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Wanner, Peter [Red.]
Heimatbuch der Stadt Lorch: Lorch: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Kloster — Lorch, 1990

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https://doi.org/10.11588/diglit.7424#0183
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Irene-Ring. Zeichnung nach dem Original von Max Bach.

Irene-Ring

Um 1830 wurde an der Chor-Südseite, dort, wo bis vor 1808 die
Sakristei stand, gegraben. Unter den Trümmern eines Stein-
sarges kam ein schmaler Ring zutage, ein zierliches Gebilde mit
Zellenemail in Goldfassung. Seine Einzelmotive fügen sich ohne
Überleitung zum Rund des Ringes. In der Mitte in schwarzem
Email das goldene Christus-Monogramm IHS. In rotem, blau-
em, grünem und weißem Email ausgelegt folgen einerseits
Kreuz, Leiter, Hammer mit Zange und Würfel, anderseits Maria
mit dem Kind und gebündelte Ruten: eine Darstellung der arma
Christi, der Leidenswerkzeuge. Bildwürdig eingeschätzt hat sie
das Spätmittelalter, nachdem vor allem Papst Innozenz VI. die
in der Bibel, den Apokryphen und Legenden genannten Gegen-
stände (wozu noch Dornenkrone, Lanze, Schwamm mit Stab,
Brett mit 30 Silberlingen, Geißelsäule, Schweißtuch und Kreuz-
titulus zählen) zum Inhalt des Festes de armis Christi machte.

Damit »galten sie als Reliquien Christi, als Waffen (arma) Chri-
sti, als Gegenstände der Passionsmeditation, als Amulett«. In
verschiedener Form und Art wurden sie zur Anschauung ge-
bracht, dem Gebrauch angepaßt, auch - wie hier zu sehen - in
Gestalt eines Ringes.

Dieser ikonographische Hinweis scheint nicht überflüssig, zu-
mal Volkswunsch und Volksglaube alsbald diesen Ring vermut-
lich eines Abtes des 15. Jahrhunderts zum Irene-Ring machten.
Kopien, bis heute gefertigt, gehören zu den liebgewonnenen
und begehrten Preziosen Lorcher und Gmünder Frauen und
Mädchen.

Der originale Ring wurde 1837 dem württembergischen Kö-
nigshaus dediziert. In den Wirren des Jahres 1945 ging er ver-
loren.

Überlieferungen zur mittelalterlichen Ausstattung
der Kirche

Was wir heute vor Augen haben - lassen wir uns nicht täuschen!
- ist eine ausgeräumte Kirche, eine des Schmuckes beraubte
Raumschale.75 Verloren ist das Bild des mittelalterlichen Gottes-
hauses mit den täglichen Offizien, die geistliche Heimat eines
Mönchskonventes, das Domizil einer »unzähligen Menge«
(Crusius I 556) hochverehrter Reliqien, der Ort andächtiger Be-
sucher. Die nun nüchterne, wenngleich eindrucksvolle Archi-
tekturhülle wird als Ausdruck cluniazensischer Bescheidung
verstanden, ist aber so bar aller Farben und Zutaten nie gewesen.
Der Kult forderte Gegenstände und Einrichtungen, die, je län-
ger je mehr, auch dieser Kirche zum Gehäuse verehrter Inhalte
und Kostbarkeiten, zum Erlebnis von Farbe und Form gewor-
den ist.

Die unerläßlichen, bestimmenden Ausstattungsstücke waren
die Altäre. Ihre Anzahl im romanischen Bau ist nicht bekannt,

74 Vgl. Lexikon der christl. Ikonographie. Hrsg. v. Engelbert Kirsch-
baum. Freiburg 1968,1 183 f.

75 Vgl. z. B. die Chroniknachrichten über Bau und prachtvolle Aus-
stattung der ersten Petershauser Klosterbasilika, nachzulesen bei
Knoepfli 1961,243.

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