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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Ritleng, Georges: Die Entwicklung des Kunstgewerbes in Elsass-Lothringen seit 1870
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0232

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224 DIE ENTWICKELUNO DES KUNSTGEWERBES IN ELSASS-LOTHRINGEN SEIT 1870

Elchinger, Sufllenlieim

Töpfereien

samen und Unerwarteten; das Neue besteht vielmehr
darin, dem Publikum anstatt verblüffender Dinge solche
darzubieten, die ihm gefallen durch die Sicherheit, mit
der Gegebenes den Erfordernissen des modernen
Lebens angepaßt ist. Die Kunstgeschichte liefert uns
stets von neuem den Beweis, wie sehr die verschie-
denen Stilarten mit dem Geist der betreffenden Zeiten
zusammenhängen. Der Stil Ludwigs XIV. mit seiner
vornehmen Äußerlichkeit und der imposanten Groß-
artigkeit entspricht ganz der Gesellschaft, die an der
Allongeperücke und einer majestätisch würdevollen
Etikette Gefallen fand. Der Stil Ludwigs XV. gleicht in
seiner Grazie und Gefallsucht den weltmännischen
Abbes des Hofes und den geschmeidigen Marquis,
die so geschickt waren, ihre künstlichen Spielereien
in Damenkabinetten witzig aufzutischen; der Stil
Ludwigs XVI., der sich als eine plötzliche Rückkehr
zu einer höchst gesuchten Einfachheit darstellt, paßt
vortrefflich in die Zeiten, da die Königin von Frank-
reich in den ländlichen Gärten von Trianon die
Schäferin spielte. So sehen wir den Stil immer aus
den Gebräuchen und den Geschmacksrichtungen der
einzelnen Zeitalter herauswachsen und wir sind, wie
gesagt, auf falschem Wege, wenn wir den neuen Stil

darin suchen, durch Seltsamkeiten und Bizzarerien die
Aufmerksamkeit unserer Zeitgenossen zu erregen.«
(Laugel, »Str. Post«.) Der Straßburger Kunstgewerbe-
schule gebührt das Verdienst, die erste in Deutschland
gewesen zu sein, die mit dem Kopieren alter Stile
gänzlich brach, um am Studium der Natur neue Formen
für die Erfordernisse der jetzigen Zeit zu gewinnen.
Diesem radikalen Mittel, in seiner Einfachheit an das
Ei des Kolumbus erinnernd, verdankt Seder, ihr
Gründer, den Ruf seiner Schule, der weit über die
Grenzen des Elsasses geht. Vielleicht wird es die
Zukunft ermöglichen, daß sie ihren Rang beibehält,
indem sie verstaatlicht wird, da die stets steigenden
Anforderungen, die an sie gestellt werden, schließlich
einer finanziell nicht eben glänzend gestellten Stadt
wie Straßburg eine Last werden könnten, die den
Fortgang der Schule zu hemmen vermöchte.

Alles in allem, rührt man sich im Elsaß, und
Straßburg tut sein mögliches, um den Markt des
elsässischen Kunstgewerbes zu zentralisieren und zu
regulieren. Mehr wie jedes andere Land, hatten wir
mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, bis wir dazu
kamen, was wir sind, nachdem die politischen Ereig-
nisse der siebziger Jahre in schlimmster Weise auf die

Entworfen von Marzolf, Straßburg

Ausgeführt von Elchinger, Sufllenlieim
 
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