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Betrachtungen über den Kometen vom
Zahre SV5.

Ein alter Herr, dieser Komet, und ein wackerer -Herr
im Sinne der Anhänger der guten alten Zeit; denn er trägt
einen Zopf von 40 Graden. Dabei scheint er doch in seinen
conservativen Grundsätzen kein Ultra zu sein, denn deren
Zopf- und Ultrathumheit übersteigt nicht nur den 40sten,
sondern alle Grade; auch kommt dteser ho chgeborne Welt-
gänger erst im 289 Jahre wieder an den Ort zurück, von
wannen er ausgegangen ist, während unsere Ultras die Welt
mit einem Male und Schlage auf den Standpunkt gleich nach
der Vertreibung aus Eden zurückwälzen möchten.

Ein kleiner Rechnungsverstoß liegt freilich vor, wie das
auch bei den Berechnungen dieser Herren Ultras immer der
Fall zu sein pflegt. Wenn nämlich, wie man tn Journalen
las. der „demnächst erwartete" Komet im Jahre 975 zum
ersten Male und seitdem nur alle 289 Jahre wieder erschien,
so müßten wir ihn das zweite Mal im Jahre 1264, das
dritte Mal im Jahre 1583, das vierte Mal im Jahre —
1842 — also vor 6 Jahren schon gesehen haben.

Je nun! es rückt der Zeitgeist in constitutionellen Staa-
ten nicht einmal stets vorwärts, warum sollte da nicht so
ein absolut eigenwilliger Komet um 6 Jahre zurückbleiben?

Wenn er aber trotz allen Vorhersagungen und allen den
vielen davon gemachten Worten nun aber gar nicht käme,
wie jener „schöne Halley" im Jahre 1830 oder — wann
war es doch?

Pah! dann bleibt er aus wie manches andere Licht und
mancher andere Glanz, den man uns versprach und zusagte
und — womit es bei dcr Zusage blieb. Die Herren Astro-
nomen und überhaupt die Herren, welche viel mit Sternen
verkehren (letztere mögen nun am Himmcl oder auf Fräken
strahlen), haben mehr zu thun, als immer ihr Wort zu
halten.

Besagter Weltgänger, wir wissen noch nicht, ob er ei-
nen Kern hat, oder ob er durchlauchtig ist — der Titel
„Hoheit" wird ihm keineswegs abgesprochen werden können,
wovon unser rückwärts gebeugtes Genick uns überzeugen
wird — besitzt außer dem bezeichnenden 40° langen Zopfe
auch einen Stern. Ob mit Eichlaub oder Brillanten? kann
ich nicht sagen. Der rothe Adlerorden ist es nicht, denn der
kommt nicht alle 289 Jahre, sondern alle Tage vor.

Der St. Stephansorden ist es auch nicht, denn dieser
wird nur an stillstehende Firsterne verliehen — er müßte
nur deßhalb ertheilt worden sein, weil der astrale Weltgän-
ger um 6 Jahre zurück geblieben!

Der St. Alerander Newsky-Orden ist es ebenfalls nicht,
sonst hätte der Komet keine Nuthe, sondern eine Knute!

Der Stern der Ehrenlegion ist es nicht, weil ein lumsn
ersten Ranges wie so ein Komet heut zuTage ihn ob des-
sen Allgemcinheit nicht gernc mehr zeigt.

Der Hosenband- oder Bath-Orden noch wenigcri weil
der Komet geradewegcs darauf losgeht: das irische Elend
zu beleuchten.

Jst es der Nichan Jftichar, weil der Weltgänger vom
Oriente kömmt? — Was liegt daran? Wir sehen so viele
Sterne, hinter denen gar nichts ist und die nichts bedeuten;
der Komet wird auch nichts bedeuten —über diesenAber-
glauben sind wir hinaus!

Schade, daß so ein Komet keine Memoiren schreibt —
was hat er nicht Alles gesehen! Doch ist es auf der andern
Seite wieder gut, daß er so hoch oben ist und die Straßen-
steine ihn nicht erreichen, sonst würde eine gewisse lichtscheue
Parthci ihn zertrümmern, wie im Frühjahre 1847 zu Mün-
chen die Laternen.

Wozu wird seine Nuthe dienen? — Um die Ultramon-
tanen und Obscuranten in Bayern von ihren weichgepolster-
ten Ministerlehnstühlen, von der 8eIIs ouruli, von Kanzcln
und Kathedern zu vertreiben, kömmt er freilich zu spät —
aber es gibt noch Leute genug, welche die Ruthe verdienen.
Wollte Gott! er stäubte uns damit den eigensüchtigen Pro-
vinzialgeist vollends aus den dcutschen Landen! Auf jeden
Fall wird er sich behaglich bei uns fühlen, weil er so Viele
seines Gleichen trifft: so Viele, die von einem Ertreme zum
andern schweifen, die im und nach dem Scheine leben, den
Tag meiden und tm Dunkeln glänzen.

Werfen wir nun einen Blick auf das Wanderleben die-
ses Jrrsternes zurück.

Als er im Jahre 975 post Elu'istum nntum scine
große Tour bcgann, herrschten in Deutschland jcne großen
Ottonen und trugen die Krone der Cäsaren. Jn neuem An-
sehen stand das deutsche Königthum: Normannen, Wenden
und Hungarn scheuten aus bitterer blutiger Erfahrung das
deutsche Schwert.

Jm Jahre 1264 zitterte Europa vor den Mongolen wie
jetzt bald vor dcn Moskowiten; in Deutschland Llühte das
chevalereske Faustrecht und die edle Stegreifritterschaft, der
schöne Stern der kaiserlichen Hohenstaufen war untergegan-
gen, Richard von Cornwallis saß auf dem Throne, hatte
aber bei weitem den Einfluß nicht in Deutschland, den jetzt
der brittische Handel und die brittischen Manufacturen haben.

Die großen Herren in Deutschland machten mit der
Kaiserkrone Geldgeschäfte wie jetzt mit dem Getreide.

Das Volk verspeiste sciner Heerden und seines Bodens
Ertrag selbst und führte sie nicht außer Landes, um sich mit
Roßfleisch zu begnügen. Dabei war eines Jeden höchstcr
Stolz: ein Deutscher zu sein und man wußte noch nichts
von Gallo-, Anglo-, oder gar von Rußo-Manie wie jetzt.

Jm Jahre 1553 blutete Dcutschland unter dem größten,
für eine Nation denkbaren Unsinne und Unglücke, nämlich
unter Glaubenszwisten und der Einmischung Fremder in seine
innern Angclegenheiten. Auf dem Welttheatcr ward der
schmalkaldischc Krieg aufgcführt, das Vorspiel der heillosen
 
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