DIE ENTWICKELUNG DES KUNSTGEWERBES IN ELSASS-LOTHRINGEN SEIT 1870 223
SAEMGEKHAUS ~
STRAPS- i^ülh nmz
-BURG-
Emil Schneider, Slraßburg
Plakat
einer Töpferschule, die eine Zeitlang in Frage stand.
Meine Ausführungen über Keramik gelten nicht minder
für die anderen Kunstgewerbe des Landes, so für den
Buchdruck, der im Elsaß berühmte alte Betriebe auf-
weist, für Holzschnitzerei, die Möbelkunst und andere.«
Dem Hohenlohe-Museum, das in Anbetracht der recht
geringen Mittel, die ihm zur Verfügung gestellt werden,
nicht unbedeutend ist, stellt sich ein aus Privatiniative
entstandenes, sehr lobenswertes Unternehmen zur Seite,
das »Elsässische Museum«, welches sich zur Aufgabe
gemacht hat, mustergültige Stücke des Elsässischen
Gewerbes früherer Zeiten, Möbel, Geräte, Geschirre,
Kostüme, an denen das wohlhabende Elsaß der Ver-
gangenheit so reich war, in den zweckentsprechen-
den Räumen zu vereinigen. So ist dank der auf-
opfernden Tätigkeit einiger Sammler und Kenner in
kurzer Zeit ein recht originelles Museum entstanden.
Eine alte Apotheke mit vollständiger Einrichtung,
mehrere Wohnzimmer mit reicher Ausstattung bieten
dem besuchenden Gewerbetreibenden wertvolle An-
regung.
An Kunstgewerbeschulen besitzen wir im Elsaß
(außer einigen kleineren Gewerbeschulen) zwei An-
stalten größeren Stiles. In Mülhausen die Schule der
»Sociele industrielle , gegründet 182g, in Straßburg
die Städtische Kunstgewerbeschule (1890). Die Mül-
hauser Schule hat den besonderen Zweck, den dortigen
zahlreichen Musterzeichnerateliers zeichnerisch und
theoretisch vorgebildete Kräfte zuzuführen, die sich
dann unter der eigenen Leitung des »Patrons« weiter
entwickeln sollen. »Die Leistungen der Schule sind
hoch anzuerkennen, wenn man erwägt, daß sie dem
nur wenig vorbereiteten Schüler vor allem eine prak-
tische technologische Ausbildung zu gewähren hat,
und zwar in wenigen Lehrjahren. Die Heranbildung
brauchbarer Dessinateure wird in Mülhausen mit
großem Eifer betrieben, wenn auch ihre eigentliche
Hochschule immer Paris sein wird. Wenn man weiß,
wie hoch selbständige Textilzeichner in unserer Groß-
industrie geschätzt werden, begreift man auch die
großen Opfer, welche in dem Zentrum der Textil-
industrie für die Schule bis jetzt gebracht worden
sind. Es ist selbstverständlich, daß hier, wie in allen
Unternehmungen der industriellen Gesellschaft, der
technologische Gesichtspunkt besonders betont wird.«
(»Kunstgewerbe im Elsaß.«) Es dürfte jedoch an-
gebracht sein, besonders in Mülhausen nicht außer
acht zu lassen, daß das Musterzeichnen im letzten
Jahrzehnt künstlerisch in ein anderes Stadium getreten
ist. Für die Nachbildung von Stoffen des 16. bis
18. Jahrhunderts ist Paris noch immer unantastbar
maßgebend. Für die neue Richtung aber, die sich
trotz so vieler Widersacher weiter entwickeln wird,
wäre es ratsam, an den Kunstgewerbeschulen in
München, Dresden und Wien zu schöpfen. Die
Wiederholung ad infinitum einer naiv hingestellten,
halb naturalistischen Blume ist immer noch kein
modernes Muster. Die Schule hat den Zweck, der
verfahrenen Routine des Ateliers entgegenzuarbeiten.
Aber nur da, wo eine gute theoretische Schulung mit
zielbewußtem Wirken und klarer Erkenntnis des Sinn-
gemäßen vorausgegangen ist, wird eine Verjüngung
des alten Zeichnerblutes möglich sein. »Über die
Kunstgewerbeschule und ihre Aufgabe sage ich nur
soviel, daß sie ihre Zöglinge bekannt machen muß
mit den künstlerischen Zeitströmungen und den ge-
samten modernen Hilfsmitteln des Kunstgewerbes,
daß sie anderseits aber auch zu einer gründlichen
Vertrautheit mit der älteren Kunstübung unseres Landes
hinführen muß. Nur aus dieser Verbindung kann
die persönliche Note erwachsen, welche Arbeiten dieses
Gebietes interessant macht. Es ist ein Irrtum, zu
glauben, das Neue im Kunstwerk bestehe im Selt-
Braunagel-Camissar, Straüburg
Kunslverglasung
SAEMGEKHAUS ~
STRAPS- i^ülh nmz
-BURG-
Emil Schneider, Slraßburg
Plakat
einer Töpferschule, die eine Zeitlang in Frage stand.
Meine Ausführungen über Keramik gelten nicht minder
für die anderen Kunstgewerbe des Landes, so für den
Buchdruck, der im Elsaß berühmte alte Betriebe auf-
weist, für Holzschnitzerei, die Möbelkunst und andere.«
Dem Hohenlohe-Museum, das in Anbetracht der recht
geringen Mittel, die ihm zur Verfügung gestellt werden,
nicht unbedeutend ist, stellt sich ein aus Privatiniative
entstandenes, sehr lobenswertes Unternehmen zur Seite,
das »Elsässische Museum«, welches sich zur Aufgabe
gemacht hat, mustergültige Stücke des Elsässischen
Gewerbes früherer Zeiten, Möbel, Geräte, Geschirre,
Kostüme, an denen das wohlhabende Elsaß der Ver-
gangenheit so reich war, in den zweckentsprechen-
den Räumen zu vereinigen. So ist dank der auf-
opfernden Tätigkeit einiger Sammler und Kenner in
kurzer Zeit ein recht originelles Museum entstanden.
Eine alte Apotheke mit vollständiger Einrichtung,
mehrere Wohnzimmer mit reicher Ausstattung bieten
dem besuchenden Gewerbetreibenden wertvolle An-
regung.
An Kunstgewerbeschulen besitzen wir im Elsaß
(außer einigen kleineren Gewerbeschulen) zwei An-
stalten größeren Stiles. In Mülhausen die Schule der
»Sociele industrielle , gegründet 182g, in Straßburg
die Städtische Kunstgewerbeschule (1890). Die Mül-
hauser Schule hat den besonderen Zweck, den dortigen
zahlreichen Musterzeichnerateliers zeichnerisch und
theoretisch vorgebildete Kräfte zuzuführen, die sich
dann unter der eigenen Leitung des »Patrons« weiter
entwickeln sollen. »Die Leistungen der Schule sind
hoch anzuerkennen, wenn man erwägt, daß sie dem
nur wenig vorbereiteten Schüler vor allem eine prak-
tische technologische Ausbildung zu gewähren hat,
und zwar in wenigen Lehrjahren. Die Heranbildung
brauchbarer Dessinateure wird in Mülhausen mit
großem Eifer betrieben, wenn auch ihre eigentliche
Hochschule immer Paris sein wird. Wenn man weiß,
wie hoch selbständige Textilzeichner in unserer Groß-
industrie geschätzt werden, begreift man auch die
großen Opfer, welche in dem Zentrum der Textil-
industrie für die Schule bis jetzt gebracht worden
sind. Es ist selbstverständlich, daß hier, wie in allen
Unternehmungen der industriellen Gesellschaft, der
technologische Gesichtspunkt besonders betont wird.«
(»Kunstgewerbe im Elsaß.«) Es dürfte jedoch an-
gebracht sein, besonders in Mülhausen nicht außer
acht zu lassen, daß das Musterzeichnen im letzten
Jahrzehnt künstlerisch in ein anderes Stadium getreten
ist. Für die Nachbildung von Stoffen des 16. bis
18. Jahrhunderts ist Paris noch immer unantastbar
maßgebend. Für die neue Richtung aber, die sich
trotz so vieler Widersacher weiter entwickeln wird,
wäre es ratsam, an den Kunstgewerbeschulen in
München, Dresden und Wien zu schöpfen. Die
Wiederholung ad infinitum einer naiv hingestellten,
halb naturalistischen Blume ist immer noch kein
modernes Muster. Die Schule hat den Zweck, der
verfahrenen Routine des Ateliers entgegenzuarbeiten.
Aber nur da, wo eine gute theoretische Schulung mit
zielbewußtem Wirken und klarer Erkenntnis des Sinn-
gemäßen vorausgegangen ist, wird eine Verjüngung
des alten Zeichnerblutes möglich sein. »Über die
Kunstgewerbeschule und ihre Aufgabe sage ich nur
soviel, daß sie ihre Zöglinge bekannt machen muß
mit den künstlerischen Zeitströmungen und den ge-
samten modernen Hilfsmitteln des Kunstgewerbes,
daß sie anderseits aber auch zu einer gründlichen
Vertrautheit mit der älteren Kunstübung unseres Landes
hinführen muß. Nur aus dieser Verbindung kann
die persönliche Note erwachsen, welche Arbeiten dieses
Gebietes interessant macht. Es ist ein Irrtum, zu
glauben, das Neue im Kunstwerk bestehe im Selt-
Braunagel-Camissar, Straüburg
Kunslverglasung