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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Bearb.]
Stauferreich im Wandel: Ordnungsvorstellungen und Politik in der Zeit Friedrich Barbarossas — Mittelalter-Forschungen, Band 9: Stuttgart, 2002

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Struve, Tilman: Vorstellungen von »König« und »Reich« in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.34723#0301

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Vorstellungen von »König« und »Reich-

289

1157) wurde dem Gedanken Ausdruck verliehen, die königliche bzw. kaiserliche
Macht führe auf göttlichen Ursprung4 zurück. Es bestand vielmehr kein Zweifel,
daß der König als Repräsentant irdischer Herrschaft seine Stellung schlechthin
göttlicher Einsetzung verdanke5, wofür man sich auf die bekannten Worte des
Apostels Paulus (Rom. 13,1) berufen konnte. Durch die ihm zuteilgewordene Kö-
nigssalbung, welcher der Bischof Otto von Freising übrigens sakramentalen Rang
zugeschrieben hat, galt der König als >Gesalbter des Herrn< - Christus domini6. Fol-
gerichtig wurde die göttliche Gnade als Quelle königlicher Macht angesehen. In
diesem Sinne sprach Friedrich Barbarossa in einer Urkunde des Jahres 1162 da-
von, die göttliche Gnade habe geruht, ihn auf den Thron des Römischen Reiches
zu erheben - divina gratia nos in solio Romani imperii sublimare dignata est7. Der un-
bekannte Dichter des »Carmen de gestis Frederici« gar deutete, dem Stil des Hel-
denepos entsprechend, die königliche Herrschaft als eine Art Fehnsverhältnis zu
Gott8. Eine höchst eigenwillige und in dieser Art im Mittelalter singuläre Deutung
verlieh der kaiserliche Notar und Hofkapellan Gottfried von Viterbo (t 1192/
1200) dem irdischen König: In der Rolle eines ultor dei habe dieser die heilsge-
schichtliche Funktion zu erfüllen, die schuldig gewordene Menschheit nach der
Sintflut wieder mit ihrem Schöpfer zu versöhnen9 10. So sehr freilich auch der Ge-
danke des Gottesgnadentums betont wurde, als konstitutiv für die königliche
bzw. kaiserliche Herrschaft wurde allein die fürstliche Wahl angesehen. Nach
Otto von Freising, der damit wohl die Auffassung maßgeblicher Kreise des Hofes
wiedergegeben haben dürfte, handelte es sich hierbei um eine Art Grundgesetz
des Reiches - iuris Romani imperii apexw. Bei der Vornahme der Wahl wurden die
Fürsten somit gleichsam zu Vollstreckern des göttlichen Willens.

4 Otto von Freising/Rahewin, Gesta Friderici I. imperatoris 111,13, ed. Georg Waitz - Bernhard
von Simson (MGH SS rer. Germ. [46]), Hannover 1912; verbesserte Ausgabe auf der Grundlage
der Überlieferung des Widmungsexemplars, nach der im folgenden einschließlich der veränder-
ten Kapitelzählung zitiert wird, von Franz-Josef Schmale (Ausgewählte Quellen zur deutschen
Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 17), Darmstadt 1965, S. 418,
Z. 6-8: Cum divina potentia, a qua omnis potestas in celo et in terra, nobis, christo eius, regnum et Imperium
regendum commiserit ... (Rundschreiben Friedrichs I.) = D F I. 186, ed. Heinrich Appelt (MGH DD
10/1), Hannover 1975, S. 313 ff., das Zitat S. 314, Z. 23-24. Zum Hintergrund vgl. Johann Fried-
rich Böhmer, Regesta Imperii IV,2. Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1. Lieferung
1152 (1122) - 1158, neubearbeitet von Ferdinand Opll, Wien/Köln 1980, S. 154 f., Nr. 491-492.
5 Otto von Freising/Rahewin, Gesta III, 13 (wie Anm. 4), S. 418, Z. 6-7 (s. oben Anm. 4), nahezu
gleichlautend Gesta IV,4, S. 514, Z. 8-10; ohne wörtliche Bezugnahme auf die Römerbrief-Stelle
Gesta 11,52, S. 384, Z. 24-25; IV, 65, S. 644, Z. 20-21. In freier Wiedergabe der Auseinanderset-
zungen zu Besan^on: Chronica regia Coloniensis a. 1157 (wie Anm. 15), S. 94.
6 Otto von Freising/Rahewin, Gesta 11,3 (wie Anm. 4), S. 288, Z. 17, ähnlich 111,13, S. 418, Z. 7
(s. oben Anm. 4). Salbung als Sakrament: ebd. 11,3, S. 286, Z. 31.
7 D F I. 349 vom 4. Februar 1162 für das Kollegiatstift St. Theobald zu Metz, ed. Heinrich Appelt
(MGH DD 10/2), Hannover 1979, S. 188, Z. 13-14.
8 Carmen de gestis Frederici I. imperatoris in Lombardia, V. 1914 f., ed. Irene Schmale-Ott
(MGH SS rer. Germ. [62]), Hannover 1965, S. 63.
9 Gottfried von Viterbo, Speculum regum I, 1, ed. Georg Waitz (MGH SS 22), Hannover 1872,
S. 30, V. 16-18: Culpa gravis populi meruit sub lege teneri, / Unde Deus voluit homines sub rege tueri, /
Ultor ut ipse Dei puniat acta rei. Zu den Vorstellungen Gottfrieds von Viterbo s. auch unten
S. 299 ff. mit Literatur Anm. 65.
10 Otto von Freising/Rahewin, Gesta 11,1 (wie Anm. 4), S. 284, Z. 10. Betonung der fürstlichen
Wahl: non per sanguinis propaginem descendere, sed per principum electionem reges creare, sibi tarn-
 
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