Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wanner, Peter [Compiler]
Heimatbuch der Stadt Lorch: Lorch: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Kloster — Lorch, 1990

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.7424#0153
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Hauptachse brachte eine architektonische Hoheits- und Wür-
deformel zum Ausdruck. Auch darin, daß das Viereck des
Kreuzganges unbehindert durchgehalten werden konnte, im
Gegensatz zu Cluny II und auch Hirsau, wo der Kreuzgang im
Nordosteck dem südlichen Querhaus der Kirche ausweichen
mußte. Die Anerkennung der neuen Anordnung blieb deshalb
nicht aus, weil die Konventgebäude in gebührendem Abstand
den Chor der Kirche, in höherem Sinn den Hochaltar, auch die
Stätte der Reliquienverehrung umstellen. Diesem Ort sind die
Mönche beim Weg durch den Kreuzgang, der den Chorschluß
tangiert, handgreiflich nahe (zuweilen erlaubte ein Chorfenster
eine Sichtverbindung). Solches erinnert an den Stollen der Ring-
Krypta von Alt-St. Peter in Rom, durch den die Pilgerscharen
um das Grab des Apostelfürsten ziehen konnten. (Vergleich-
bares wird von Fulda berichtet.) Daß schließlich in Lorch der
spätgotische Chorausbau über den Kreuzgang hinweggeführt
wurde, - innenräumlich gesehen gewiß keine Prachtlösung -
belegt die Wertschätzung des gerade hier vorbeigeführten
Kreuzganges. Das Vorbild der Komburg sprach dafür. Dort war
von Anfang an der Kreuzgang unter dem Mönchschor durchge-
leitet.48

Verbindungen Lorchs zur nahen Komburg überraschen nicht.
Von dem 1078 gegründeten Kloster soll der erste Lorcher Abt
gekommen sein.49 Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen
den Staufern und Grafen von Komburg werden die Kontakte
gefördert haben.50 Hier und dort erstellte man extra muros die
dem hl. Ägidius geweihten Prozessionskirchen. Was auf den er-
sten Blick die beiden Klöster an Kocher und Rems verbindet, ist
die Anlage des axialen Kreuzganges und dessen Verbindung mit
dem Altarhaus. Dazuhin Ubereinstimmungen bei den Kon-
ventbauten. Wir sehen in beiden Klöstern Kapitelsaal und Dor-
mitorium nahe dem Chor und Chorzugang. Zwar ist dies bene-
diktinischer Brauch, doch die Übereinstimmung reicht weiter.
Beide Kapitelsäle liegen der Evangelienseite des Mönchschores
gegenüber, seiner Länge angepaßt, fast quadratisch bei normaler
Höhe, mit je einem Altar ausgestattet. Und zwischen Kapitel-
saal und nachfolgendem Raum schiebt sich ein Vorraum in der
Breite des Kreuzganges, so als eine Fortsetzung des Chorkreuz-
ganges ausgelegt. Von dort führte eine Treppe hoch zum Dormi-
torium. (In Lorch dient dieser Raum heute im vorderen Teil als
Sakristei, im hinteren als Totenkammer.) Auf der Komburg folgt

dem Vorraum das auditorium fratrum, der Tagesarbeitsraum
mit seiner beschränkten Sprecherlaubnis. In Lorch wird es nicht
anders gewesen sein. Hier und dort hatte das Refektorium sei-
nen Standort im mittleren Trakt des Gevierts, gegenüber dem
Chor. Erst der Brand von 1525 zwang, das Lorcher Refektorium
mit anschließender Küche im ehemaligen Arbeitsraum einzu-
richten.

Fassen wir zusammen: Lorch bietet eine Variante des benedikti-
nischen Klosterschemas mit direkten Einflüssen von der Kom-
burg. Die Klosterkirche vergegenwärtigt den damals gebräuch-
lichen Typus einer Basilika mit Ostquerhaus, Chorquadrum
und Apsis. Nicht üblich war sein Westquerhaus mit Flanken-
türmen, wohl angeregt von der Klosterkirche Limburg a. d.
Hardt. Einzelnes ist der Kenntnis der Hirsauer Klosterkirche
St. Aurelius und St. Peter und Paul zu danken, manches auch
landschaftlichen Baugewohnheiten und der heimischen Sprache
der Architektur, so die Kargheit der Formensprache, die geringe

48 Daß Annexe der Kirche vom Kreuzgang unterfahren werden - eine
Verzahnung sehr unterschiedlicher Bauten hinsichtlich Bestimmung
und Gestalt -, war sicher eine herausfordernde Problematik und Auf-
gabe. Man sieht eine solche Lösung auch in Blaubeuren. Dort wurde
in der Spätgotik der Kreuzgang unter dem Querhaus durchgeführt.
Eine ähnliche Bauaufgabe stellte sich damals bei Stadtkirchen, wo
Chorerweiterungen für festgelegte Straßenzüge untertunnelt werden
mußten. So z. B. an der Kirche St. Jakob in Rothenburg o. d. T., deren
Chorunterführung »eine städtebauliche Situation von ungemeinem
Reiz« genannt wurde. (Die Kunstdenkmäler in Mittelfranken VIII.
Stadt Rothenburg o.d.T. Bearb. v. Anton Ress. Würzburg 1959, 130).

49 In der Liste der Äbte und Konventualen des Klosters Komburg ist
dieser, Harpen genannt, jedoch nicht erwähnt (vgl. Jooß 1987, 113 ff.).
Die Meinung von Klaus Graf zu diesem Problem (1990, 57): »Daß er
(Harbert) zuvor Mönch in Komburg war, wie das Lorcher Kalendar
zum 5. März, seinem Gedenktag, zu berichten weiß, erscheint mir
glaubhaft«.

50 Adelheid, Tochter des Friedrich von Büren, war in zweiter Ehe (ab
1070/75) verheiratet mit Rugger III. von Bielrieth aus dem Geschlecht
der Grafen von Komburg und Rothenburg. Ludwig von Westheim
(aus der VII. Staufergeneration) ehelichte um 1081/82 Mieregard,
Miterbin der Grafen von Komburg. Und König Konrad III. (* 1093,
f Bamberg 15. Februar 1152), der 1114/15 Gertrud von Komburg ehe-
lichte, ist seit 1116 auch Graf von Komburg und Rothenburg, auch
Vogt des Klosters Komburg (nach Decker-Hauff 1977, 346 ff.).

151
 
Annotationen