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II

das Verlorene wieder einbringen. Man fühlt genau, daß die voll-
ständige Negation der Revolutionszeit mit manchem verderblichen
Auswüchse auch alle frischen Lebenskräfte abgefchnitten hat, man
fühlt ferner, daß die Maschinenarbeit uns um das eigentlich künst-
lerische und geistige Element im Handwerke gebracht hat. Wenn
das Verlorene wieder eingebracht werden soll, so ist der nächste
und natürlichste Weg der, daß man sich an die alten Vorbilder
hält. Zuerst tritt dieses Bestreben in der Form reiner Nach-
bildung auf. Der Liebhaber, welcher mit unseren modernen
Dutzendarbeiten nicht zufrieden ist, greift nach den Arbeiten frü-
herer Jahrhunderte, die eine Zeitlang als altes Gerümpel bei
Seite geworfen wurden und jetzt mit immer höher steigenden
Preisen bezahlt werden. Der Handwerker sucht diesem Bedürf-
nisse entgegenzukommen, er kopirt die alten Stücke; selbst der ge-
wissenhafteste Liebhaber, welcher in seinen Möbeln wohnen will,
ist gezwungen, unseren modernen Bedürfnissen entsprechend,
manches Neue hinzubauen zu lasten, der weniger Gewissenhafte
begnügt sich mit einer vollständig nachgeahmten Einrichtung. Der
Handwerker macht für den großen Markt Arbeiten, welche den
älteren Modellen nicht geradezu nachgebildet sind, sondern nur
einzelne Motive daraus entlehnen; er benützt die Formen, welche
ihm am handlichsten sind, und bildet so allmälig eine neue Mischung
heraus, deren einzelne Produkte wir augenblicklich als stilwidrig
bezeichnen, indem sie den Originalen, von denen sie ausgegangen
sind, nicht mehr entsprechen, welche aber schließlich das enthalten,
was man als den Stil unserer Zeit bezeichnen wird. Welchen
künstlerischen Werth dieser Stil hat, das können wir, die wir
mitten in demselben stehen, am schwersten beurtheilen. Unsere
Hausfrauen, die ihn mit naiv genießendem Blicke betrachten,
halten das Neueste und Modernste für das Schönste und wer-
den sicher geneigt sein, ihn allen früheren vorzuziehen. Umgekehrt
wird der Kunstgelehrte geneigt sein, ihn allen früheren nachzusetzen.
 
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