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Wanner, Peter [Red.]
Heimatbuch der Stadt Lorch: Lorch: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Kloster — Lorch, 1990

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https://doi.org/10.11588/diglit.7424#0239
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Die erste Reformation des Klosters

Im Bauernkrieg hatte sich der Schwäbische Bund, ein Zusam-
menschluß süddeutscher Fürsten, Herren und Städte, als ein-
zige Macht bewiesen, die imstande war, eine so ausgebreitete
Aufstandsbewegung zu unterdrücken. Der Schwäbische Bund
hatte auch 1519 Herzog Ulrich von Württemberg aus seinem
Land verjagt, als er es gewagt hatte, die Reichsstadt Reutlingen
einzunehmen. In seinem Exil, das er anfänglich zumeist in sei-
ner Grafschaft Mömpelgard in Burgund, aber auch in den Städ-
ten der Schweiz zubrachte, kam der Herzog erstmals mit der
Reformation in Berührung.1

Nachdem der Versuch fehlgeschlagen war, sein Land, das der
Kaiser seinem Bruder Ferdinand verliehen hatte, mit Hilfe der
aufständischen Bauern einzunehmen, wandte sich Herzog Ul-
rich nach Hessen zu seinem Vetter, dem Landgrafen Philipp.
Dieser war der politische Kopf unter den evangelischen Fürsten
und schuf in den folgenden Jahren die Voraussetzungen dafür,
daß er im Frühjahr 1534 unter günstigen politischen Konstella-
tionen den Herzog wieder nach Württemberg zurückführen
konnte. Die mit Waffengewalt erfolgte Wiedereinnähme des
Landes wurde schließlich auch von König Ferdinand durch
einen im böhmischen Kaaden abgeschlossenen Vertrag an-
erkannt.

Herzog Ulrich war, wie jedermann wußte, mit dem ausdrück-
lichen Willen zurückgekehrt, sein Land zu reformieren. Die
Äbte der Klöster hatten daher Grund zu allerhand Befürchtun-
gen, doch war ihre Lage nicht ganz hoffnungslos, zumal die
Rechtsverhältnisse in manchen Fällen keineswegs eindeutig wa-
ren.19 Im Falle von Lorch hatten die Grafen und nachmaligen
Herzöge von Württemberg seit 1322 die Schutzvogtei inne, seit
Ende des 15. Jahrhunderts waren die Abte von Lorch auch
württembergische Landstände, d. h. sie besuchten die Landtage
und entrichteten die dort beschlossenen Steuern. Doch übte der
Herzog über die Klosteruntertanen keine unmittelbare Herr-
schaft aus; im Dorfe Lorch besaß das Kloster immerhin die

hohe Gerichtsbarkeit,20 die als ein wichtiges Souveränitätsrecht
galt. So kam es zunächst darauf an, den nun nach 15jährigem
Exil wieder ins Land gekommenen Herzog freundlich zu stim-
men. Gleich anderen Prälaten hat Abt Lorenz - vielleicht sogar
persönlich - den Herzog begrüßt und dabei um die Bestätigung
der althergebrachten Rechte des Klosters gebeten.
Herzog Ulrich hatte freilich anderes im Sinn. Auf den 30. Mai
berief er einen Landtag nach Stuttgart ein, an dem Abt Lorenz
vermutlich auch teilgenommen hat und auf dem deutlich wurde,
daß der Herzog zunächst einmal viel Geld benötigte, vor allem
um die Kosten des Feldzugs zu begleichen. Dementsprechend
forderte er von den Prälaten die Zahlung der rückständigen
Steuern aus österreichischer Zeit und die Ablieferung der Hälfte
ihres Einkommens vom laufenden Jahr. Sicher ist man von
Lorch aus dieser Forderung baldmöglichst nachgekommen. Al-
lerdings sollte es damit noch nicht sein Bewenden haben. Im
November 1534 erteilte der Herzog den Befehl, den gesamten
Klosterbesitz zu inventarisieren, was wohl noch in jenem
Monat erfolgte. Diese Inventur, bei der es darum ging, einen

18 Brecht-Ehmer(wie Anm. 1), S. 195 ff.

Einen nach wie vor brauchbaren Uberblick über die württembergische
Klosterreformation bietet Konrad Rothenhäusler: Die Abteien und
Stifte des Herzogthums Württemberg im Zeitalter der Reformation.
Stuttgart 1886; zu Lorch S. 107 - 116. Maßgebend für dieses Thema ist
jetzt Werner-Ulrich Deetjen: Studien zur Württembergischen Kir-
chenordnung Herzog Ulrichs 1534 - 1550. Stuttgart 1981 (= Quellen
und Forschungen zur württembergischen Kirchengeschichte 7). Zum
folgenden vgl., wo nichts anderes angemerkt, Werner-Ulrich Deetjen:
Die Reformation der Benediktinerklöster Lorch und Murrhardt unter
Herzog Ulrich und das »Judicium de votis monasticis« vom Dezember
1535. In: BWKG 76/1976, S. 62- 115.

20 Privileg Kaiser Maximilians [., Augsburg 5. Juni 1500. Druck: [Chri-
stoph Besold]: Documenta rediviva, monasteriorum praecipuorum in
ducatu Wirtenbergico sitorum. Tübingen 1636, S. 770 - 772.

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