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Wanner, Peter [Red.]
Heimatbuch der Stadt Lorch: Lorch: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Kloster — Lorch, 1990

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https://doi.org/10.11588/diglit.7424#0077
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Verzeichnis (Edition: Schön 1898), das Inventar der kirchlichen
Geräte, belegt den verschwenderisch anmutenden Reichtum an
Reliquien.

Die Reliquien wiederum konnten zu frommen Geschichten
Anlaß geben wie etwa zu dem Bericht über Nikolaus Veners
Wunderexperiment an der Lorcher Kreuzesreliquie. Als Schrei-
ber liturgischer und erbaulicher Texte ist Augustin Seiz auch
sonst zu belegen. In der Universitätsbibliothek Freiburg befin-
det sich eine für den Gebrauch eines Hirsauer Mönchs angelegte
Handschrift, in der eine Niederschrift von Augustin Seiz für ei-
nen Hirsauer Novizen Augustinus überliefert ist.37 Für das
Gmünder Dominikanerkloster schrieb Augustin Seiz ein Missa-
le auf Papier, das am Ende des 18. Jahrhunderts für die Gmünder
Klosterbibliothek bezeugt ist (vgl. LBS Cod.hist.qu. 237, S. 130
Anm.:;').

3. Liturgische Erinnerung (»Memoria«).

Gleich an zwei Stellen finden sich Aufzeichnungen über Jahr-
tage im Roten Buch (Edition: Kai.), einmal im eigentlichen Jahr-
tagsverzeichnis von Augustin Seiz, zum anderen am Schluß des
Bandes im Lorcher Kalendar, das nach Hoffmann von einer äl-
teren Hand angelegt wurde. Auch die Urkundenabschriften des
Bandes über Jahrtag- und Meßstiftungen gehören in diesen Zu-
sammenhang. Die alte Prägekraft der »Memoria« scheint noch
nicht erloschen - betrachtet man etwa die predigtartige Vorrede
zur »Erneuerung« der Lorcher Landkapitelsbruderschaft, so
könnte man wohl von einer »Memoria-Renaissance« sprechen
(Mehring 1911, S. 199 f.). Die Problematik bedürfte allerdings ei-
ner vergleichenden Untersuchung.

4. Geschichtsschreibung.

Der Blick des Paters Augustin Seiz richtet sich zugleich auf die
Gegenwart, auf den Beginn der Reform, als auch auf den Beginn
des klösterlichen Lebens und auf die Stifter. Die Gründungs-
erzählung wurde bereits oben besprochen, auf die Nachrichten
des Roten Buchs über die Staufergräber wird im nächsten
Abschnitt einzugehen sein.

In einem gewissen Sinn ist das ganze Rote Buch als geistliches
»Hauptbuch« und »Hausbuch« des Klosters der Versuch, die
Gegenwart geschichtlich zu fundieren, einen Schatz an Tradi-
tionswissen durch Niederschrift zu sichern. Es ist vielleicht kein

Zufall, daß dieses Unternehmen eine Generation nach der Re-
form des Klosters einsetzt - vielleicht um den ermüdenden Re-
formeifer durch »Erinnerung« wieder anzuspornen.

Jakob Spindler und das Lorcher Stiftergedenken

Die Klosterreform des Spätmittelalters förderte auch eine Rück-
besinnung der klösterlichen Gemeinschaften auf ihre eigene
Geschichte (Schreiner 1988) und dadurch auch auf die Ge-
schichte ihrer Stifter. Wolfgang Seiffer, 1981 allzu früh verstor-
ben, hat in seiner Tübinger Dissertation über den Gmünder
Stadtpfarrer Jakob Spindler und die Anfänge der Lorcher Stau-
ferforschung im 16. Jahrhundert den Weg für das folgende ge-
bahnt.38

Die Lorcher Staufertradition erwuchs aus der liturgischen Er-
innerung, aus der »Memoria« an das Stiftergeschlecht, die
Herzöge von Schwaben aus staufischem Haus. Jedes Jahr am
2. September versammelte sich die Klostergemeinschaft zum
Stiftergedenken (»Anniversarium fundatorum nostrum«: Kai.,
S. 146), zum Gedenken an Herzog Friedrich von Schwaben, des
ersten Gründers des Lorcher Klosters (»friderici ducis sweuie
primi fundatoris«: ebd.). »Am Vorabend wurde das Innere der
Kirche mit Teppichen behängt, vier Lichter im Chor und eben-
soviele um das Monument des Stifters angezündet. Nachts um
2 Uhr läutete die Glocke zur Todten-Vesper, worauf die Mön-
che sich zum Gebet und Gesang im Chor versammelten. Nach
einer Rede des Abtes oder, wenn dieser abwesend war, des
Priors, stiegen Alle zu dem Monument in der Mitte der Kirche
herab, stimmten dort noch einige Chorgesänge an, während der
Custos die Wolken der Räucherpfanne emporsteigen ließ und

37 Winfried Hagenmaier: Die lateinischen mittelalterlichen Handschrif-
ten der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau (Hs. 1 - 230).
Wiesbaden 1974, S. 125 - 128 über Hs. 154 (freundlicher Hinweis von
Herrn Kollegen Dr. Molitor, Heidelberg). Einen ähnlichen Text ent-
hält auch das sog. »Quartheft« HStASt H 14 Bd. 175a.

38 Seiffer 1969. Die von mir (Graf 1984b, S. 104 Anm. 5) gegebenen Nach-
weise und Literaturangaben zur Lorcher Staufertradition werden im
folgenden nicht wiederholt.

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