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Häßler, Hans-Jürgen; Rösing, Friedrich Wilhelm
Zur inneren Gliederung und Verbreitung der Vorrömischen Eisenzeit im südlichen Niederelbegebiet (Teil 1): Mit e. Beitr. von F. W. Rösing über Die Leichenbrände der eisenzeitlichen Gräberfelder von Bargstedt I, Harsefeld und Issendorf III (Kreis Stade) — Hildesheim: Verlag August Lax, 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.65516#0128
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diesem Gebiet der Nachweis einer Besiedlung auch zu dieser Zeit vorhanden ist. Eine offene Frage
ist die nach dem relativ abrupt durchgeführten Wechsel in den Bestattungssitten, denn ein solcher
wird wohl in erster Linie für das Fehlen dieser im östlichen Bereich gängigen Metallformen verant-
wortlich zu machen sein.
Diesem Problem weiter nachzugehen würde eine Auseinandersetzung mit den chaukischen Kul-
turäußerungen notwendig machen, was aber nicht Gegenstand dieser Arbeit sein kann. Als
gesichert festzuhalten ist durch die Aufarbeitung des Gräberfeldes Bargstedt I, daß entgegen der
Ansicht von R. HACHMANN (1961, 156) die Westgrenze dieser erst im Spätlatene deutlich
erkennbar werdenden Gruppe im Elbe- und Wesermündungsgebiet nicht „hart westlich des Urnen-
friedhofs von Harsefeld, Kr. Stade, verläuft“, sondern über die Lühe hinweg reicht und etwa mit
dem Verlauf der Schwinge zusammenfällt (W. WEGEWITZ, 1972, 24, Abb. 1).
Für das Gebiet der Nordostniedersachsen-Gruppe eröffnen sich sowohl tiefgreifende räumliche
als auch strukturelle Veränderungen. Auf das Fehlen der spätlatenezeitlichen Gräber im Bereich
der Kreise Bremervörde, Rotenburg und Osterholz wurde bereits hingewiesen. Auffällig ist nun,
daß auch die recht intensiven Kontakte während der älteren und mittleren vorrömischen Eisenzeit
zum Kreis Verden und zum Nienburger Raum vollständig zum Erliegen kommen. Auch hierfür
dürften wohl stammesmäßige Veränderungen verantwortlich sein.
Eines der wesentlichen Merkmale im Bereich dieser Gruppe, die sich durch den Ausfall der
eben genannten Gebiete jetzt im wesentlichen auf das Gebiet des Bardengaues und des
Hannoverschen Wendlandes beschränkt, ist der deutliche Fundhiatus für die ältere Spätlatenezeit.
Die wenigen Funde aus diesem Gebiet, welche auch nur fraglich der Stufe Hornbek Ib zugeordnet
werden können, widersprechen der Deutung nicht, daß es offensichtlich in diesem Horizont zu tief-
greifenden Störungen gekommen ist. Auffällig genug, scheint dieser Hiatus mit einem Abbruch der
Belegungskontinuität auf den Friedhöfen einherzugehen. Der von O. HARCK (1972, 81 f.)
geführte Versuch eines Kontinuitätsnachweises an den Friedhöfen von Putensen, Rebenstorf und
Quarstedt ist für uns nicht beweiskräftig genug, um hierauseine Besiedlungskontinuität ableiten zu
wollen. Auffällig ist auch das Einsetzen der großen Nekropolen in der fortgeschrittenen Spätlatene-
zeit, genauer im Horizont der Fibeln mit geknicktem Bügel oder mit rechteckigem Fuß. Die
geschilderte Situation ist problematisch für die Interpretation. Neben der Erklärung als massive
ethnische Überdeckung — die Einwanderung der von G. SCHWANTES (1921) angenommenen
Langobarden — steht noch die Möglichkeit einer plötzlichen Änderung der Bestattungssitte.
Offensichtlich tritt die Sitte der weitgehend getrennten Bestattung von Frauen und Männern auf
separaten Friedhöfen in diesem Bereich erst in der fortgeschrittenen Spätlatenezeit in Erscheinung,
während sie in der Stader-Geest-Gruppe, besonders nachweisbar in deren östlichem Bereich,
höchtswahrscheinlich bereits in der mittleren vorrömischen Eisenzeit einsetzt. Diese Erklärung der
dargelegten Befunde in der Nordostniedersachsen-Gruppe könnte zwar den Abbruch der Bele-
gungskontinuität der Friedhöfe verständlich machen; sie verliert aber an Glaubwürdigkeit durch
das Fehlen von Funden der Stufe Hornbek Ib, die im Stader Bereich so ausgeprägt im Fundbild
erscheint. Solange diese Lücke nicht durch Neufunde geschlossen werden kann, ist nach Meinung
des Verfassers eine Einwanderung von Stammesverbänden — wie sie G. Schwantes sah — nicht zu
widerlegen. Die hier durchgeführten, diese Thematik betreffenden Untersuchungen bestätigen
somit nachdrücklich die Beobachtung G. Schwantes’. Verständlich ist bei einer derartigen
Landnahme, daß örtlich Belegungskontinuität auftreten kann. Dies scheint auf dem schon mehr-
fach zitierten Gräberfeld von Glienitz, Kr. Lüchow-Dannenberg, der Fall zu sein. Über die ange-
nommene Richtung der Einwanderer kann der Meinung G. SCHWANTES’ (1952, 75 f.) weiterhin
gefolgt werden. Er sah sie, wie später auch W. Wegewitz, aus nördlichen Bereichen der Elbe
kommend, schloß darüber hinaus eine Einwanderung aus dem Stader Raum aber nicht aus.
Mit dem Einsetzen der großen Friedhöfe der Spätlatenezeit in Nordostniedersachsen sind die
durch Jahrhunderte verfolgbaren Unterschiede zwischen der Stader-Geest-Gruppe und der Nord-

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