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Weinfurter, Stefan [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Stauferreich im Wandel: Ordnungsvorstellungen und Politik in der Zeit Friedrich Barbarossas — Mittelalter-Forschungen, Band 9: Stuttgart, 2002

DOI Artikel:
Vollrath, Hanna: Lüge oder Fälschung? Die Überlieferung von Barbarossas Hoftag zu Würzburg im Jahr 1165 und der Becket-Streit
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https://doi.org/10.11588/diglit.34723#0181

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Lüge oder Fälschung?

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der Versuch, auf die Meinung der Öffentlichkeit in diesem Konflikt einzuwirken.
In dieser Form - durch Rundschreiben - war das bisher nicht üblich. »Öffentlich-
keit« waren jeweils die Leute, die direkte Zeugen waren, die physisch anwesend
waren, auch Konflikte wurden in diesem Sinne öffentlich ausgetragen, und wir
können davon ausgehen, daß Zustimmung oder Unmutsbekundungen der Um-
stehenden ein fester Bestandteil dieser öffentlichen Politik waren. Aber die Öffent-
lichkeit war lokal definiert. Die Publicationes auch schon der frühen Königsurkun-
den, die sich ja an alle Getreuen, die gegenwärtigen und zukünftigen, richteten,
darf man der Königsidee und damit dem Zeremoniell zurechnen. Nun versuchte
ein Papst, die Öffentlichkeit durch das Medium Schrift zu vergrößern, und es ist
natürlich kein Zufall, daß das ein Papst tat, denn es war ja gerade die Römische
Kirche, die seit dem Investiturstreit ihren Handlungsspielraum erweitert hatte.
Wir sehen hier die Fortsetzung der politischen Propaganda, die mit dem Investi-
turstreit begonnen hatte. In diesem Zusammenhang sehe ich die Rundschreiben
Barbarossas über den Hoftag zu Würzburg. Es war eine Propagandaschrift Barba-
rossas für seinen Papst. Ein Bericht, der sich um Objektivität bemühte, war gar
nicht gemeint, sondern eine Kampfschrift in einem Konflikt - sie war bewußt ein-
seitig.
Wahrheit und Einseitigkeit, List und Lüge liegen sehr nahe beieinander. Es
sind keinesfalls so klar definierte Größen, wie wir vielleicht meinen, bis zum heu-
tigen Tage nicht. Wie oft wird heute nicht erst durch Gerichtsurteile geklärt, was
man noch sagen darf, ohne gegen den guten Glauben oder die guten Sitten zu
verstoßen. Gab es damals schon eine Art Grundverständnis, wo die Einseitigkeit,
wo die List aufhörte und die platte Lüge anfing? Auch Verträge wurden noch
nicht paragraphenmäßig ausdefiniert und damit auslegungsfest gemacht. Der Be-
ginn der politischen Propaganda eröffnete ein Feld politischen Handelns, dessen
Rahmenbedingungen erst noch in einem Diskussionsprozeß ausgehandelt wer-
den mußten.
 
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