Das Kloster war auch Ort und Schauplatz der Sedanfeiern. Am
20. September 1890 feierte man die 20jährige Wiederkehr »die-
ses Ehrentages des deutschen Volkes«. Ein stattlicher Festzug
bewegte sich unter Glockenklang vom Schulhaus durch die
reichbeflaggte Stadt hinauf auf das Kloster. Der Chronist be-
richtet vom Gottesdienst in der Klosterkirche (Predigttext
Psalm 126, 3: Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir
fröhlich), »vom fröhlichen Leben und Treiben unter den beiden
Kaiserlinden. Unter der einen erscholl das Hoch auf unseren
König, unter der anderen das Hoch auf das deutsche Vaterland«.
Selbst die Enthüllung der Irene-Gedenktafel am 16. Dezember
1898, zuvörderst das Ergebnis einer spätromantischen Wallung,
war im 2. Kaiserreich verständlicherweise an diesem Ort nicht
frei von nationalen Untertönen. Die Initiatoren waren politisch
nicht indifferent. Ein 1865 in Lorch gegründeter »Alldonners-
tags-Kranz«, zu dessen Mitgliedern der Stifter des Irenen-
Denkmals zählte, nannte sich auch »Preussenkranz«.
Nicht gleich zu werten sind zwei andere Ereignisse. Am 400.
Geburtstag des Reformators wurde am 10. November 1883
beim Klosterbrunnen die Luthereiche gepflanzt und am 23.
September 1894 fand zum Gedenken des 300jährigen Geburts-
jubiläums des Schwedenkönigs Gustav Adolf eine musikalisch-
liturgische Feier in der Klosterkirche statt. Aber man weiß, daß
diese beiden Namen hierzulande nicht nur religiöse Empfin-
dungen auslösten.
Das Kloster im 20. Jahrhundert
1932 wird das im Kloster untergebrachte Finanzamt aufgelöst:
»Das Kloster soll verkauft werden«. Am 6. April 1932 über-
siedelt die bis dahin in Serach bei Esslingen untergebrachte
Evangelische Bauernschule in die freigewordenen Räume des
Klosters. 1934 ist sie unter dem Diktat jener Zeit zur National-
sozialistischen Bauernschule umfirmiert worden.
1937: Im Stuttgarter NS-Kurier, dem Sprachrohr der Partei,
wird in der Ausgabe vom 13./14. November 1937 vorgeschlagen,
die Klosterkirche zu einer Staufergedenkstätte zu machen. Eini-
ge Tage später inszeniert die SS unter Beteiligung hoher Gäste in
der Kirche eine »Feierstunde« mystisch-theatralischen Zu-
schnitts.104 Unter Trommelwirbel ziehen die Chargen ein, HJ
-Fackelträger stehen Spalier. Im Chorschluß hängt die schwarze
Fahne der SS. Oberführer von Alvensleben hält eine krampfige
Rede voll dampfendem Pathos.105 Peinlich aber, daß das Altar-
kruzifix, von einer Hakenkreuzflagge verhängt, mentekelhaft
durch das rote Tuch schimmert.
1938 (- 1945) macht Prof. Dr. Paul Klopfer106 vier Zellen des
Dormitoriums zu einer »Staufer-Gedenkstätte«, in der auch
Objekte zur Geschichte des Klosters gezeigt werden.
1939 zerschlägt bei einem Sturm eine stürzende Linde das alte
Westtor.
1947 übernimmt das Hilfswerk der Evangelischen Landeskirche
die Abtei und den Ostteil der Prälatur zur Einrichtung eines
Altenheimes mit etwa 100 - 120 Insassen. Das führt zu inner-
baulichen Veränderungen dieser Gebäude, auch zu einer gottes-
dienstlichen Ausstattung der Kirche mit Gestühl, Kanzel und
Orgelpositiv.
104 Das Schauspiel war nichts anderes als das nachäffende Pendant zu
Himmlers seltsamer Zeremonie am 2. Mai 1937 im Dom zu Quedling-
burg, bei dem des tausendsten Todestages Kaiser Heinrichs I. gedacht
wurde, »des Vorkämpfers der deutschen Expansion nach Osten« (vgl.
Heinrich Fraenkel/Roger Manvell: Himmler. Frankfurt - Berlin
1965,61).
105 Aus dieser Rede seien einige Sätze wiederholt, die der NS-Kurier am
19. November 1937 zitierte: »Wer aber heute die weihevolle Grablege
betritt, wird ergriffen und bewegt von der dramatischen und
schmerzvollen Erfülltheit deutscher Jahrhunderte, vom wehenden
Willensodem unserer großen Kaiser und Könige und er vernimmt den
Ruf der welthistorischen Mission des Volkes europäischer Mitte als
den Herzschlag, der auch sein eigenes Blut kreisen läßt, seinen eige-
nen Willen spornt zur Mitarbeit an den Aufgaben der Nation (...).
Wir wissen, daß Deutsches in der Welt sein muß und im Süden und
Osten (auch in der Zeitung sperrgedruckt) wie ehemals eine Mission
hat«.
Ein entlarvendes Zeitdokument, in Sprache und Inhalt!
106 Prof. Dr. ing. Paul Klopfer (1876 - 1967) hielt sich im »Dritten Reich«
in Lorch mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. 1933 war er aus poli-
tischen Gründen aus dem Amt entlassen worden. Hervorragende
Stellen hatte er bis dahin innegehabt: 1910 - 1920 Direktor der groß-
herzoglichen, nachmaligen staatlichen Bauschule in Weimar, 1919 -
1922 Mitarbeit am Bauhaus (dessen Gründer Walter Gropius seitdem
eine lebenslange Freundschaft mit Klopfer verband), 1922 - 1933
Direktor der Staatlichen Bauschule Holzminden (nach freundl. Mitt.
von Dr. Christian Wolsdorff, Bauhaus-Archiv Berlin).
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20. September 1890 feierte man die 20jährige Wiederkehr »die-
ses Ehrentages des deutschen Volkes«. Ein stattlicher Festzug
bewegte sich unter Glockenklang vom Schulhaus durch die
reichbeflaggte Stadt hinauf auf das Kloster. Der Chronist be-
richtet vom Gottesdienst in der Klosterkirche (Predigttext
Psalm 126, 3: Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir
fröhlich), »vom fröhlichen Leben und Treiben unter den beiden
Kaiserlinden. Unter der einen erscholl das Hoch auf unseren
König, unter der anderen das Hoch auf das deutsche Vaterland«.
Selbst die Enthüllung der Irene-Gedenktafel am 16. Dezember
1898, zuvörderst das Ergebnis einer spätromantischen Wallung,
war im 2. Kaiserreich verständlicherweise an diesem Ort nicht
frei von nationalen Untertönen. Die Initiatoren waren politisch
nicht indifferent. Ein 1865 in Lorch gegründeter »Alldonners-
tags-Kranz«, zu dessen Mitgliedern der Stifter des Irenen-
Denkmals zählte, nannte sich auch »Preussenkranz«.
Nicht gleich zu werten sind zwei andere Ereignisse. Am 400.
Geburtstag des Reformators wurde am 10. November 1883
beim Klosterbrunnen die Luthereiche gepflanzt und am 23.
September 1894 fand zum Gedenken des 300jährigen Geburts-
jubiläums des Schwedenkönigs Gustav Adolf eine musikalisch-
liturgische Feier in der Klosterkirche statt. Aber man weiß, daß
diese beiden Namen hierzulande nicht nur religiöse Empfin-
dungen auslösten.
Das Kloster im 20. Jahrhundert
1932 wird das im Kloster untergebrachte Finanzamt aufgelöst:
»Das Kloster soll verkauft werden«. Am 6. April 1932 über-
siedelt die bis dahin in Serach bei Esslingen untergebrachte
Evangelische Bauernschule in die freigewordenen Räume des
Klosters. 1934 ist sie unter dem Diktat jener Zeit zur National-
sozialistischen Bauernschule umfirmiert worden.
1937: Im Stuttgarter NS-Kurier, dem Sprachrohr der Partei,
wird in der Ausgabe vom 13./14. November 1937 vorgeschlagen,
die Klosterkirche zu einer Staufergedenkstätte zu machen. Eini-
ge Tage später inszeniert die SS unter Beteiligung hoher Gäste in
der Kirche eine »Feierstunde« mystisch-theatralischen Zu-
schnitts.104 Unter Trommelwirbel ziehen die Chargen ein, HJ
-Fackelträger stehen Spalier. Im Chorschluß hängt die schwarze
Fahne der SS. Oberführer von Alvensleben hält eine krampfige
Rede voll dampfendem Pathos.105 Peinlich aber, daß das Altar-
kruzifix, von einer Hakenkreuzflagge verhängt, mentekelhaft
durch das rote Tuch schimmert.
1938 (- 1945) macht Prof. Dr. Paul Klopfer106 vier Zellen des
Dormitoriums zu einer »Staufer-Gedenkstätte«, in der auch
Objekte zur Geschichte des Klosters gezeigt werden.
1939 zerschlägt bei einem Sturm eine stürzende Linde das alte
Westtor.
1947 übernimmt das Hilfswerk der Evangelischen Landeskirche
die Abtei und den Ostteil der Prälatur zur Einrichtung eines
Altenheimes mit etwa 100 - 120 Insassen. Das führt zu inner-
baulichen Veränderungen dieser Gebäude, auch zu einer gottes-
dienstlichen Ausstattung der Kirche mit Gestühl, Kanzel und
Orgelpositiv.
104 Das Schauspiel war nichts anderes als das nachäffende Pendant zu
Himmlers seltsamer Zeremonie am 2. Mai 1937 im Dom zu Quedling-
burg, bei dem des tausendsten Todestages Kaiser Heinrichs I. gedacht
wurde, »des Vorkämpfers der deutschen Expansion nach Osten« (vgl.
Heinrich Fraenkel/Roger Manvell: Himmler. Frankfurt - Berlin
1965,61).
105 Aus dieser Rede seien einige Sätze wiederholt, die der NS-Kurier am
19. November 1937 zitierte: »Wer aber heute die weihevolle Grablege
betritt, wird ergriffen und bewegt von der dramatischen und
schmerzvollen Erfülltheit deutscher Jahrhunderte, vom wehenden
Willensodem unserer großen Kaiser und Könige und er vernimmt den
Ruf der welthistorischen Mission des Volkes europäischer Mitte als
den Herzschlag, der auch sein eigenes Blut kreisen läßt, seinen eige-
nen Willen spornt zur Mitarbeit an den Aufgaben der Nation (...).
Wir wissen, daß Deutsches in der Welt sein muß und im Süden und
Osten (auch in der Zeitung sperrgedruckt) wie ehemals eine Mission
hat«.
Ein entlarvendes Zeitdokument, in Sprache und Inhalt!
106 Prof. Dr. ing. Paul Klopfer (1876 - 1967) hielt sich im »Dritten Reich«
in Lorch mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. 1933 war er aus poli-
tischen Gründen aus dem Amt entlassen worden. Hervorragende
Stellen hatte er bis dahin innegehabt: 1910 - 1920 Direktor der groß-
herzoglichen, nachmaligen staatlichen Bauschule in Weimar, 1919 -
1922 Mitarbeit am Bauhaus (dessen Gründer Walter Gropius seitdem
eine lebenslange Freundschaft mit Klopfer verband), 1922 - 1933
Direktor der Staatlichen Bauschule Holzminden (nach freundl. Mitt.
von Dr. Christian Wolsdorff, Bauhaus-Archiv Berlin).
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