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Der zweite September.

Eine Nvvelette.

Es war am 2. September des Jahres 1820. Jn Hei-
delberg, dem Eldorado aller deutschen Hochschulen, hatten die
Ferien so ebcn ihren Anfang genommen, und brachten jene
geschciftige Betriebsamkeit in die Stadt, welche eine solche
Epoche stets zu bezeichnen pflegt. Philister mit Rechnungen;
Studenten im Putz der bunten Vänder; Pcdelle mit Zeug-
nissen; sröhliche und traurige Gesichter sah man durcheinander
wogen. Dieser nahm Abschied von einem Universitätslieb-
chen; der andere untcrnahm einen letzten Ausflug in die pa-
radiesische Umgegcnd, auf das herrliche Schloß und zu jenem
berühmten großen Weinfasse, wclches so tief ist, daß einst
cin neugieriger Schneidergesell, der zum Spundloch hineinsah



und das Gleichgewicht verlor, volle drei Minuten gebrauchte,
bis er auf den Grund gelangte.

Jn einer einsamen Laube des Schloßgartens saßcn vier
junge Männcr. Vor ihnen auf dem Tische standen vicr
grüne Römergläser, und eine Anzahl Flaschen, gefüllt mit dem
edelsten Rheinweine, zeigten an, daß hier ein Fest dcr Fröh-
lichkeit gefciert werden sollte. Aber nicht die Fröhlichkeit
war es, die ihre Strahlen auf dem Antlitze der Freunde ver-
brcitete; vielinchr hatte sich eine Wolke der Schwermuth
daraus gelagert, und sagte deutlich genug, daß in der Brust
der jungen Männcr, um die ein schwarz-roth-goldenes Band
glänzte, ein Gefühl vorherrschte, welches dem Frohsinn kei-
neswegs verwandt war. Endlich brach einer von ihnen,
nachdcm cr die Gläser bis zum Rande gefüllt, das Schwei-
gen also:

Freunde! dieses Glas unserem geliebten Deutschland, un-
seren Hoffnungen und der fröhlichen Erfüllung unserer ge-
meinsamen Bestrebungen, die unseren schönen Bund Jahre
lang geheiligt haben. Wir müssen uns trennen; und deß-
halb wollen wir uns noch cinmal geloben, Brüder zu blei-
ben, und unser ganzes Leben der Ausführung jener hohen
Gedanken zu widmen, denen unser Herz unter diesem bcdeu-
tungsvoll gefärbtcn Bande so kühn geschlagen hat.

Tie vier jungen Leute erhoben sich und gelobten mir
verschlungcnen Händen stillschweigend, was der Redner ge-
sprochen, der jetzt wieder bcgann:

Auf verschiedene Weise werden wir der gutcn Sache
dicnen und in langer Zeit, vielleicht niemals wird es das
Schicksal fügen, daß wir vicr uns so zusammenfinden, wie
an diesem Tage des Abschiedes. Darum wollen wir uns
ferner gcloben, daß wir uns, wenn es möglich ist, nach 16
Jahren an diescm sclben Tage wiedcr vereinigen wollen, um

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