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Schneidmüller, Bernd [Editor]; Weinfurter, Stefan [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Otto III. - Heinrich II.: eine Wende? — Mittelalter-Forschungen, Band 1: Sigmaringen, 1997

DOI article:
Althoff, Gerd: Otto III. und Heinrich II. in Konflikten
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.25411#0094
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Gerd Althoff

bekannt sind dagegen wohl bis heute die Regeln und Gewohnheiten, die die mittel-
alterliche Gesellschaft praktizierte, um Konflikte zu begrenzen bzw. beizulegen.
Dieses Defizit hat gewiß nicht wenig zur pejorativen Einschätzung des Mittelalters
in der Moderne beigetragenb Man sah die scheinbar hemmungslose Gewaltbereit-
schaft, nannte das Zeitalter deshalb eisern, bleiern, oder im günstigsten Falle fehde-
freudig. Noch in diesem Jahr versah man die deutsche Übersetzung eines Buches
von Robert Bartlett mit dem bezeichnenden Titel: >Die Geburt Europas aus dem
Geist der GewaltD. Hier wie andernorts übersah man die ausgeprägte Fähigkeit
der mittelalterlichen Ordnungen, den Frieden durch ganz gezielte Aktivitäten zu
sichern oder wiederherzustellen.
Bekannt sind der deutschen Mediävistik auf diesem Feld vor allem die Gottes-
und Fandfriedensbewegungen, wichtige Erscheinungen, die dennoch die Friedens-
fähigkeit der mittelalterlichen Gesellschaft nur partiell beleuchten-. Vor und neben
diesen Techniken, durch Einungen den Frieden zu sichern oder wiederherzustel-
len, praktizierte man nämlich sozusagen überall, das heißt in unterschiedlichen
sozialen Schichten der mittelalterlichen Gesellschaft und in unterschiedlichen
Bändern die Technik gütlicher Konfliktbeilegung durch Kompromiß. Diesem Aus-
gleich war die Tätigkeit von Vermittlern verpflichtet, die in vielen Konflikten eine
entscheidende Funktion übernahmen. Sie handelten die ccwzposiü'o, die gütliche Bei-
legung des Konflikts mit den Parteien aus, und sie garantierten die Einhaltung der
Abmachungen T
Die Ausgleichsbemühungen waren von dem Gedanken der Genugtuung, der
saüsjachü, beherrscht^. Zu solchen Satisfaktionsleistungen verpflichteten sich in al-
ler Regel beide Seiten. Sie konnten aus Geldzahlungen oder symbolischen Hand-
lungen bestehen, sie konnten aber auch ein Heiratsbündnis zum Inhalt haben. War
der König Konfliktpartei, bestand die Genugtuungsleistung seines Kontrahenten in
aller Regel aus einem öffentlichen Unterwerfungsakt, einer die in durchaus

3 Vgl. zu dieser Einschätzung vor allem OTTO GERHARD OEXLE, Das entzweite Mittelalter, in:
GERD ALTHOFF (Hg.), Die Deutschen und ihr Mittelalter. Themen und Funktionen moderner Ge-
schichtsbilder vom Mittelalter, Darmstadt 1992, S. 7-28, bes. S. 8 ff.; DERS., Das Mittelalter und
das Unbehagen an der Moderne. Mittelalterbeschwörungen in der Weimarer Republik und
danach, in: SuSANNA BuRGHARTz/HANS-JÖRG GiLOMEN u.a. (Hgg.), Spannungen und Wider-
sprüche. Gedenkschrift für F. Graus, Sigmaringen 1992, S. 125-153; DERS., Das Bild der Moder-
ne vom Mittelalter und die moderne Mittelalterforschung, in: Frühmittelalterliche Studien 24,
1990, S. 1-22.
4 ROBERT BARTLETT, The making of Europe: conquest, colonization and cultural change 950-1350,
London 1993; dtsch.: Die Geburt Europas aus dem Geist der Gewalt. Eroberung, Kolonisierung
und kultureller Wandel von 950-1350, München 1996.
5 Vgl. dazu Art. Gottesfüeden, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, München/Zürich 1989, Sp. 1587-1592;
Art. Landfrieden, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München/Zürich 1991, Sp. 1657-1660, je-
weils mit vielen weiteren Literaturhinweisen.
6 Vgl. dazu GERD ALTHOFF, ComposH'o. Wiederherstellung verletzter Ehre im Rahmen gütlicher
Konfliktbeendigung, in: KLAUS SCHREINER/GERD SCHWERHOFF (Hgg.), Verletzte Ehre. Ehrkonflikte
in Gesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Norm und Struktur), Köln/Wei-
mar/Wien 1995, S. 63-76; HERMANN KAMP, Vermittler in Konflikten des hohen Mittelalters, in: La
Giustizia nell'Alto Medioevo II (secoli IX-XI) (Settimane di Studio del Centro Italiano di Studi
sull'alto Medioevo 44), Spoleto 1996 (in Vorbereitung).
7 Vgl. dazu GERD ALTHOFF, Genugtuung (satisfactio). Zur Eigenart gütlicher Konfliktbeilegung im
Mittelalter, in: fOACHtM HEINZLB (Hg.), Modernes Mittelalter, Frankfurt a. M. 1994, S. 247-265.
 
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