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Die jungbronzezeitliche Bevölkerungsstichprobe von Rullstorf

zungen des Ausgräbers (W Gebers /Hannover; mdl.
Mitteilung 26. Nov. 2012) sind bei der Sandgewinnung
etwa 20% des Gräberfeldes vernichtet worden. Die
Vorlage der archäologischen Aspekte erfolgt durch
W Gebers.
Die für Vergleichszwecke herangezogenen Stich-
proben sind nicht unbedingt auf eine enge Zeitspanne
zu datieren. Wie üblich bei archäologischen Funden
liegt ein teilweise beträchtlicher Zeitrahmen vor. Zur
Vermeidung von Missverständnissen sei angemerkt,
dass bei diachronen Betrachtungen für alle in ein
Jahrhundert entfallenden Gräberfelder das arithme-
tische Mittel der jeweiligen Messgröße gebildet wird.
Das bedeutet, dass zum Beispiel die Werte einer
zwischen 850 und 760 v. Chr. datierten Stichprobe -
ohne weitere Aufteilung und Gewichtung - sowohl in
der Gruppe des neunten wie auch in jener des achten
Jahrhunderts berücksichtigt werden.
2 Material
2.1 Individualbefunde
Neben zahlreichen Streufunden wurden insgesamt
102 Leichenbrandpositionen zur Untersuchung vor-
gelegt, von denen sich drei Fundnummern bei ande-
ren Komplexen zuordnen ließen1. Einige Einheiten
weisen ein derart erstaunlich niedriges Gewicht auf,
dass Zweifel an ihrem Grabcharakter aufkamen.
Bei den Komplexen 88 und 204 fanden sich bei der
Ausgrabung nur spärliche Brandknochenmengen
zwischen den Steinen des Schutzes.2 Der Komplex
299 stammt aus dem Pfostenloch eines Langhauses
aus der vorrömischen Eisenzeit. Ob hier der geringe
Überrest eines bronzezeitlichen Grabes gefasst wurde,
erscheint äußerst fraglich. Rund 30 Meter vom Grä-
berfeld entfernt fand sich nicht nur das Kindergrab
201, sondern auch der nicht zugehörige Komplex 457,
der nicht als Bestattungsrest verstanden wird. Der
Komplex 1813 kann mutmaßlich dem stark zerstörten
Grab 1810 zugeordnet werden. Im Umfeld der völlig

1 Zum Beispiel gelangten geringe, außerhalb der Urne gefun-
dene Leichenbrandmengen bereits zur naturwissenschaftlichen
Untersuchung. Sie konnten nach der späteren Entnahme des
ossuären Fundgutes des Leichenbrandbehältnisses der eigentlichen
Bestattung zugefügt werden.

2 Die aufgeführten archäologischen Bezüge wurden nach
Abschluss der Datenaufnahme dankenswerterweise von A. Schunke
(in lett. 18. September 2015) mitgeteilt.

zerstörten Urnen 1806A und 1806B wurden zahlreiche
ossuäre Streufunde (Fundnummer -/199) geborgen,
die diesen beiden Bestattungen zuzurechnen sind.
Die Analyse dieser Streufunde spräche mit einiger
Zurückhaltung am ehesten für die Bestattung einer
jungen Frau. Dieser Befund ist aber nicht mit den
Komplexen 1806A und 1806B in Einklang zu bringen.
Ob unter der Fundnummer -/199 der Überrest einer
weiteren, völlig zerstörten Bestattung fassbar wird,
erscheint aber dermaßen fraglich, dass dieser Befund
im Folgenden - wie auch die anderen hier angeführten
Komplexe - keine Berücksichtigung findet. Nach diesen
Eliminierungen verbleiben insgesamt 93 Bestattungen
mit - wie noch zu zeigen sein wird - 94 Individuen,
auf die sich die folgenden Ausführungen beziehen.
Auf eine detaillierte katalogartige Beschreibung
der einzelnen Leichenbrände wird wegen fehlender
archäologischer Relevanz verzichtet. Stattdessen be-
schränken wir uns auf eine tabellarische Wiedergabe
der Untersuchungsergebnisse (Tab. 1). Der Erhaltungs-
zustand und die anatomische Zusammensetzung (vgl.
Kap. 4) der einzelnen Brandknochenkomplexe zeigen
keine Auffälligkeiten.
2.2 Vergleichsserien
Zur kulturhistorischen Einordnung der Rullstorfer
Befunde können 210 jüngerbronze-/früheisenzeitliche
Vergleichsserien (1300-500 v. Chr.) aus Europa der
Literatur entnommen werden (Ausnahme Nord-
horn-Brandlecht, Abb. 1 Nr. 55). Ein Blick auf die
Verteilung der Stichproben in der (geographisch)
norddeutschen Tiefebene spiegelt nicht nur anschau-
lich den derzeitigen Forschungsstand wieder, sondern
fordert gleichsam zur Gruppenbildung auf (Abb. 1).
Die Fundleere an den Küsten von Nord- und Ostsee
(Ausnahme Stichprobe Ladebow, Abb. 1 Nr. 22) sowie
im Gebiet zwischen unterer Ems und Weser als auch
in der Lüneburger Heide und elbaufwärts bis in den
Raum Magdeburg ist auffällig. Hier für die genann-
ten Zeitabschnitte bevölkerungsleere Regionen zu
folgern, entspräche nicht den durch eine Vielzahl
von archäologischen Befunden belegten damaligen
Gegebenheiten.
Bei der Suche nach (weiträumig) benachbarten
Bevölkerungen zu den Funden aus Rullstorf (Abb. 1
Nr. 1) finden aus dem Raum zwischen den östlichen
Niederlanden und der Oder 44 Serien Berücksich-
tigung, die ihrerseits in fünf Regionalgruppen auf-
geteilt werden: Fünf Stichproben stammen aus dem
 
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