Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
230

DER KUNSTMARKT

— hat er sich besonders der englischen Porträtmalerei des
18. Jahrhunderts zugewandt, viel aus England exportiert
und in erfolgreichem Wettstreit mit den Londoner Händ-
lern, namentlich den amerikanischen Liebhabern viele der
vornehmen Porträts eines Reynolds, Romney, Oainsborough
verschafft, auch in Deutschland für diese Kunst Freunde
geworben. Die wenigen englischen Bildnisse, die nach
Berlin und Hamburg gelangt sind, waren fast sämtlich in
seinen Händen.
Der Auktionskatalog verzeichnet 166 englische Ge-
mälde. Abgesehen von einigen älteren Werken, wie die
Bildnisse von Lely und Kneller, sind alle berühmten Haupt-
meister der Blütezeit reichlich vertreten und eine Anzahl
kleinerer Maler, wie Cotes, Opie, Sir William Beechey.
Zuweilen kommen diese wenig bekannten Meister, die von
der allgemeinen Malkultur profitieren, den Berühmten
sehr nahe. So kann sich das Porträt der Mrs. Merry von
Beechey (Nr. i) neben vielen Arbeiten Höppners oder
Raeburns sehen lassen.
Von Oainsborough sind mehrere Landschaften da und
einige Bildnisse, dabei mindestens eines, das der Miß Bone
(Nr. 70) von hohem Range. Reynolds ist mit 16 Nummern
vertreten, ungleichartigen und ungleichwertigen Stücken.
Anziehende Frauenporträts in seinem reifen Stil sind unter
den Nummern 125 und 134 katalogisiert. Höppner ist
glänzend repräsentiert, namentlich durch die üppige Schön-
heit der Miß Raine (Nr. 86), Romney besonders gut durch
die Halbfigur einer Witwe (Nr. 148) und durch das große,
etwas klassizistische und ein wenig sentimentale Porträt
der Miß Gore (Nr. 147).
Der Schotte Raeburn, dessen gesunde Kunst nament-
ich in Männerporträts unvergleichlich ist, erscheint mit
einer Reihe ausgezeichneter Arbeiten. Den höchsten Preis
wird vermutlich die Halbfigur der Mrs. James Monteith
erzielen (Nr. 125). Thomas Lawrence gehört mit seinen
früheren Arbeiten noch durchaus zu den großen Meistern
des 18. Jahrhunderts. Die Auktion bringt eines seiner
Hauptwerke, die Porträtgruppe — Charles Binny mit seinen
beiden Töchtern (Nr. 97). Die Landschaftsmalerei, die
etwas später als die Porträtkunst auf englischem Boden
zur Blüte kam, entfaltet sich nicht weniger reich in dem
Sedelmeyerschen Lager. Constable ist mit 31 Nummern
vertreten, zumeist kleineren Naturstudien, Ölskizzen. Es
sind aber auch einige bedeutende großräumige Kompo-
sitionen dabei, Bonington zeigt ein Doppelgesicht, da außer
mehreren lichten Landschaften, die den Historiker der
Landschaftsdarstellung interessieren, eine Reihe genrehafter
historischer Darstellungen von etwas theatralischemCharakter
in dem Kataloge verzeichnet sind. Die dem old Crome
zugeschriebene Flachlandschaft (Nr. 58) ist offenbar nach
Philipps Koning kopiert.
Mit 87 Bildern ist die französische Kunst repräsentiert.
Kaum ein Hauptmeister wird vermißt. Unter den älteren
und strengeren Werken fällt ein sehr schöner »Claude«
auf und eine Reihe der pompösen Frauenbildnisse Largi-
lieres. Von den Malern der galanten Schäferszenen ist
Pater sehr gut und reich vertreten, minder gut Lancret
und Watteau. Boucher zeigt sich sehr mannigfaltig. Von
Chardin ist mindestens eine vortreffliche Schöpfung zu
finden, der Knabe, der ein Kartenhaus baut. Fragonards
»Amor« wird die Freunde seiner geistreichen Kunst ent-
zücken. Greuze fehlt natürlich nicht mit mehreren seiner
gefühlvollen Schönheiten. Von diesem Maler verzeichnet
der Katalog auch einige kleinfigurige Kompositionen, die
im allgemeinen selten sind.
Die Auktion ist, wie man sieht, überreich an dekora-
tiven Gemälden, wie sie der heute herrschende Geschmack
zur Ausstattung eleganter Gesellschaftsräume sich wünscht.

Das Angebot kann als Kraftprobe für die Aufnahmefähig-
keit des Marktes betrachtet werden, und man sieht dem
Ergebnis mit Spannung entgegen.
Auch der zweite Katalog mit 217 Nummern und fast
ebenso vielen Abbildungen liegt vor.
In Deutschland ist der berühmte Pariser Händler
namentlich als Verkäufer holländischer Bilder bekannt, zu-
mal da er in früheren Jahren häufig nach Berlin kam und
gute »Holländer« mitbrachte. Die jüngeren Privatsamm-
lungen in Berlin und in anderen deutschen Städten ver-
danken ihm fast alle sehr viel, so die Sammlungen James
Simon, Oskar Huldschinsky, O. Hollitscher, B. Richter in
Berlin, Thieme in Leipzig, Ad. Thiem (jetzt im Kaiser-
Friedrich - Museum), Weber in Hamburg und Freiherr
v. Heyl in Worms. Wenn Sedelmeyer bei dem hohen
Ansehen, das seine Kennerschaft genoß, zumeist für das
Gute, was er anbot, leicht Liebhaber fand, so ist der Be-
stand an holländischen Bildern, der nunmehr in öffentlicher
Versteigerung zur Liquidation kommt, immerhin sehr be-
trächtlich und reich an ausgezeichneten Arbeiten der mitt-
leren und kleineren Meister sowie an Seltenheiten und
historisch - merkwürdigen Stücken. Gleichgültiges oder
Wertloses ist unter den 219 Nummern kaum zu finden.
Freilich ein Rest, eine Nachernte nur, aber Überbleibsel
von einer unvergleichlich ausgedehnten und großartigen
Verkauf Stätigkeit!
Von Rembrandt sind zwei echte Stücke verzeichnet,
eine Jugendarbeit, die Mutter des Meisters, ein Bild, von
dem es mehrere Repliken gibt (eine im Besitz von
Dr. Bredius in der Haager Galerie) und ein Selbstporträt
von 1633 in der Größe des Lebens, in Seitenansicht. Ist
das einwandfreie und gut erhaltene Bild wirklich ein
Selbstporträt? Frans Hals fehlt. Von den Rembrandt-
Schülern ist viel Gutes da. Boi — besonders schön das
Frauenporträt Nr. 16 — Dou, Flink, B. Fabritius und na-
mentlich N. Maes sind mit charakteristischen Werken ver-
treten.
In der langen Reihe ernster und tüchtiger Bildnisse
von mittelgroßen Meistern sind vortreffliche Schöpfungen
von Miereveld und Janssens van Ceulen zu finden. Von
dem zweiten Maler sind nicht weniger als neun gute Por-
träts verzeichnet (Nr. 98 zweifelhaft), dabei das von 1656
datierte prachtvolle Bildnis des berühmten William Harvey
(Nr. 89).
Die Gruppe der großen Genremaler weist einige
Lücken auf. Der Delftsche Vermeer war nicht zu erwarten,
aber auch Terborch fehlt, und Pieter de Hoogh ist zum
mindesten nicht glücklich repräsentiert. Von Adriaen Ostade
werden mehrere tüchtige Stücke angeboten und von Jan
Steen zwei reiche und bedeutende Kompositionen. Steens
von 1676 datierte Hochzeit zu Kana, mit ihrer Fülle gut
bewegter Figuren wird vermutlich zu den am höchsten
bezahlten Bildern gehören (Nr. 176).
Die holländische Landschaftsmalerei entfaltet sich sehr
reich. Nur Hobbema wird vermißt. Jacob Ruisdael, der
überall ist und immer wieder in Erstaunen setzt durch
die Mannigfaltigkeit seiner Motive und die Fruchtbarkeit
seiner Gestaltungskraft, ist mit sechs zum Teil bedeutenden
und großräumigen Landschaften vertreten. Den Preis
verdient, wenigstens nach der Konzeption, die grandios
und höchst dramatisch erscheint, die Gebirgslandschaft
mit schwer bewölktem Himmel aus dem Besitz des Duke
of Somerset (Nr. 164).
Von Aelbert Cuyp sind eher merkwürdige als voll-
kommene Schöpfungen zu sehen. Wouwerman, Potter,
Adriaan v. d. Velde, Willem v. d. Velde, Aart v. d. Neer
(mehrere Nachtbilder) sind mit echten und guten, wenn
auch nicht außerordentlichen Leistungen repräsentiert.
 
Annotationen