Die jungbronzezeitliche Bevölkerungsstichprobe von Rullstorf
165
Eine kleine Gemeinschaft.
Die jungbronzezeitliche Bevölkerungsstichprobe
von Rullstorf, Samtgemeinde Scharnebeck,
Landkreis Lüneburg
Peter Caselitz
1 Einleitung
Im Bereich einer Kronsberg genannten Sandkuppe bei
Rullstorf, Samtgemeinde Scharnebeck, im Landkreis
Lüneburg wurden seit dem Frühjahr 1979 umfang-
reiche Grabungen des Instituts für Denkmalpflege,
Hannover, unter der Leitung von W Gebers durchge-
führt. Neben einer von der ausgehenden Bronzezeit
bis zur Völkerwanderungszeit genutzten Siedlung
wurden Bestattungsplätze der späten Bronzezeit, der
Eisenzeit und der spätsächsischen Zeit angetroffen.
Die Vorlage des letztgenannten Teilkomplexes kann als
abgeschlossen betrachtet werden (vgl. Hornig 1993
und Caselitz 1996). Die folgenden Ausführungen
beziehen sich auf das bronzezeitliche Gräberfeld,
dessen Belegungszeitraum relativchronologisch in die
Bronzezeit-Perioden Ende III bis Anfang V fällt - ent-
sprechend absolutchronologisch etwa dem Zeitraum
1150 bis 950 v. Chr. entspricht. Der Schwerpunkt der
Nutzung dürfte in der Periode IV (1100-900 v. Chr.)
gelegen haben.
Die ersten Brandknocheneinheiten gelangten
bereits im Jahre 1983 zur Untersuchung, die 1984
zunächst abgeschlossen wurde. Erst Ende der 1990er
Jahre wurde die wissenschaftliche Aufarbeitung des
Fundgutes dieses Bestattungsplatzes wieder aufgenom-
men und weiteres ossuäres Material zur Begutachtung
vorgelegt, die abermals mit Mitteln des Landes Nieder-
sachsen gefördert wurde. Vom forschungsgeschichtlichen
Ansatz her war es durchaus interessant, die Arbeiten
nach dem Hiatus wieder aufzunehmen, - zeigte sich
doch die Fortentwicklung weniger in Bestimmungs-
methodik als im erkenntnistheoretischen Ansatz. Es
wird im Folgenden aber keine traditionell-anthropo-
logische Bearbeitung angestrebt, bei der es nur um
die grundlegenden Bestimmungen des Sterbealters
und der Geschlechtsausprägung geht. Vielmehr soll
gemäß osteoarchäologischem Verständnis die Re-
konstruktion einer Bevölkerung und vor allem die
Diskussion der Befunde im Rahmen zeit- und/oder
raumgleicher Vergleichsserien versucht werden. Nur
auf diese Weise erscheinen Aussagen zur historischen
Stellung der untersuchten Stichprobe erreichbar zu
sein. Dem soll nach der tabellarischen Darlegung der
Individualdiagnosen unsere Aufmerksamkeit gewidmet
sein. Auf eine individuelle Detailbeschreibung wird
wegen fehlender Relevanz eines derartigen Unter-
fangens bewusst verzichtet. Das Ziel der Bearbeitung
soll eine möglichst umfassende Rekonstruktion der
untersuchten Bevölkerung im Rahmen der methodisch
vertretbaren Möglichkeiten sein.
Die verwendeten Diagnoseverfahren folgen weit-
gehend den von Rösing (1977) vorgeschlagenen.
Geringfügige methodisch bedingte Modifikationen sind
an anderer Stelle dargelegt (Caselitz 1981, 61-63,
ausführlicher zur Methodendiskussion vgl. Caselitz
2004, 154-155). Die naturwissenschaftliche Begut-
achtung wurde ohne Kenntnis der Beigaben- und
Befundsituation durchgeführt (sog. blinde Bestim-
mung). Die Nummerierung folgt den Inventarbezeich-
nungen der archäologischen Bearbeitung. Sämtliche
Brandknochenkomplexe wurden nach wissenschaft-
licher Bearbeitung an das Institut für Denkmalpflege,
Hannover, zurückgegeben. Für die Auswertung wird
zunächst davon ausgegangen, dass es sich bei jeder
Leichenbrandeinheit um einen Grabverband handelt
und die Zusammensetzung des stichprobenhaften
Fundgutes nicht wesentlich von derjenigen der Ge-
samtmenge abweicht. Im Rahmen der Auswertung
konnten einige kleinere Leichenbrandfunde einem
Grabverband zugeordnet werden. Das Gräberfeld
ist fast vollständig archäologisch erfasst; nach Schät-
165
Eine kleine Gemeinschaft.
Die jungbronzezeitliche Bevölkerungsstichprobe
von Rullstorf, Samtgemeinde Scharnebeck,
Landkreis Lüneburg
Peter Caselitz
1 Einleitung
Im Bereich einer Kronsberg genannten Sandkuppe bei
Rullstorf, Samtgemeinde Scharnebeck, im Landkreis
Lüneburg wurden seit dem Frühjahr 1979 umfang-
reiche Grabungen des Instituts für Denkmalpflege,
Hannover, unter der Leitung von W Gebers durchge-
führt. Neben einer von der ausgehenden Bronzezeit
bis zur Völkerwanderungszeit genutzten Siedlung
wurden Bestattungsplätze der späten Bronzezeit, der
Eisenzeit und der spätsächsischen Zeit angetroffen.
Die Vorlage des letztgenannten Teilkomplexes kann als
abgeschlossen betrachtet werden (vgl. Hornig 1993
und Caselitz 1996). Die folgenden Ausführungen
beziehen sich auf das bronzezeitliche Gräberfeld,
dessen Belegungszeitraum relativchronologisch in die
Bronzezeit-Perioden Ende III bis Anfang V fällt - ent-
sprechend absolutchronologisch etwa dem Zeitraum
1150 bis 950 v. Chr. entspricht. Der Schwerpunkt der
Nutzung dürfte in der Periode IV (1100-900 v. Chr.)
gelegen haben.
Die ersten Brandknocheneinheiten gelangten
bereits im Jahre 1983 zur Untersuchung, die 1984
zunächst abgeschlossen wurde. Erst Ende der 1990er
Jahre wurde die wissenschaftliche Aufarbeitung des
Fundgutes dieses Bestattungsplatzes wieder aufgenom-
men und weiteres ossuäres Material zur Begutachtung
vorgelegt, die abermals mit Mitteln des Landes Nieder-
sachsen gefördert wurde. Vom forschungsgeschichtlichen
Ansatz her war es durchaus interessant, die Arbeiten
nach dem Hiatus wieder aufzunehmen, - zeigte sich
doch die Fortentwicklung weniger in Bestimmungs-
methodik als im erkenntnistheoretischen Ansatz. Es
wird im Folgenden aber keine traditionell-anthropo-
logische Bearbeitung angestrebt, bei der es nur um
die grundlegenden Bestimmungen des Sterbealters
und der Geschlechtsausprägung geht. Vielmehr soll
gemäß osteoarchäologischem Verständnis die Re-
konstruktion einer Bevölkerung und vor allem die
Diskussion der Befunde im Rahmen zeit- und/oder
raumgleicher Vergleichsserien versucht werden. Nur
auf diese Weise erscheinen Aussagen zur historischen
Stellung der untersuchten Stichprobe erreichbar zu
sein. Dem soll nach der tabellarischen Darlegung der
Individualdiagnosen unsere Aufmerksamkeit gewidmet
sein. Auf eine individuelle Detailbeschreibung wird
wegen fehlender Relevanz eines derartigen Unter-
fangens bewusst verzichtet. Das Ziel der Bearbeitung
soll eine möglichst umfassende Rekonstruktion der
untersuchten Bevölkerung im Rahmen der methodisch
vertretbaren Möglichkeiten sein.
Die verwendeten Diagnoseverfahren folgen weit-
gehend den von Rösing (1977) vorgeschlagenen.
Geringfügige methodisch bedingte Modifikationen sind
an anderer Stelle dargelegt (Caselitz 1981, 61-63,
ausführlicher zur Methodendiskussion vgl. Caselitz
2004, 154-155). Die naturwissenschaftliche Begut-
achtung wurde ohne Kenntnis der Beigaben- und
Befundsituation durchgeführt (sog. blinde Bestim-
mung). Die Nummerierung folgt den Inventarbezeich-
nungen der archäologischen Bearbeitung. Sämtliche
Brandknochenkomplexe wurden nach wissenschaft-
licher Bearbeitung an das Institut für Denkmalpflege,
Hannover, zurückgegeben. Für die Auswertung wird
zunächst davon ausgegangen, dass es sich bei jeder
Leichenbrandeinheit um einen Grabverband handelt
und die Zusammensetzung des stichprobenhaften
Fundgutes nicht wesentlich von derjenigen der Ge-
samtmenge abweicht. Im Rahmen der Auswertung
konnten einige kleinere Leichenbrandfunde einem
Grabverband zugeordnet werden. Das Gräberfeld
ist fast vollständig archäologisch erfasst; nach Schät-