dringliche Erziehung zukommen. Ihre künstlerische
Ausbildung erhielten sie an den Kunstschulen zu Höchst,
Straßburg und Karlsruhe, von wo die Brüder das
Neuerworbene den reichen praktischen Erfahrungen
des Vaters zuführten, was zusammen mit dem ver-
erbten eisernen Fleiß der Sippe Hervorragendes er-
geben mußte. So entwickelten sich aus den irdenen,
bleiglasierten Gebrauchstöpfen, wie sie unsere Groß-
mütter in Haus und Küche so gerne benutzten, Luxus-
töpfereien mit wunderbaren matten Glasuren, die auf
allen Ausstellungen der
letzten Jahre, Paris, Turin,
Dresden, sehr ehrenvoll ab-
schnitten. Dieser Weg ist
groß und dornig, und nur
wer ihn zu messen vermag,
kann sich eine Vorstellung
davon machen, mit wieviel
Opfern, Schaffensfreude
und Zähigkeit die Brüder
Elchinger zu Werke gehen
mußten, um in einem
Zeitraum von knapp zehn
Jahren zu einem solchen
hochkünstlerischen, selb-
ständigen (wie sehr wurde
Läuger von der badischen
Regierung unterstützt!)
Resultat zu gelangen. Hut
ab vor solchen Leistungen!
Was Utzschneider in Saar-
gemünd für die große
Menge tut, ohne immer-
hin das Künstlerische
außer Acht zu lassen, viel-
leicht nicht immer sinn-
gemäß (was soll eine
figürliche Verzierung auf
einer bauch igen Schüssel?),
das ist Elchinger für den
anspruchsvollsten künstlerischen Genießer. Er ist der
Hannong unter den zeitgenössischen Töpfern des
Elsasses. Möge ihm ein günstiges Geschick einen
besseren finanziellen Erfolg bescheren wie jenem.
Die unerschöpflichen Glaspoeme des Straßburger
Münsters, der leider jetzt verbrannten Magdalenenkirche,
der Kirchen von Altthann, St. Georg in Schlettstadt,
Niederhaslach, Weißenburgin ihrer fast schwelgerischen
Farbenpracht, sind wohl angetan, dem Künstler als
Anregung zu Wirken und Schaffen auf reichen, den
Anforderungen der Neuzeit entsprechenden Bahnen
zu dienen. Es nimmt wunder, daß außer der all-
täglichen Dutzendproduktion, die dazu herhält, Kirchen
und Treppenhäuser zu »schmücken«, eigentlich von
wenig Künstlern den wertvollen Anregungen jener
Glasgemälde gefolgt wird. Außer denen des Jung-
Elsässers Meyemicolay nenne ich von modern auf-
Bank