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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 18.1906-1907

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4869#0256

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

den Lehrkörper gewirkt und einen bedrohlichen Stillstand
der künstlerischen Lehrtätigkeit verursacht. Nun ist die
Schülerzahl um ungefähr hundert verringert worden und
damit erledigten sich auch elf Hilfslehrerstellen. Der Vor-
bereitungs- und Abendunterricht ist sehr eingeschränkt
worden und wird es auch bleiben, da Direktor Paul be-
absichtigt, in der Regel nur noch Schüler anzunehmen, die
bereits eine angemessene handwerkliche Vorbildung nach-
weisen können. Der Einschränkung auf der einen Seite
steht die Berufung einiger künstlerisch wichtiger Lehrkräfte
gegenüber. Unter anderen wurde auch der vorzügliche
Graphiker E. R. Weiss als Lehrer verpflichtet.

Hamburg. Die Staatliche Kunstgewerbeschule ver-
sendet ihren Jahresbericht 1906—7. Bekanntlich ist dieser
frisches Leben durch die Berufung zahlreicher künstlerischer
Lehrkräfte zugeführt worden, worüber wir bereits berichtet
haben. Zum Oktober 1907 werden nun außerdem noch
eintreten und zwar als Lehrer für Flächenkunst: Maler
Czeschha, bisher Lehrer an der Kunstgewerbeschule in
Wien, und der Maler Salzmann, bisher Lehrer an der
Akademie für graphische Künste in Leipzig. Die sympa-
thischen Ziele der Schule kennzeichnen folgende Worte, die
wir dem Vorwort des Jahresberichtes entnehmen: »Nur
durch die Bearbeitung der Stoffe ist ein Stilgefühl zu er-
zielen, denn Stoff und Stil bilden eine Einheit, die dem
Werk die Sprache und den Charakter gibt. Auch der
Phantasie wird erst durch die Beschäftigung mit der
Technik und duich die Kenntnis aller technischen Be-
dingungen und Hilfsmittel die natürliche Richtung und
Nahrung gegeben. Die Theorie soll die Technik beleben,
aus der Technik aber die Logik des künstlerischen Schaffens
herauswachsen«.

Das Fachzeichnen der Tischler. Auf der 18. Wander-
versammlung deutscher Qewerbeschulmänner, die kürzlich
in Bremen stattfand, hat Oberlehrer Beuhne folgende Leit-
sätze für das >Fachzeichnen der Tischler« aufgestellt, die
unsere Leser vielleicht interessieren werden.

1) Das Fachzeichnen für Tischler soll dem Schüler
eine tüchtige Kenntnis der Holzverbindung zur Flächen-
und Raumbildung und ihrer Vernunft- und stoffgemäßen
Anwendung vermitteln.

2) Der Schüler soll angeleitet werden, die Gesamtform
eines Möbels oder Raumes aus dem Zweck heraus zu
entwickeln.

3) Dem Schüler soll eine für seinen besonderen Zweck
ausreichende Zeichenfertigkeit beigebracht werden, so daß
seine Hand mühelos seinem Wollen folgen kann.

4) Der Unterricht soll sich in seinen Zielen der Praxis
möglichst anschließen, dabei ist aber nicht zu vergessen,
daß nicht alles in der Praxis Übliche mustergültig ist und
daß der Schüler gerade das lernen soll, was die Praxis
nicht bietet.

5) Die Unterrichtsmethode soll analytisch, nicht syn-
thetisch sein. Nur in einer analytischen Methode wird
der Schüler das in These 2 Geforderte erreichen. Als
Ausgangspunkt hat die Werkzeichnung zu dienen.

6) Der Lehrgang soll so beschaffen sein, daß der
Schüler jederzeit die völlige Herrschaft über das Gelernte
hat.

7) Alles Kopieren ist zu verwerfen; das gilt auch für
Modelle, welche aufzumessen und nach den Maßzetteln
zu zeichnen sind.

8) Der Schüler ist auf jeder Stufe des Unterrichts zu
halten, seine Kraft im Erfinden zu üben; es ist dabei auf
die Bedeutung der Flächenteilung, Ebenmaß und Unter-
ordnung der Teile aufmerksam zu machen.

9) Über der eigentlichen Schularbeit sollen ohne Bei-
hilfe des Lehrers Aufgaben aus der Praxis in bestimmter
Zeit gelöst werden.

10) Der Schüler ist mit den Schmucktechniken und
Nebenmaterialien bekannt zu machen und in ihrer ver-
nünftigen Anwendung zu unterweisen.

11) Das perspektivische (konstruierende und freihändige)
Darstellen und Naturstudium sind zu pflegen.

12) Der Farbensinn des Schülers ist zu pflegen.

VEREINE UND VORTRÄGE.

London. Für den in London im August nächsten
Jahres stattfindenden internationalen Zeichenkongreß sind
beim vorbereitenden Ausschuß (i. V. Schulrat Dr. Kerschen-
steiner in München) bis jetzt zwei deutsche Referate an-
gemeldet: 1. »Der Handfertigkeitsunterricht in Deutsch-
land« von Direktor Dr. Jessen-Berlin, 2. »Die Entwickelung
der zeichnerischen Begabung« von Schulrat Dr. Kerschen-
steiner in München. — Für den Kongreß soll ferner eine
Schrift ausgearbeitet werden, die einen Überblick gibt
über den Stand der Bestrebungen für zeichnerische und
künstlerische Ausbildung in Deutschland mit etwa folgen-
den Beiträgen: a) Die Organisation des Zeichenunterrichts
in Deutschland (Pallat für Preußen, Hermann und Elßner
für Sachsen) — b) Organisation der Kunstgewerbemuseen
für die künstlerische Volkserziehung (Lichtwark-Hamburg)—
c) das deutsche Bilderbuch (Pauli-Bremen) — d) der Wand-
schmuck in Schule und Haus (Elßner und Hermann in
Dresden) — e) das Schulhaus in Deutschland (Rehork-
Köln) — f) der Handfertigkeitsunterricht in Deutschland
(Jessen-Berlin).

HANDELS- UND INDUSTRIENACHRICHTEN.

Aus der Möbelindustrie. Deutschland exportierte
im Jahre 1905 für £ 74,731 (1904: £ 66,224) Möbel nach
England. Umgekehrt betrug der Import von Möbel aus
England 1905: £ 19,148 (i9°4*- & 13,463)-

München. Die »Werkstätten für Wohnungseinrich-
tung Karl Bertsch« haben sich mit den »Dresdener Werk-
stätten für Handwerkskunst Karl Schmidt« zu einer ge-
meinsamen Firma unter dem Namen »Deutsche Werkstätten
für Handwerkskunst G. m. b. H.« vereinigt. Dieses neue
geeinte Unternehmen wird nun wieder zusammen mit
»Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk A.-G.
München« in Berlin eine gemeinsame Verkaufsstelle Ecke
der Lene- und Bellevuestraße errichten und mit ihnen
auch auf den Ausstellungen zusammen auftreten.

RECHTSFRAGEN UND ENTSCHEIDUNGEN.

Das Urheberrecht am Bühnenbilde. Eine reichs-
gerichtliche Entscheidung in einer Klagsache des Bild-
hauers Kruse gegen die Firma Hugo Baruch & Co. ist
insofern interessant, als sie — entgegen der Auffassung,
die in den übrigen Kunstzweigen maßgebend ist — bei
der Schöpfung des Bühnenbildes (Salome) die Tat, an die
sich das Urheberrecht knüpft, nicht schon in den vom
Kläger gelieferten Skizzen und ersten Entwürfen, sondern
erst in der formbildenden Tätigkeit der Angeklagten er-
blickte, von denen das plastische Modell für das Bühnen-
bild, wie es sich dem Auge des Beschauers darstellt, und
die in der endgültigen Form ausgeführten Bestandteile des
Bühnenbildes stammen. — Diese Entscheidung wird viel
beredet, weil die eigentliche Konzeption doch dem Bild-
hauer zugesprochen werden muß.

ierausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., a. M. B. H., Leipzig
 
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