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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898

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Heft 8 (2. Januarhfet 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0280

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stellt die Vernichtung eines thüringi-
schen Walüdorfes durch den grüflichen
Anlieger rvegen Aufforsiungszwecken
dar. Eine kleine Skizze von August
Trinius soll den Stoff hergegebcn
haben, vielteicht hat auch Roscggers
dasselbe Thenra behandelnder Noman
„Jakob der Lctzte" eingewirkt, die
eigentliche Handlung hat der Versasser
aber durch eine Llombination von Heb-
bsls „Maria Magdalena" und Lud-
wigs „Erbförster" gewonnen. Der
Held, der Schulze von der Lühne,
kämpft genau so sür sein und seiner
Gemeinde Recht wie Ludwigs Förster
Ulrich, und d!e Heldin, des Schulzen
Tochter, steht zu ihrein Vater wie Heb-
bels Klara zu Meister Anton. So stark
nun aber auch die Einflüsse der bei-
den großen Dramatiker auf Quensel
sind, das, was er vor allem von ihnen
hätte lernen sollen, die künstlerische
Gewissenhaftigkeit, hat er leider nicht
gelernt; je weiter sein Stück fortschreitet,
dcsto mehr häufen sich die theatralischen
Effekte, und zuletzt langt er denn
glücklich bei Mosenthal und Richard
Voß an. Jm Einzelnen des Dramas
steckt Talent, obschon auch in der
Sprache viclfach jene Theaterschönheit
angestrsbt wirü, die der Naturalisinus
glücklich überwunden hat, wenn er da-
bci auch seinerseits hier und da wieder
zuweit gegangen ist.

Die Ausführung des gegen Obrig-
keit und Geistlichkeit ziemlich viel per-
orierenden Trauerspiels an dcm Hof-
theatsr ist ein Beweis für den frischen
Geist, der von der Leitung seit längerer
Zeit ausgcht. Gerade auf Weimar
lastct die klassische Tradition ja wohl
am schwersten in Deutschland, und seine
Hofbühne befand sich daher seit Jahren
in nicht eben beneidenswerter Lage:
einerseits sollten die alten Ucberliefe-
rungen gepflegtwerden, andrcrseitsver-
langte aber das Publikum, das natür-
lich das altweimarer nicht mchr ist,
genau das vom Theater, was jedes
beliebige großstädtische auch bictet. Da
den richtigen Mittelweg zu finden,
hielt sehr schwer, es scheint aber doch
gelungen, und zwar durch die Annahme
des Prinzips der Erweiterung des her-
gebrachten klassischenRepertoires. So er-
hielt man jüngst neueinstudiertGoethcs
„Egmont", der ja nicht zu den rcgel-
müßig wiederkehrenden Klassikerdramen
gehvrt, ganz neu Grillparzers „Des
Meeres und der Liebe Wellen", und
Grillparzers Esther-Fragment steht be-
vor. Wenn sich dann zu Grillparzer
nach und nach auch Kleist, Hebbcl und

Ludwig einfinden, wird ein neuer fester
Bühnenspielplan gewonnen sein. Daß
ein Hoftheater jede Novität bringt,
deren Erfolg von Berlin anSposannt
wird, knnn niemand verlangen; es
schadet gewiß nichts, wenn da sehr be-
düchtig gewühlt wird. Aber jedcnfalls
ist es dankbar zu begrüßen, wenn un-
sere Hofthcater Versuche mit sonst
noch nicht gegebenen Stücken machen,
wie das Weimarische mit dem von
Quensel. B.

* Zum Direktor desWiener Burg-
theaters ist nun wirklich PaulSchlen-
ther geniacht wordon, vorläufig aller-
dings nur „provisorisch", d. h. vom
t.Fcüruar bis zumSchluß dieser Spiel-
zeit.

* Daß der T o i l e t t e n lu x us
auf der Bühne auch an dem jetzt
so häufigen Uebergang der Schauspie-
lerinnen vom Thcater zuin Chantant
dieHauptschuld trage, wird im „Wiener
Journal" besprochen. Thatsächlich ist
der Kleiderluxus auf der Bühne jetzt
so weit gediehen, daß die Klcider der
wirklichen Königinncn und 5kaiserinnen
meit weniger kosten, als die Kleidcr
dcr Schauspielerinnen, wclche „hohe
Damen" darstellen l

'' Allen Verehrern höchster „Aktu-
alität" zur Ilachciferung dringendst
empfohlen sei ein Dreyfus-Drama, das
jetzt in Amsterdnm die Herzen bewegt.
Je nach den neuesten Nachrichten vom
Dreyfus-Kriegsschauplatze in Paris be-
kommt es nämlich fast allabendlich
eine andere Gestalt, indem man das
Neueste des Tages als aller- und
allerallerletzte Schlußszene hintsnan-
hüngt, während man zugleich die Cha-
raktere und Gestalten je nach dem ein-
treffenden Tagesbericht umbeleuchtet.
So hält sich die Ware wochenlang
frisch.

Musik.

* Wichtigcre Musikauffüh-
rungen. (Rückblick.)

Kammermusik. Wicner Neu-
heiten waren: Grüdeners Streich-
guartett v-woll mit einem grau in grau
gezeichnetcn ersten Satze, einem trotz
mancher Grübelei klangschönen und
innigen Adagio, cinem hübschen Scherzo
und cinem bis auf manche Lüngen an-
ziehend gcarbeiteten Rondo - Finale.
Z eml insky s Trio für Klavier, Kla-
rinette und Cello hat das Münchener
Urteil über den Komponisten dcr „Sa-
rema" üestätigt. Von dem glühendcn
Brahmsverehrer hütte man thematische
Arbcit und Kontrapunktik im Sinne

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