Der Kunstmarkt
Wochenschrift für Kenner und Sammler
Herausgegeben u. verlegt von E. A. SEEMANN, Leipzig, Querstrasse No. 13
nanunanunufiunufiu Beiblatt der Zeitschrift für bildende Kunst rj ku na nu nu na na na
II. Jahrgang 1904/1905 Nr. 11. 16. Dezember
Der Kunstmarkt erscheint am Freitage jeder Woche (mit Ausnahme der drei Sommermonate, in denen er nur je einmal erscheint) und kostet 4 M.
jährlich (40 Nummern). Bei Bezug unter Kreuzband, direkt von der Verlagsbuchhandlung, beträgt der Jahrespreis 6 M. Abonnenten der Zeit-
schrift für bildende Kunst erhalten den Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigenpreis 30 Pf. für die einspaltige Petitzeile. Redaktionsschluß Montag früh.
BEVORSTEHENDE AUKTIONEN
*20. Dezember. R. Bangel, Frankfurt a. M. Porzellane,
Antiquitäten, Gemälde.
19.—22. Dezember. J. M. Heberle, Köln. Gemälde
aus den Sammlungen Metz und Montag.
12.—20. Dezember. Muller & Co., Amsterdam. Münzen.
19.—24. Dezember. Me- Fevre et M. Bloche, Nantes,
Rue Lekain. Coll. Ganachaud, Antiquitäten
und Gemälde.
Über die mit Sternchen versehenen Versteigerungen ist im Anzeigenteile dieser Nummer Näheres zu finden.
NEUIGKEITEN VOM KUNSTMARKTE
London. Am 3. Dezember verauktionierte Christie
mehrere Sammlungen von Werken älterer Meister und der
frühen englischen Schule. Das Hauptinteresse konzentrierte
sich auf drei aus dem Besitze von Mr. John Tomlinson
herrührende Gemälde. Das war ein Mann, der in einem
kleinen Häuschen eines Bergarbeiters wohnte und neunzig
Jahre alt wurde. In seinen Mußestunden war er Kunst-
freund, und zwar in doppelter Betätigung. Erstens war er
Bildersammler und zweitens gleichzeitig der Restaurator
der von ihm angekauften Objekte, deren Preis keinenfalls
einige Schillinge überschreiten durfte. Außerdem rahmte
er seine Gemälde nicht ein, sondern bei seinem Tode
befand sich diese eigentümliche Galerie in zusammen-
gerolltem Zustande. Nach seiner Ansicht war dem
Verstorbenen die Wiederherstellung sämtlicher Gemälde
bis auf drei gelungen, und wie die Erben sagen: zum
Glück für uns mißlang die Restauration dieser drei Bilder.
Er verstand absolut nichts von wirklicher Kunst und besaß
gleichfalls kein Talent zur Renovierung von Kunstwerken;
ebenso wußte er denn nicht, daß unter all dem Schund,
den er erworben und restauriert hatte, sich drei Porträts
befanden, die von den Sachverständigen als wert befunden
wurden, um zu Christie zu wandern. Die beiden Porträts
in Lebensgröße, ein Herr und eine Dame, sind möglicher-
weise Arbeiten von Tilly Kettle, der ein so geschickter
Imitator von Reynolds und Gainsborough war, daß selbst
heute die gewiegtesten Spezialkenner dieser Maler oft
nicht imstande sind zu sagen, was Original und Imitation
ist. So wurde denn auch von vielen das männliche Porträt
für einen allerdings 'total verkommenen Gainsborough und
das weibliche Bildnis für ein Werk von P. Cotes gehalten.
Dieses erzielte einen Preis von 4305 Mark, jenes von 840
Mark. Das dritte Objekt wurde aber als ein echter, wenn
auch als kein hervorragender Romney anerkannt, für den
Mr. Agnew den ungeheuren Preis von 136500 Mark zahlte.
Das Gemälde stellt eine Kindergruppe und die beiden be-
reits genannten Porträts die Eltern dar. Hinsichtlich des
Gruppenbildes herrscht kein Zweifel über die Autorschaft, da
in den Tagebüchern Romneys korrespondierende Aufzeich-
nungen vorhanden sind und dasselbe 1777 angefertigt
wurde. Bis zu 130000 Mark war die Firma Colnaghi & Co.
Mitbieter geblieben. Dem verstorbenen Besitzer aber hatten
alle drei Gemälde zusammen noch nicht 20 Mark ge-
kostet. Es sind die einzigen, deren Restauration ihm nach
seiner Ansicht mißlungen war; die gelungenen lehnten
sämtliche Auktionatoren von Belang zur Übernahme ab!
Aus anderen Sammlungen waren die bedeutendsten
Objekte und die dafür gezahlten Preise folgende: J. M.
Nattier, »Clara Dechamps«, die Witwe des Marquis von
Villette, und zweite Frau des bekannten Politikers Boling-
broke, 28350 M. (Davis); G. Terborch, »Damenporträt«,
33600 M. (Wills); G. Morland, »Der Sportsmann«, 8400 M.
(Wicars); T. Lawrence, »Mr. Michel«, 40200 M. (Agnew);
»Horace Churchill«, Knabenporträt von J. Opie, 10400 M.
(M. Colnaghi); Porträt von »Robert Butcher« von Gains-
borough, defekt, 4200 M. und J. Kettles »Damenporträt«
4250 M. Im ganzen ergab die Auktion ein Resultat von
340000 M.
Am 4. Dezember versteigerte Christie Miniaturen und
altenglische Möbel. Die bemerkenswertesten Gegenstände
erreichten nachstehende Preise. Ein männliches und weib-
liches Miniaturporträt von John Smart 2200 M.; ein Damen-
porträt von Nicholas Hilliard 4000 M.; eine Louis’ XVL-
Golddose mit Miniaturen 5040 M.; eine Louis’ XVI.-Gold-
dose mit Malerei auf Sevres-Porzellan 6020 M.; ein ein-
gelegter Mahagonisekretär 10000 M.; ein Chippendale-Sofa
3000 M.
Am 1. Dezember verauktionierte die Firma Bruton,
Knowles & Co. mehrere Kunstsammlungen, unter denen
eine Louis’ XVI.-Golddose mit 10000 M., ein weibliches
Miniaturporträt, gemalt von Lewis Crosse, aus der Zeit
der Königin Anna, mit 7000 M. bezahlt wurden.
O. v. S.
Die Leitung der Versteigerungen der Firma J. M.
Heberle (H. Lempertz Söhne) hat nach dem kürzlich von
uns gemeldeten Tode des bisherigen Inhabers, Herrn Hein-
rich Lempertz, nunmehr der Kunsthistoriker Herr Dr. phil.
H. G. Lempertz übernommen.
Wochenschrift für Kenner und Sammler
Herausgegeben u. verlegt von E. A. SEEMANN, Leipzig, Querstrasse No. 13
nanunanunufiunufiu Beiblatt der Zeitschrift für bildende Kunst rj ku na nu nu na na na
II. Jahrgang 1904/1905 Nr. 11. 16. Dezember
Der Kunstmarkt erscheint am Freitage jeder Woche (mit Ausnahme der drei Sommermonate, in denen er nur je einmal erscheint) und kostet 4 M.
jährlich (40 Nummern). Bei Bezug unter Kreuzband, direkt von der Verlagsbuchhandlung, beträgt der Jahrespreis 6 M. Abonnenten der Zeit-
schrift für bildende Kunst erhalten den Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigenpreis 30 Pf. für die einspaltige Petitzeile. Redaktionsschluß Montag früh.
BEVORSTEHENDE AUKTIONEN
*20. Dezember. R. Bangel, Frankfurt a. M. Porzellane,
Antiquitäten, Gemälde.
19.—22. Dezember. J. M. Heberle, Köln. Gemälde
aus den Sammlungen Metz und Montag.
12.—20. Dezember. Muller & Co., Amsterdam. Münzen.
19.—24. Dezember. Me- Fevre et M. Bloche, Nantes,
Rue Lekain. Coll. Ganachaud, Antiquitäten
und Gemälde.
Über die mit Sternchen versehenen Versteigerungen ist im Anzeigenteile dieser Nummer Näheres zu finden.
NEUIGKEITEN VOM KUNSTMARKTE
London. Am 3. Dezember verauktionierte Christie
mehrere Sammlungen von Werken älterer Meister und der
frühen englischen Schule. Das Hauptinteresse konzentrierte
sich auf drei aus dem Besitze von Mr. John Tomlinson
herrührende Gemälde. Das war ein Mann, der in einem
kleinen Häuschen eines Bergarbeiters wohnte und neunzig
Jahre alt wurde. In seinen Mußestunden war er Kunst-
freund, und zwar in doppelter Betätigung. Erstens war er
Bildersammler und zweitens gleichzeitig der Restaurator
der von ihm angekauften Objekte, deren Preis keinenfalls
einige Schillinge überschreiten durfte. Außerdem rahmte
er seine Gemälde nicht ein, sondern bei seinem Tode
befand sich diese eigentümliche Galerie in zusammen-
gerolltem Zustande. Nach seiner Ansicht war dem
Verstorbenen die Wiederherstellung sämtlicher Gemälde
bis auf drei gelungen, und wie die Erben sagen: zum
Glück für uns mißlang die Restauration dieser drei Bilder.
Er verstand absolut nichts von wirklicher Kunst und besaß
gleichfalls kein Talent zur Renovierung von Kunstwerken;
ebenso wußte er denn nicht, daß unter all dem Schund,
den er erworben und restauriert hatte, sich drei Porträts
befanden, die von den Sachverständigen als wert befunden
wurden, um zu Christie zu wandern. Die beiden Porträts
in Lebensgröße, ein Herr und eine Dame, sind möglicher-
weise Arbeiten von Tilly Kettle, der ein so geschickter
Imitator von Reynolds und Gainsborough war, daß selbst
heute die gewiegtesten Spezialkenner dieser Maler oft
nicht imstande sind zu sagen, was Original und Imitation
ist. So wurde denn auch von vielen das männliche Porträt
für einen allerdings 'total verkommenen Gainsborough und
das weibliche Bildnis für ein Werk von P. Cotes gehalten.
Dieses erzielte einen Preis von 4305 Mark, jenes von 840
Mark. Das dritte Objekt wurde aber als ein echter, wenn
auch als kein hervorragender Romney anerkannt, für den
Mr. Agnew den ungeheuren Preis von 136500 Mark zahlte.
Das Gemälde stellt eine Kindergruppe und die beiden be-
reits genannten Porträts die Eltern dar. Hinsichtlich des
Gruppenbildes herrscht kein Zweifel über die Autorschaft, da
in den Tagebüchern Romneys korrespondierende Aufzeich-
nungen vorhanden sind und dasselbe 1777 angefertigt
wurde. Bis zu 130000 Mark war die Firma Colnaghi & Co.
Mitbieter geblieben. Dem verstorbenen Besitzer aber hatten
alle drei Gemälde zusammen noch nicht 20 Mark ge-
kostet. Es sind die einzigen, deren Restauration ihm nach
seiner Ansicht mißlungen war; die gelungenen lehnten
sämtliche Auktionatoren von Belang zur Übernahme ab!
Aus anderen Sammlungen waren die bedeutendsten
Objekte und die dafür gezahlten Preise folgende: J. M.
Nattier, »Clara Dechamps«, die Witwe des Marquis von
Villette, und zweite Frau des bekannten Politikers Boling-
broke, 28350 M. (Davis); G. Terborch, »Damenporträt«,
33600 M. (Wills); G. Morland, »Der Sportsmann«, 8400 M.
(Wicars); T. Lawrence, »Mr. Michel«, 40200 M. (Agnew);
»Horace Churchill«, Knabenporträt von J. Opie, 10400 M.
(M. Colnaghi); Porträt von »Robert Butcher« von Gains-
borough, defekt, 4200 M. und J. Kettles »Damenporträt«
4250 M. Im ganzen ergab die Auktion ein Resultat von
340000 M.
Am 4. Dezember versteigerte Christie Miniaturen und
altenglische Möbel. Die bemerkenswertesten Gegenstände
erreichten nachstehende Preise. Ein männliches und weib-
liches Miniaturporträt von John Smart 2200 M.; ein Damen-
porträt von Nicholas Hilliard 4000 M.; eine Louis’ XVL-
Golddose mit Miniaturen 5040 M.; eine Louis’ XVI.-Gold-
dose mit Malerei auf Sevres-Porzellan 6020 M.; ein ein-
gelegter Mahagonisekretär 10000 M.; ein Chippendale-Sofa
3000 M.
Am 1. Dezember verauktionierte die Firma Bruton,
Knowles & Co. mehrere Kunstsammlungen, unter denen
eine Louis’ XVI.-Golddose mit 10000 M., ein weibliches
Miniaturporträt, gemalt von Lewis Crosse, aus der Zeit
der Königin Anna, mit 7000 M. bezahlt wurden.
O. v. S.
Die Leitung der Versteigerungen der Firma J. M.
Heberle (H. Lempertz Söhne) hat nach dem kürzlich von
uns gemeldeten Tode des bisherigen Inhabers, Herrn Hein-
rich Lempertz, nunmehr der Kunsthistoriker Herr Dr. phil.
H. G. Lempertz übernommen.