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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 4.1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.33060#0014
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Anderung. Nach seinen Worten ist es eine aite pädagogische Weisheit, daß man siA
einen Gegenstand, einen Wissensstoif nur aneignet, wenn ein echtes Interesse daran
besteht. „Und wir haben in unserem Lande, das ist meine feste Überzeugung, eine
sehr viel größere Zahl von Lehrern, die für die neue Unterri&tsform taugiich sind,
ais angenommen wurde." Mit den Lehrern steht und fäiit der Versuch. . . . Das Unter-
richtsgespräch soli, so versteht es jedenfaiis der Unterrichtsminfster, in einer Grup-
penführung im mündlichen Abitur seine Krönung finden. Es soii an die Steile des
bisherigen Aufrufens und Abfragens treten, es soli ein Gespräch sein, in dem der
Schüier zum fortwährenden Nachprüfen, ja zum Zweifei veranlaßt wird. Daß da
keine Gängeiung mehr möglich ist, statt deren aber eine Anieitung, eine ständige
Ermunterung des Lehrers nottut, daß er schüchterne Schüier auf jede nur mögiiche
Weise mit ins Gespräch gezogen, der Träge und Stumpfe aber übergangen wird,
das aiies steht nicht nur auf der Vhmschliste der Unterrichtsbehörde, es wird sich
ganz von selbst ergeben. . . . (Stuttgarter Nachrichten, Stuttgart, 24. 9. 1960, un-
mitteibar vor der Vereinbarung von Saarbrücken).

„Ziei dieser Neuordnung ist nicht etwa, den SAüiern und Schülerinnen den Unter-
richt zu erleichtern. Das Ziei ist vielmehr, eine bessere Studierfähigkeit zu erreichen."
So etwa hat der nordrhein-westfäiische Kultusminister Schütz die Reform des Unter-
richts in der Oberstufe unserer höheren Schulen umschrieben. . . . Dahinter steht ein ver-
nünftiges Prinzip. Leider haben wir in den letzten Jahren viel zuviel populäre Klagen
vernommen: über Stoffüllc im Unterricht, über mangelnde Konzentrationsfähigkeit
bei den Schüiern, über die Überlastung der eo ipso überforderten SchüIerschafL Darüber
zu kiagen ist modern und kommt bei vielen Eltern immer an. Diesen Kiageliedern
tönt freilich ein anderes Klagelied entgegen: Studenten im 1. und 2. Semester haben
immer wieder geäußert, auf der Oberschule hätten sie gar nicht gelernt, was eigentlich
„Studieren" bedeute. Mit anderen 'Worten: Sie haben nicht oder nur in ungenügendem
Maße gelernt, selbständig zu arbeiten. . . . (Die Welt, Hamburg, 7. 10. 60).

. . . Die Beschränkung der Pfiichtfächer hat indes nur dann einen Sinn, wenn sie zu
einer Vertiefung der Bildung führt. Hier werden jene Kritiker besonders aufmerken,
welche die Einschränkung auf wenige Pflichtfächer beklagen. Sie gehen immer noch von
dem Ideal aus, daß sich der Unterricht in der Schule über möglichst viele Wissensgebiete
erstrecken müsse. Mit einer solchen Methode kann man heute wohl nur noch Schüler
heranziehen, die von vielen Dingen wenig wissen. Genau genommen wird die Schuie,
die „für das Leben lehren" soll, dem einzelnen im besten Falle nur eine solide Bil-
dungsgrundlage geben können, und der einzelne muß dann nach seinen Fähigkeiten
darauf weiterbauen. (Süddeutsche Zeitung, München. 3. 10. 1960).

- . . . Aber schon diese Konstruktion zeigt, wie sehr die Reform, die zweifellos mit
einer langen Tradition entschlossen bricht, dem Zwang folgt, aus der Not eine Tugend
zu machen. Welche Stellung künftig vor allem Geschichte und Erdkunde, beides FäAer,
dic wesentlich zum Verständnis der modernen Welt beitragen, zu behaupten vermögen,
bleibt abzuwarten. Daß sie gerade in den letzten Klassen der Gymnasien reduziert
werden, ist zumindest kein beglückendes Ereignis. Ebenso fragt sich, ob sich die gewiß
notwendige Erleichterung für die Oberstufe nicht in eine Belastung für die voraus-
gehenden Klassen verwandelt, indem nun dort manches von dem zusätzlich bewältigt
werden muß, was sich früher über alle Schuljahre in den Gymnasien verteiite. Aus
diesem Dilemma hätte nur eine gründliche Revision des gesamten Lehrplans geführt,
also der Versuch, Ballast von Anfang an abzuwerfen und das Pensum zu bestimmen, das
den Bedingungen der Zeit samt ihren historischen Voraussetzungen am besten gerecht
wird; die steigende Flut des Wissensstolfes für alle Schulstufen sinnvoll zu kanalisieren.

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