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Der Bürger: Thun Sie das, mein Lieber! ich werde
Sie mit Vergnügen an meiner Seite sehen.

Schnabel: Es ist für uns einheitsbedürstige Deutsche
gewiß eine rührende Scene, wie der russische Großfürst Thron-
folger dem Könige von Schweden einen freundlichen Besuch
abstattet, wozu auch der Jnselkönig von Dänemark erwartet
wird.

Der Unterthan: Was haben denn diese vor?

Schnabel: Weiß ich's? Wenn Sie's durchaus wissen
wollen, so sragen Sie einen deutschen Souverän, am besten
den preußischen.

Der Unterthan: Das ist mein guter König.

Schnabel: Mit dem russenfreundlichen Herzen. — Las-
sen wir diesen, und betrachten Sie hier den guten, mündig
gewordenen Michel, wie ihm von einem geschickten Hofbader
der erste Flaum abgenommen wird.

Der Bürger: Wa-
rum läßt er seinen Bart
nicht stehen als ein Zeichen
der erwachenden Mannbar-
keit?

Schnab el: Seine vie-
len Verwandten streiten
sich schon mehrcre Monate
über die Fvrm, wie der
Bart zugestutzt werden soll;
bis Michel dcs Hin- und
-Herzankens so satt ist. daß er, um allem Streite cin Ende
zu machen, sich im Geheimen total barbiren läßt. — Michels
Bart soll in der Paulskirche zu Frankfurt auf der rcchten
Seite durch die neuen Zöpfe feierlich bestattet werden. Als
Denkmal wird ein Ricsen-Zopf auf's Grab gepflanzt, geflochten

aus den hannover'schen Schnurrbärten, welche dem Dienstper-
sonale der Domänenkammer die Obcrbehörde abschneidcn ließ.

Der Unterthan: Jch bin gewiß cin ordnungslieben-
der Unterthan; allein einen solch' despotischen Eingriff in die
persönlichen Rcchte müßt' ich mir doch gehorsamst verbitten.

Schnabel: Dagegen
dürfen die Geschorenen fin-
gen, so viel ste wollen,
aus dieser Blumenlese von
Schlummer- und Wiegen-
liedern, die der dcutsche
Bund 33 Jahre lang dem

deutschen Volke vorleierte, damit es hübsch in den Windeln
bliebe, in welche die Diplomatie es im Pariser Frieden und
Wiener Congresse eingewickelt hat.

Der Unterthan: Wär' es nicht bcsser, solche patriar-
chalische Weisen zu fingen, als durch die freie Presse Unheil
wie in Mainz anzurichten?

Schnabel: Ah! Sie meinen ein paar Schmähschriften
gegen dcn König von Preußen, und die eigenthümliche Censur,
welche der Festungs-Commandant dagegen in's Leben rief.
Ja wohl, statt der Federn hatten diese intelligenten Censoren
Bajonnette und statt der rothen Tinte floß nur ein wenig

Menschenblut. Sie sehen, selbst die Censoren huldigen dem
Fortschritt.

Der Bürger: Erst die Blätter und dann die Waffen
weggenommen? Ein kurioser Fortschritt?

Schnabel: Das haben sie in Vreslau weit feiner
gemacht. Man bedauerte die städtischen Schutzmannschasten,
daß der Dienst für sie so beschwerlich wäre. Sie möchten
daher immerhin die leidigen Waffen abgeben, und die Sorge
für die Ruhe und Ordnung wie früher dem Militär über-
lassen.

Der Unterthan: Das haben die Breslauer gewiß
mit sreundlichem Dank aufgenommen?

Schnabel: Ja, gewiesen habensie die Bajonnette wohl,
aber nicht hergegeben.

Der Unterthan:

Nicht!? Nun da sieht
man's! So gut könnten
cs die Unterthanen haben
und sie wollen nicht!

Schnabel: Da sollte
man nur den königlich
preußischen Regierungsrath,

Herrn von Holläufer,
über sie schicken. Dieser gute Mann beschwört das preußische
Volk: ,,es solle beschließcn, die Stadt Berlin müsse den
Prinzen von Preußcn bei seiner Nückkehr aus London mit
allgemeinem Jubel empfangen, wo nicht, so hört die
Stadt Berlin durch den Volkswillen auf, Nesidenz zu sein,
und Brandenburg wird Residenz der Köntge vvn Preußen."

Der Unterthan: Die allerhöchste Gnade kann dem
Herrn Regierungsrath nicht entgehen.

Schnabel: Ja wohl, dieser Hölleifer hätte jeden-
falls verdient, mit dem rothcn Adlerorden viertcr Classe be-
straft zu werdcn. Es müßte wahrlich russisch schön sein, so
eincn allgemeinen Polizeijubel zu hörcn! Schade, daß Herr
vvn Hölleifer nur Eines übersehcn hat, daß uämlich Ler
 
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