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Schönheit, Gold und Juwelen, oder nur den ehernen Bauch
einer Höllenmaschine, die dem Neugierigen ihr krachendes Ein-
geweide so heftig und unversehens gegen den Kopf schleudert,
daß er ihn auf der Stelle verlieren muß? Lockst du mich in
die Himmel des Prophetcn, zu den fernsten Qucllen wahrer
Poesie und Weisheit, oder in das Labyrinth occidentaler Ro-
mantik, wo nur Jrrlichter hausen, ungeschlachte Kobolde dem
verniinftigen Fremdling wenn nicht den Kopf so doch die
Füße nach hinten verdrehen, seine Nase zu einem entsetzlichen
Schweif verlängern und ihn unaufhaltsam rückwärts jagen,
obgleich er kräftig vorwärts zu schreiten wähnt?"

Hier ward ich durch das schallcnde Gelächter meines
deutschen Gelehrten unterbrochen. „Ben Hamed!" sprach er,
„betrachte den Prospcktus doch nur genauer. Die Leucht-
kugeln sollcn weder zu hoch in die Himmcl aufwärts, noch
zu tief in die Hvlle abwärts fliegen, denn in beiden Fällen
würde ihr Licht dem Auge der Zuschauer zu weit entrückt,
für die allein es doch eigentlich entzündet wird. Sie follen,
wie ich's vcrstehe, Dinge der nächsten Wirklichkeit neu ergötz-
lich, und ist's nöthig stechcnd und schlageud beleuchten, damit
die schwachcn nnd schlechten Seiten dieser Dinge dem Auge
dcr Welt doch ja nicht länger cntgehen. Sie werden, ich
hosf' cs! ein satyrisches Witzfcuerwerk gegcn alle Thorheit er-
öffncn, lästige Eulen und Fledermäuse verscheuchen, falschen
Cometen die Schweife sengen, und auf die lachenden Zuschauer
selbst so buntfarbig herableuchten, daß Jeder dem Andern in
einem stcts neuen, komischen Lichte erscheint. Die Feuerwerker
find rüstigen Muthes und sie fürchten unter allen Erd- und
Himmelszeichen nur die Scheeren des Krebses. Das und
nichts Änderes, mcin' ich, besagt der Prospektus in Original
und Uebcrsetzung."

Diese nüchterne Erklärung wollte mir indeß uicht genü-
gen. Sic bestärkre mich nur in.dem schon gefaßten Argwohn,
daß!die „Leuchtkugeln" nur einen sehr cngen Gesichtskreis,
ich meine bloß. Deutschland, überfliegen und bloß Eure ein-
heimischen Thorheitcn an's Licht stellen sollcn. Da ich nun
jedcm ernsten wissenschaftlichen Strebeu, glcichviel wo es fich
regt,' Borschub leiste und vor Mißgriffen warne, so konnt'
ich auch jetzt uicht umhin, mein giohr zu schärfen, es in mei-
ncs UnwillenssGalle zu tauchen.und vorliegendes Sendschrei-
ben an Euch zu entwerfen.

' Jn EUrein Schlüssel ladct Jhr nur Eure einheimischcn
dcutschen Gelehrten, die sich mit Komik und Sathre befassen
-- oder selbst ein tüchtigcr Gegenstand für diese sein möchtcn
— ausdrücklich ein, sich an Eurcm Feuerwcrk zu betheiligen,
buntfarbige giaketen und Schwärmer, Glanz- und Schlag-
kugeln für Euch zu verfcrtigen — odcr sich zu solchen ver-
wcnden zu lassen. Der ganzen übrigen, alten und ncuen ge-
lehrten Welt gedenkt Jhr nicht mit eiuem Worte, als wenn
es nicht auck anderwärts als bei Euch Satyriker und für
diese Sachriker Dinge gäbe, die eine sehr komische belachens-

werthe Seite darbieten! Mir scheint, ihr Dentschen bildet euch
nachgerade ein, ihr allein wäret der Jnbegriff alles vorhande-
nen Lächerlichen.

-Noch von einer andern Seite muß ich Euch über die
Maßen lächerlich finden. Dcutsche haben fich von je fremder
Zustände angclegentlicher angenommen als der ihrigen, wurden
in der übrigen Welt mehr zu Hause als in ihrcr Heimath,
kurz: haben sich den Ruf erworben, die besten Kosmopolitcn
zu sein. Durch langes, wissenschaftliches Bemühcn brachten
sie es dahin, das Volk der Denker, Philosophen, Dichter und
Kritiker zu heißen. Diesen wohlerworbenen Ruhm wollt nun
Jhr aufgeben, dcn mühsam angebahnten Weg durch das ganze
Universum unvollendet lassen, in Eure Heimath unikehrcn und
Euch mit den nicdern Sorgen Eures Haushalts befassen!
Fürwahr! Eure Verblendung ist übcr alles Maß lächcrlich,
aber im Jntcreffe der Wissenschaft muß ich Euch dennoch ent-
rüstet zurufen: „Jhr thörichten Hungrigen! vertauscht dvch
nicht dcn Tiamant gegen ein Waizenkorn!"

Wehmuth ergreift mich, seh' ich Euch cinen Abweg be-
treten, dcr ein höchst unbeguemcr, dorniger sein muß. Wie
ruhig cmpfindsam wandeltet Jhr in Mondscheinnächten unter
dcn Sterncn und schrittet von Planeten zu Planeten! Euren
Fuß ritzte kein Torn, Euer Haupt war von himmlischen Ge-
danken umflossen, auf Eurer Stirne strahltcn die Hörner des
Mondes. Und jetzt! Tie Schärfe mcincs Rohres fchmilzt
nun dahin und fügt sich weicher Empfindung. Weiß ich doch,
daß Jhr früher bcsonders dem Oricnt viel Aufmerksamkeit zu-
gewendet, daß bei Euch fogar Verstorb ene über uns schrie-
ben, von dcnen besondcrs einer sehr namhaft gcworden, indem
er, uns zu Liebe, verschiedcne Male von den Todtcn erstand.
An einem nochmaligen Auferstehen wünschten freilich selbst
wir ihn zu hindcrn, da zu oftmalige Wiederholung ves schon
Tagewesenen auch einem „Verstorbenen" so sehr schadct, daß
man ihm nur Ueblcs nachredet. — Einer Eurcr bestcn neuern
Dichtcr ist in unsern afrikanischcn Wüsten hcimisch und da-
durch berühmt geworden. Als er jedoch anfing sich etwas
um seine Heimath zu bckümmern, erging es ihm darin so
schlecht, daß er ste verlassen und in der Fremde Obdach und
Brod suchen mußte. Laßt Euch das abschrecken! Kommt ent-
weder zu uns, odcr führet uns ein bei Euch, denn auch da-
mit kömit Jhr noch Glück machen. Euer „Fragmcntist"
ist durch Orientalisirung gcrmanischer Phraseologie bei Euch
in Ruf gekommen. Er verdient Anerkcnnung, die Jhr ihm
auch reichlich zollt.

Svlitet Jhr Euch wollen cntgehen lassen, was ich mit
dcm Gesagten eigenrlich will, so sei Euch noch ein Beispiel
wahrcr deutschcr Größe ganz nahe untcr die Augcn gerückt.
Jch meine Eucrn deutschen Landsmann, meinen kosmopoliti-
schen, gelehrtcn Sklaven. Auch er hatte, wie cr gcsteht, in
seiner Jugcnd eine nicht unbedcutcnde Abncigung gcgen alles
Antideutsche. Seine Liebe zur Wissenschast, und der empfaii-
 
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