Michael Schultz, Jan Noväcek, Jeannine Mißbach-Güntner, Julia Gresky
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düng repräsentiert, „Moora“ schon seit ihrer frühen
Kindheit begleitet hat. Es handelt sich - zumindest
zum Zeitpunkt ihres Todes - um einen unbedeu-
tenden Befund. Allerdings kann nicht ausgeschlos-
sen werden, dass bei fortschreitendem Wachstum
„Moora“ in späteren Jahren unter dieser Neubildung
hätte leiden müssen, da eine Vergrößerung dieser
Neubildung aufgrund ihrer Lage zu einer Verdrän-
gung von Hirnstrukturen und damit verbunden zu
einem Druck auf das Atemzentrum und somit zum
Tode hätte führen können (Gresky et al. 2015; s.a.
Fuhrmann & Rother 2008).
Der Zahnstatus ist-soweit er sich befunden
ließ - als vergleichsweise gut zu bezeichnen: Ledig-
lich Spuren einer geringgradig ausgebildeten Paro-
dontitis wurden beobachtet (Gresky et al. 2015). Da
sich die Zahnkronen aufgrund des sauren Liegemi-
lieus nicht erhalten haben, können keine Schmelz-
mangellinien im Sinne der linearen transversalen
Schmelzhypoplasien beurteilt werden, die in der
Regel Auskunft über Stressphasen in den ersten
Kindheitsjahren geben. Wie die Röntgenuntersu-
chung zeigt (Noväcek et al. 2015), liegt der Verdacht
nahe, dass „Moora“ allerdings schon in der Kindheit
Stressphasen ausgesetzt war, die offenbar auf Mange-
lernährung und/oder länger andauernde Infektions-
krankheiten zurückzuführen sind. Sowohl an beiden
Schienbeinen als auch an den Darmbeinen wurden
HARRis-Linien nachgewiesen, die überwundene
Stressphasen für das 12.-15. Lebensjahr belegen
(Noväcek et al. 2015).
Schon im Alter von etwa 13-14 Jahren dürfte
„Moora“ physisch schwer belastet gewesen sein,
wie der Zustand ihrer Wirbelsäule vermuten lässt.
Eine vielleicht durch körperliche Arbeit verursachte
Fehlhaltung bzw. Überlastung wird sich in der Seit-
wärtsverbiegung (Skoliose) der Lendenwirbelsäule,
vor allem aber in der Ausbildung des Rundrückens
(Hyperkyphosierung) morphologisch manifes-
tiert haben. Allerdings könnte die Ausbildung des
Rundrückens auch auf einer ScHEUERMANNschen
Krankheit (Adolescentenkyphose) beruhen, die
als eine genetisch bzw. konstitutionell bedingte
Wachstumsstörung der jugendlichen Wirbelsäule
angesehen wird, und bei männlichen Jugendlichen
vier- bis fünfmal häufiger auftritt als bei Mädchen.
Das Fehlen der für diese Krankheit charakteristi-
schen Bandscheibenvorfälle in die Wirbelkörper
(ScHMORLsche Knorpelknötchen), die Bevorzu-
gung des männlichen Geschlechts sowie die weite-
ren Merkmale einer körperlichen Überlastung
legen es nahe, dass das junge Mädchen nicht an
einer ScHEUERMANNschen Krankheit litt (Noväcek
et al. 2015).
Diese Merkmale einer vielseitigen physischen
Stresssituation dürften sich bei „Moora“ spätestens
ein bis zwei Jahre vor ihrem Tode ausgebildet haben.
So finden sich Spuren einer heftigen, zum Zeitpunkt
des Todes bereits ausgeheilten Bandzerrung im linken
Kreuzbein-Darmbeingelenk. Als Ursache kommt ein
Trauma in Form eines Unfalls (z.B. schwerer Sturz)
oder auch ein Fall von Misshandlung in Betracht.
Der Zustand der Bandmarken spricht dafür, dass das
Geschehen höchstens ein bis zwei Jahre, wenn nicht
mehrere Monate vor dem Tod des Mädchens einwirkte.
Zu diesem Zeitpunkt dürfte „Moora“ etwa 15-18 Jahre
gewesen sein. Etwa zeitgleich kam es wohl zu einer
erheblichen Zerrung des linksseitigen dreiköpfigen
Oberarmstreckers (M. triceps brachii) sowie der Rotato-
renmanschette des linken Schultergelenks. Hier weisen
die Ursprungsflächen des effektivsten Innenrotators
des Schultergelenks (M. subscapularis), aber auch der
beiden effektivsten Außenrotatoren (M. mfraspinatus,
M. supraspinatus) charakteristische Merkmale einer
mit Blutungen einhergegangenen Knochenhautreizung
auf (Noväcek et al. 2015).
Etwa zu demselben Zeitpunkt und möglicher-
weise im Zusammenhang mit den zuvor beschrie-
benen Spuren einer erheblichen Zerrung im linken
Beckenbereich und des linken Armes, ist das junge
Mädchen - damals also etwa 15-18 Jahre alt - einer
weiteren massiven Gewalteinwirkung ausgesetzt
gewesen, die zu den beiden Impressionsfrakturen
im Bereich des Stirnbeins geführt hat (Gresky et
al. 2015). Form und Anordnung der beiden etwa
gleichgroßen Defekte (13 x 15 mm bzw. 12 x 12 mm)
sprechen für Hiebmarken. Ein Sturz als Ursache
dieser Läsionen erscheint aus diesen Gründen
unwahrscheinlich. Offenbar wurde „Moora“ mit
einem stumpfen, rundlich-ovalen Gegenstand mit
nicht allzu großer Gewalt von vorne, unmittelbar
zweimal hintereinander auf den vorderen Schä-
deldachbereich geschlagen. Da beide Marken dicht
nebeneinander liegen (weniger als 1 cm voneinan-
der entfernt), ist anzunehmen, dass das Mädchen
im Augenblick der Schlageinwirkung schon hand-
lungsunfähig, also zum Beispiel ohnmächtig war.
Die vergleichsweise geringgradige Eindringtiefe des
Schlages deutet eventuell an, dass keine direkten
Tötungsabsichten vorlagen. Zum Todeszeitpunkt
waren beide Schädeldachdefekte bereits über viele
Monate oder eventuell auch über eine Zeitspanne
von ein bis zwei Jahren gut ausgeheilt (Gresky et al.
2015; Missbach-Güntner et al. 2015).
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düng repräsentiert, „Moora“ schon seit ihrer frühen
Kindheit begleitet hat. Es handelt sich - zumindest
zum Zeitpunkt ihres Todes - um einen unbedeu-
tenden Befund. Allerdings kann nicht ausgeschlos-
sen werden, dass bei fortschreitendem Wachstum
„Moora“ in späteren Jahren unter dieser Neubildung
hätte leiden müssen, da eine Vergrößerung dieser
Neubildung aufgrund ihrer Lage zu einer Verdrän-
gung von Hirnstrukturen und damit verbunden zu
einem Druck auf das Atemzentrum und somit zum
Tode hätte führen können (Gresky et al. 2015; s.a.
Fuhrmann & Rother 2008).
Der Zahnstatus ist-soweit er sich befunden
ließ - als vergleichsweise gut zu bezeichnen: Ledig-
lich Spuren einer geringgradig ausgebildeten Paro-
dontitis wurden beobachtet (Gresky et al. 2015). Da
sich die Zahnkronen aufgrund des sauren Liegemi-
lieus nicht erhalten haben, können keine Schmelz-
mangellinien im Sinne der linearen transversalen
Schmelzhypoplasien beurteilt werden, die in der
Regel Auskunft über Stressphasen in den ersten
Kindheitsjahren geben. Wie die Röntgenuntersu-
chung zeigt (Noväcek et al. 2015), liegt der Verdacht
nahe, dass „Moora“ allerdings schon in der Kindheit
Stressphasen ausgesetzt war, die offenbar auf Mange-
lernährung und/oder länger andauernde Infektions-
krankheiten zurückzuführen sind. Sowohl an beiden
Schienbeinen als auch an den Darmbeinen wurden
HARRis-Linien nachgewiesen, die überwundene
Stressphasen für das 12.-15. Lebensjahr belegen
(Noväcek et al. 2015).
Schon im Alter von etwa 13-14 Jahren dürfte
„Moora“ physisch schwer belastet gewesen sein,
wie der Zustand ihrer Wirbelsäule vermuten lässt.
Eine vielleicht durch körperliche Arbeit verursachte
Fehlhaltung bzw. Überlastung wird sich in der Seit-
wärtsverbiegung (Skoliose) der Lendenwirbelsäule,
vor allem aber in der Ausbildung des Rundrückens
(Hyperkyphosierung) morphologisch manifes-
tiert haben. Allerdings könnte die Ausbildung des
Rundrückens auch auf einer ScHEUERMANNschen
Krankheit (Adolescentenkyphose) beruhen, die
als eine genetisch bzw. konstitutionell bedingte
Wachstumsstörung der jugendlichen Wirbelsäule
angesehen wird, und bei männlichen Jugendlichen
vier- bis fünfmal häufiger auftritt als bei Mädchen.
Das Fehlen der für diese Krankheit charakteristi-
schen Bandscheibenvorfälle in die Wirbelkörper
(ScHMORLsche Knorpelknötchen), die Bevorzu-
gung des männlichen Geschlechts sowie die weite-
ren Merkmale einer körperlichen Überlastung
legen es nahe, dass das junge Mädchen nicht an
einer ScHEUERMANNschen Krankheit litt (Noväcek
et al. 2015).
Diese Merkmale einer vielseitigen physischen
Stresssituation dürften sich bei „Moora“ spätestens
ein bis zwei Jahre vor ihrem Tode ausgebildet haben.
So finden sich Spuren einer heftigen, zum Zeitpunkt
des Todes bereits ausgeheilten Bandzerrung im linken
Kreuzbein-Darmbeingelenk. Als Ursache kommt ein
Trauma in Form eines Unfalls (z.B. schwerer Sturz)
oder auch ein Fall von Misshandlung in Betracht.
Der Zustand der Bandmarken spricht dafür, dass das
Geschehen höchstens ein bis zwei Jahre, wenn nicht
mehrere Monate vor dem Tod des Mädchens einwirkte.
Zu diesem Zeitpunkt dürfte „Moora“ etwa 15-18 Jahre
gewesen sein. Etwa zeitgleich kam es wohl zu einer
erheblichen Zerrung des linksseitigen dreiköpfigen
Oberarmstreckers (M. triceps brachii) sowie der Rotato-
renmanschette des linken Schultergelenks. Hier weisen
die Ursprungsflächen des effektivsten Innenrotators
des Schultergelenks (M. subscapularis), aber auch der
beiden effektivsten Außenrotatoren (M. mfraspinatus,
M. supraspinatus) charakteristische Merkmale einer
mit Blutungen einhergegangenen Knochenhautreizung
auf (Noväcek et al. 2015).
Etwa zu demselben Zeitpunkt und möglicher-
weise im Zusammenhang mit den zuvor beschrie-
benen Spuren einer erheblichen Zerrung im linken
Beckenbereich und des linken Armes, ist das junge
Mädchen - damals also etwa 15-18 Jahre alt - einer
weiteren massiven Gewalteinwirkung ausgesetzt
gewesen, die zu den beiden Impressionsfrakturen
im Bereich des Stirnbeins geführt hat (Gresky et
al. 2015). Form und Anordnung der beiden etwa
gleichgroßen Defekte (13 x 15 mm bzw. 12 x 12 mm)
sprechen für Hiebmarken. Ein Sturz als Ursache
dieser Läsionen erscheint aus diesen Gründen
unwahrscheinlich. Offenbar wurde „Moora“ mit
einem stumpfen, rundlich-ovalen Gegenstand mit
nicht allzu großer Gewalt von vorne, unmittelbar
zweimal hintereinander auf den vorderen Schä-
deldachbereich geschlagen. Da beide Marken dicht
nebeneinander liegen (weniger als 1 cm voneinan-
der entfernt), ist anzunehmen, dass das Mädchen
im Augenblick der Schlageinwirkung schon hand-
lungsunfähig, also zum Beispiel ohnmächtig war.
Die vergleichsweise geringgradige Eindringtiefe des
Schlages deutet eventuell an, dass keine direkten
Tötungsabsichten vorlagen. Zum Todeszeitpunkt
waren beide Schädeldachdefekte bereits über viele
Monate oder eventuell auch über eine Zeitspanne
von ein bis zwei Jahren gut ausgeheilt (Gresky et al.
2015; Missbach-Güntner et al. 2015).