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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Osborn, Max: Moderne Schiffskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0237

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SCHNELLDAMPFER DES NORDDEUTSCHEN LLOYD KRONPRINZESSIN CECILIE^
Frühslückszinimer, von Rieh. Riemerschmid, mit Durchblick in den Salon. (Ausgeführt von den Dresdener Werkstätten für Handwerkskunst.)

MODERNE SCHIFFSKUNST

Von Dr. Max Osborn.

DIE moderne Kunst und der deutsche Schiffsbau
haben bisher immer nur sehr lose Beziehungen
zu einander unterhalten. Das ist eigentlich
recht seltsam; denn das Paar paßt von Hause aus so
vortrefflich zusammen, daß man glauben sollte, es
müßte wie selten eins zum dauernden Glück der Ehe
sich eignen. Eine Meinungsverschiedenheit, denkt
man, könnte es zwischen diesen beiden nicht geben,
weil beide von denselben Grundanschauungen durch-
drungen und beherrscht sind. Das neue Kunstgewerbe
ist hervorgegangen aus dem gesunden Bestreben, den
praktischen Zweck jedes Stückes und jedes Details
mit den natürlichen Mitteln des Materials in gefälligem
Vortrag einfach und schlicht zum Ausdruck zu bringen,
das Sachliche offen zu betonen und zugleich ästhe-
tisch zu durchdringen, den technischen Gang der
Herstellung in jedem Falle freimütig zu bekennen
und gerade in seiner Sichtbarmachung einen neuen
Schönheitsreiz zu finden, Schmuck und Zierat nur
soweit zuzulassen, als sie die klare Erkenntnis der
Entstehung und der Bestimmung nicht verdunkeln.

Kunstgewerbeblatt. N. F. XVIII. H.12

Das alles sind Tendenzen, die auch der Schiffsbau-
meister unterschreiben wird. Seine Arbeit hat aller-
dings einen anderen Ausgangspunkt und ein anderes
Ziel. Er benutzt die großartigen Fortschritte der
Technik, um mit ihrer Hilfe immer größere, immer
brauchbarere, immer leistungsfähigere Ozeanfahrer zu
schaffen, und ästhetische Werte kommen für ihn zu-
nächst gar nicht in Betracht. Aber sie wachsen aus
seiner Arbeit hervor, ohne daß er sie sucht. Nach
einer Epoche, die in der Maschine den Todfeind des
Künstlerischen erblickte, hat unsere Gegenwart mit
dem Jubel des Entdeckers die früheren Zeiten ver-
schlossene Schönheit des Maschinellen erkannt. Die
unerschütterliche Logik, die im Zusammenarbeiten
der tausend Einzelteile zu einem bestimmten Zwecke
liegt, die Ehrlichkeif, mit der die Maschine ihre
konstruktive Herkunft zeigt und ihre Absichten auf-
deckt, die Präzision und Exaktheit, mit der ihre
ineinander greifenden Glieder dem Befehl des Erbauers
gehorchen, das wunderbare Spiegelbild der produk-
tiven Intelligenz des Menschengeistes, das sie dar-

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