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Weinfurter, Stefan [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Stauferreich im Wandel: Ordnungsvorstellungen und Politik in der Zeit Friedrich Barbarossas — Mittelalter-Forschungen, Band 9: Stuttgart, 2002

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Struve, Tilman: Vorstellungen von »König« und »Reich« in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.34723#0323

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Vorstellungen von »König« und »Reich•

311

dere der Priester solle sich hüten, mit dem weltlichen Schwert zu kämpfen120. Es
war daher nur folgerichtig, daß Gerhoh von Reichersberg den von einer extrem
hierokratischen Position ausgehenden päpstlichen Anspruch auf die plenitudo po-
testatis in temporalibus ablehnte. Einem pragmatisch denkenden, auf Ausgleich be-
dachten Zeitgenossen wie ihm mußte es entschieden zu weit gehen, wenn sich
die Päpste zu Kaisern erhöben und sich gleichsam zu deren Herren aufschwän-
gen, während sie die Kaiser zu ihren Vasallen machten121. Dies könne nur Unmut
und neuen Streit verursachen. Aus demselben Grunde lehnte er auch den Mar-
schall- und Stratordienst der Kaiser und Könige ab122.
Galt somit die Position der Gelasianischen Zweigewaltenlehre auch als
Grundlage eines verträglichen Verhältnisses von regnum und sacerdotium, so war
es auf der anderen Seite das in Kontinuität zur spätsalischen Herrschaftspraxis
betriebene Anknüpfen an römischrechtliche Begriffe und Sprachmuster, welches
der herrscherlichen Stellung eine neuartige, säkulare Grundlage verlieh. Damit
war eine wichtige Voraussetzung für die Lösung des weltlichen Herrschaftsbe-
reichs aus seiner ekklesiologischen Fixierung geschaffen. Das bedeutet keinen Wi-
derspruch: Beide Momente gehören vielmehr durchaus zu den Kennzeichen der
von Friedrich Barbarossa auch über den Frieden von Venedig hinaus verfolgten
Politik. Wie die weitere Entwicklung zeigt, war es ihm im Zuge des Wiederaufle-
bens der Steifigkeiten mit der Kurie Mitte der achtziger Jahre gelungen, die römi-
sche Stadtpräfektur wieder der kaiserlichen Hoheit zu unterwerfen123. In einer Ur-
kunde für das Kloster S. Pietro bei Perugia aus dem Jahre 1163 hat Friedrich
Barbarossa die Leitgedanken seiner Regierung auf die einprägsame - den hier be-
handelten Themenkreis abrundende - Formel gebracht, er betrachte es als seine
kaiserliche Aufgabe, den Rechtsfrieden unter den verschiedenen gesellschaftli-
chen Gruppen des Reiches - bei ausdrücklicher Offenhaltung des Gnadenweges -
herzustellen und die Kirchen mit dem Schilde der kasierlichen Macht zu schüt-
zen - excellentis nostr§ maiestatisfelicissima ac specialis est intentio, nt... tanta modera-
tione per potiores et humiles equabilis currat iustitia, ut nec pauper a divite nec impotens
opprimatur a potente, et cum ad omnes indulgenti§ vias nostra libenter relaxetur clemen-
tia, in hoc tarnen ... gratiam reddere nos confidimus, dum sacrosanctas ecclesias scuto im-
perialis nostr§ potenti§ ... protegimus124.

120 Gerhoh von Reichersberg, De investigatione Antichristi 1,72 (wie Anm. 63), S. 392, Z. 32. Stö-
rung der von Gott gesetzten Ordnung: ebd., S. 392, Z. 27-31, mit der Schlußfolgerung: Melius
utraque potestas suis erit terminis contenta (...). Zur gedanklichen Konzeption der Schrift vgl.
Classen, Gerhoch von Reichersberg (wie Anm. 63), S. 222 ff.; sowie Meuthen, Kirche und
Heilsgeschichte (wie Anm. 63), S. 103 f.
121 Gerhoh von Reichersberg, De investigatione Antichristi 1,72 (wie Anm. 63), S. 392, Z. 19-23 mit
der Bewertung: Hoc autem quid est aliud, quam potestatem a Deo constitutam destruere et ordinationi
Dei resistere?
122 Ebd. 1,72 (wie Anm. 63), S. 393, Z. 32-37 mit der Begründung, ein Beharren auf dieser Leistung
fördere nur Hochmut auf der einen, Unmut und Haß auf der anderen Seite. Vgl. Meuthen,
Kirche und Heilsgeschichte (wie Anm. 63), S. 104 ff.
123 Vgl. Petersohn, Praefectura Urbis (wie Anm. 103), S. 159; Ders., Friedrich Barbarossa und
Rom (wie Anm. 18), S. 140 f.
124 DFI. 413 vom 10. November 1163 (wie Anm. 7), S. 297, Z. 32-37.
 
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