Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wanner, Peter [Compiler]
Heimatbuch der Stadt Lorch: Lorch: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Kloster — Lorch, 1990

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.7424#0076
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
wird nicht fehlgehen, wenn man Augustin Seiz als den Registra-
tur und Archivar der Abtei Lorch in den vier Jahrzehnten von
1484 bis 1525 ansieht.

Natürlich wäre es kurzschlüssig, die Zunahme der Verwaltungs-
schriftlichkeit auf die Ordensreform zurückzuführen. Richtig
ist vielmehr, daß die reformgesinnten Mönche auf die gesteiger-
ten Anforderungen ihrer Umwelt reagieren mußten. Die Inten-
sität der Verwaltung nahm bei allen Herrschaftsträgern zu und
damit auch die pragmatische Schriftlichkeit, die Akten und
Amtsbücher im Dienste der Verwaltung. Die schriftliche Nie-
derlegung der Ansprüche auf Abgaben aus dem Güterbesitz in
Urbaren bzw. Lagerbüchern war in Lorch freilich schon im

14. Jahrhundert üblich. Leider sind diese Zeugnisse ausnahms-
los verloren; ein Leibeigenen- und Güterverzeichnis des Amts
Täferrot aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist das ein-
zige erhaltene ältere Urbar (HStASt H 102/45 Bd 1). Aus Ur-
kunden über den reichen Lorcher Besitz in Stuttgart ergibt sich,
daß bereits 1342 ein Salbuch angelegt worden ist (UB Stuttgart,
S.401). Ein urkundlich verbürgtes Lagerbuch von 1481 ist eben-
falls vernichtet worden (ebd., S.516 f.) - das älteste erhaltene
Urbar über die Klostergüter im Stuttgarter Raum datiert erst
von 1494 (HStASt H 102/45 Bd. 125). Doch auch für die Lor-
cher Güter außerhalb dieses Raumes ist durch Gerichtsverhand-
lungen über Streitigkeiten nachweisbar, daß es bereits im

15. Jahrhundert »Register« und »Salbücher« über den Lorcher
Besitz gegeben hat. So führte 1472 der Großkeller Jos Winkel-
hofer die Salbücher mit, als es um die Lehensverhältnisse der
Hirschmühle ging (U 279), und auch in einem Streit um Güter
auf dem Albuch wurde 1478 ein Güterbuch vorgelegt (Dangel
1965, S.91). Heute ist man für die weitaus meisten Lorcher
Güter auf Lagerbücher aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun-
derts angewiesen.

In der Zeit um 1500 begegnet man nicht nur erstmals Lorcher
»Schreibern«34, womit weltliche Bedienstete des Klosters ge-
meint sind, sondern auch neuen Amtsbezeichnungen, die den
organisatorischen Wandel anzeigen: 1483 ist ein Konrad Hagen,
Kanzler zu Lorch, Zeuge (U 884); 1495 erscheint Hans Gais-
berger von Schorndorf als »Hofmeister« des Klosters Lorch
(UAG 2218), wenig später als »Vogt« (UAG 2220).
In der Person des Augustin Seiz sind Verwaltungsschriftlichkeit

T4

und reformgesinntes monastisches Schreibertum verklammert.
Dies gilt auch für sein Hauptwerk, das so oft genannte Rote
Buch.35 Es enthält in eigentümlicher Mischung Urkunden, er-
zählende Texte und Listen. Verschiedene Aufzeichnungsmotive
sind in ihm verschränkt, von denen die vier wichtigsten benannt
werden sollen:

/. Rechtssicherung durch Urkundenüberlieferung.
Das Gros der Texte im Roten Buch sind Urkundenabschriften,
als »Kopialbuch« ist es daher im großen und ganzen nicht unzu-
treffend charakterisiert. Die eingestreuten geschichtlichen Texte
rechtfertigen es jedenfalls nicht, das Rote Buch als ganzes als
»Chronik« zu bezeichnen. Die Zusammenstellung gilt nicht
dem weltlichen Güterbesitz, sondern den Rechten und Ansprü-
chen im geistlichen Bereich, insbesondere den Patronatsrechten.
Auch der oben behandelte Abschnitt über die Zensualen des
Klosters ist vor einem religiösen Hintergrund zu sehen.
2. Der geistliche Schatz: Reliquien und Ablässe.
Über keinen Bereich der klösterlichen Spiritualität Lorchs ist
man so gut unterrichtet wie über die Reliquien des Klosters.36
Nicht nur das Kloster, auch die von ihm abhängigen Kirchen
und Kapellen erhielten üppige Reliquienausstattungen vor al-
lem anläßlich von Kirchweihen (z. B. die Täferroter Kirche: un-
ten S. 84). Das Rote Buch enthält eine stattliche Reihe von äu-
ßerst ausführlichen Reliquienverzeichnissen, Kirchweihnotizen
und Ablaßurkunden. Auch das von Seiz 1484 angelegte Schatz-

34 1502 Meister Martin Aichholtz und Peter Weller, U 409; 1515 Michael
Grieninger von Stuttgart, Müller, Nr. 579a. Hummel 1981, S. 137
macht auf Peter von Heubach, »scriba«, im Kai., S. 147 aufmerksam.

35 Eine genauere Rekonstruktion seines Inhalts wird von mir geplant,
desgleichen Studien zu den Lorcher Texten im Spannungsfeld von
Historiographie und Verwaltungsschrifttum. Hilfreich bei der Re-
konstruktion war insbesondere das Rep., in dem die meisten Texte mit
Seitenangaben verzeichnet sind. Für Unterstützung danke ich herzlich
Frau Dr. Knichel, Speyer.

36 Vgl. zuletzt Spranger 1987 in: Zeugen ihrer Zeit 1987 S. 56 f. mit Litera-
tur. Aus den Reliqienzusammenstellungen des Roten Buchs schöpfte
Hoffmann 1910. Zur Spiritualität sei noch auf das allegorische Gemäl-
de mit Todesthematik aufmerksam gemacht, das Crusius (1733, II,
S. 377) beschreibt.
 
Annotationen