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Wanner, Peter [Red.]
Heimatbuch der Stadt Lorch: Lorch: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Kloster — Lorch, 1990

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https://doi.org/10.11588/diglit.7424#0079
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Friedrich II. als Stifter der zwei monastischen Niederlassun-
gen. Eine falsche Jahreszahl, 1108, vermerken auch Trithemius
(oben S.46) und der Haller Chronist Widmann (Kolb 1904,
S. 192). Die Beziehung Lorchs zu den Schwabenherzögen mag
auch dafür verantwortlich sein, daß in der Gründungs-
geschichte des Klosters Buchau, einer humanistischen Fiktion
(»Kesselburg-Sage«), ein Fürst Marsilius von Schwaben in
Lorch getauft wird - eine Erzählung, die über das Geschichts-
werk des Crusius nach Lorch gelangte und für die Benennung
des Turms der Klosterkirche als »Marsiliusturm« verantwort-
lichist.43

Noch heute erinnert im Schiff der Lorcher Klosterkirche das
1475 von einem Göppinger Meister geschaffene Hochgrab an
die staufischen Klostergründer. Die gereimte Inschrift gibt
ausdrücklich 1102 als Stiftungsjahr an. Der hier mit seinen
Nachkommen ruhende Herzog Friedrich von Schwaben und
seine Kinder seien die Stifter. Unter Abt Nikolaus wurden 1475
die Staufergräber im Schiff geöffnet und im Hochgrab gebor-
gen. Damals wurden auch die Gräber der Gründer im Chor ge-
öffnet (Seiffer 1969, S. 126 f.). Neben dem Hochgrab sind auch
die Wandgemälde mit Stauferbildnissen zu nennen, die bei der
1531 beendeten "Wiederherstellung des Klosters geschaffen wur-
den.44 Nicht nur in Texten, sondern auch im jährlich wieder-
holten Ritus, dem Stauferjahrtag, und in Denkmalen waren so-
mit die Staufer in Lorch ständig gegenwärtig.
Über die in Lorch begrabenen Staufer informierte eine »Stifter-
tafel«, eine in der Nähe des Hochgrabs angebrachte Inschrift in
Versen, die in einer lateinischen und in einer deutschen Fassung
überliefen ist (Edition: Seiffer 1969, S. 132 f., 135 - 138). Diese
Stiftertafel wurde bereits vor der Klosterreform verfaßt, da die
älteste Uberlieferung eine 1462 datierte Handschrift der Zen-
tralbibliothek Zürich (Ms. A 113, S. 164) darstellt. Was haben die
Lorch er Verse in einer Züricher Chronik zu suchen? Ausschlag-
gebend war ihr staufergeschichtlicher Quellenwert. Auch in ei-
ner chronikalischen Sammelhandschrift aus Kempten finden
sich die Verse vor (Stadtbibliothek Lindau P11, f. 128ra- 128vb;
Graf 1987 S.220). Das Gedicht lieferte willkommene Angaben
über die Grabstätten einer ganzen Reihe von Stauferherrschern
und ihrer Familienangehörigen.

Bemerkenswert ist, daß die Ordensreform die Verbreitung
dieser Texte förderte. Oft brachten Mönche von ihren Reform-

missionen auch Handschriften oder Abschriften aus Hand-
schriften der besuchten Klöster mit (Schmidt 1985). Einen Kno-
tenpunkt dieser Interessen bildete die Abtei St. Ulrich und Afra
in Augsburg. Die in der dortigen Klosterdruckerei um 1473
gedruckte Bearbeitung der Chronik Burchards von Ursberg
(Schmidt 1985, S.59), die »Historia Friderici«, beginnt mit Lor-
cher Texten: mit einer staufergeschichtlichen Einleitung, der la-
teinischen Stiftertafel und einem Lorcher Reliquienverzeichnis.
1472/82 schrieb der Augsburger Schreiber Konrad Bollstatter,
der gute Beziehungen zu St. Ulrich und Afra besaß, eine Sam-
melhandschrift (Schneider 1984, S. 189; Graf 1987 S.201), heute
als Cgm 735 in der Bayerischen Staatsbibliothek. Auch sein In-
teresse an den von ihm aufgenommenen Lorcher Texten war
staufer- bzw. reichsgeschichtlich motiviert. 1489 kopierte der
Augsburger Mönch Wilhelm Wittwer eine Afra-Legende aus ei-
ner Lorcher Handschrift. Schließlich ist noch der Mönch des
Augsburger Klosters, Leonhard Wagner, zu nennen, der be-
rühmte Schreibmeister, der auch an den Lorcher Chorbüchern

Diss. masch. Wien 1983, S. 398. Zu diesem Text und seinem Kontext,
dem schwäbischen Regionalismus vgl. Klaus Graf: Aspekte zum Regio-
nalismus in Schwaben und am Oberrhein im Spätmittelalter. In: Histo-
riographie 1988, S. 165 - 192. Die Stiftung von Lorch und Adelberg
durch die Herzöge von Schwaben kennt auch die 1514 abgeschlossene
»Chronik der Stadt Freiburg im Breisgau« des Johann Sattler (Nach-
druck Freiburg 1979), S. 9.

42 De regno et regibus Suevorum, Herzog August Bibliothek Wolfen-
büttel Cod. Guelf. 1732 Aug. 4°, f. 238.

43 Die Geschichte ist zuerst bei Bruschius (Erstdruck 1551) belegt; auch
der Stuttgarter Chronist Küng kennt sie bereits um 1550 und hebt
Lorch heraus (Ingrid Karin Sommer: Die Chronik des Stuttgarter
Ratsherrn Sebastian Küng. Stuttgart 1971, S. 60); vgl. Crusius 1733, I,
S. 262; Brack, LBS Cod.hist.fol. 614, f. 1.

44 Vgl. ausführlich Graf 1984b, S. 200 - 202. Zu den Wolleber-Illustra-
tionen kommen noch die in dem Autograph einer Stauferchronik von
1581 hinzu: Forschungsbibl. Gotha Chart. A 196 (zu Lorch S. 69 - 83).
Klaus Schreiner scheint die Bilder noch ins 15. Jahrhundert zu datie-
ren. Er meint, die Ausstattung der Klosterkirche mit Stifterbildnissen
sei erfolgt, »um auf diese Weise die Autonomie des Klosters gegenüber
Württemberg öffentlich zum Ausdruck zu bringen« (Diskussionsbei-
trag; 251. Protokoll der Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche
Landeskunde am Oberrhein, masch. vervielf., 1986, S. 6).

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