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Huth, Volkhard; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Staufische "Reichshistoriographie" und scholastische Intellektualität: das elsässische Augustinerchorherrenstift Marbach im Spannungsfeld von regionaler Überlieferung und universalem Horizont — Mittelalter-Forschungen, Band 14: Ostfildern, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.34728#0021

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1. Der Herrscher und die Philosophen

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Vom Stoff jenes Diskurses und seines exklusiven Bezugsrahmens könnte
indes schon die satirische Zielscheibe des >Archipoeta< durchwirkt gewesen
sein, als der Dichter, sieben Jahre nach dem Inaugurationsschreiben Ottos an
den Kanzler, Rainald vorhielt, er habe bei einem visionären Besuch im Him-
mel »weder Aristoteles noch Homer« gesehen . Sollte Otto bereits einer Ent-
wicklung Rechnung getragen oder sie sogar beeinflußt haben, wie sie schon
seit der Mitte des 12. Jahrhunderts ein von neuesten wissenschaftlichen Strö-
mungen gespeistes intellektuelles Klima wenigstens in Hofkreisen trug? Und,
wäre dies der Fall, welches Beziehungsnetz knüpfte sich an diese Wissens-
kultur?

1.2. Höfische Wissenskultur im Spiegel der Arbeitsweise
Gottfrieds von Viterbo und hofbezogener Überlieferung
Auf die herausragenden materiellen Substrate einer solchen Wissenskultur
jedenfalls scheint sich ganz handfest einige Jahrzehnte nach Ottos Schaffen
Gottfried von Viterbo zu beziehen, wenn er die Schätze der kaiserlichen Bi-
bliothek in Hagenau preist:
Eg§vs ard arUs z'M sank poefa,
Mannas ArzstoHUs, Ypocras Gaü'eaa cü'Ha
Daaf (f)zbz' cozrsdz'a digaa, caueada zWaaf (w. 10-12)'".

Mäzenatentum«. Diese Kritik ließe sich auch zwanglos auf Bumkes große Monographie
»Mäzene im Mittelalter« übertragen: »Es ist auffallend und bestätigt indirekt die Perspektive
meiner Forschung, dass von Philosophie in diesem Buch überhaupt nicht die Rede ist«
(ebd.). Allerdings greift Imbach, soweit ich sehe, allgemein nicht ins 12. Jahrhundert zurück,
abgesehen von beiläufigen Erwähnungen wie etwa Hildegards von Bingen (S. 72 unter dem
Aspekt der »Frauenliteratur«); an anderer Stelle (S. 19) zitiert er aus dem Prolog der 'Sum-
ma' Stephans von Tournai über das Dekret Gratians zwecks Differenzierung von Klerikern
und Laien. Die Staufer treten erst mit Kaiser Friedrich II. bzw. dessen Hof als Förderer der
Philosophie in den Blick. Auf dem Wege einer Annäherung an die intellektuellen Bestre-
bungen und Beziehungen unter dem Schutze des Kaiserhofes bereits zur Regierungszeit
Barbarossas hat aber unlängst Imbachs Mitarbeiter Thomas Ricklin wichtige Spuren freige-
legt; vgl. DENS., <Physica>. Noch in Unkenntnis dieser Arbeit, aber unter direkter Bezugnah-
me auf das sich immer stärker abzeichnende intellektuelle Profil der Hofkapelle war kurz
zuvor in einem vielfach neue Einsichten vermittelnden Standardwerk die Feststellung ge-
troffen worden: »Sicher ist immerhin, daß es im »Zeitalter der Staufer« in Deutschland nicht
nur die höfische Dichtung gab, sondern sich auch ein philosophisches Denken von ganz un-
erwartetem Ausmaß entwickelte. Die Aufarbeitung dieses in Vergessenheit geratenen Ge-
samtkomplexes ist meines Erachtens eine der dringendsten Aufgaben der Mediävistik, und
hierzu sind Germanisten, Historiker und Philosophen gleichermaßen gefordert«; STURLESE,
Die deutsche Philosophie, S. 248. In diese Richtung wiesen aber schon über drei Jahrzehnte
zuvor Beobachtungen der Habilitationsschrift von Peter Classen; vgl. DENS., Gerhoch,
bes. S. 270, ohne daß diese Anregung von der historischen Forschung aufgenommen worden
wäre.
9 Gedicht V, Strophe 7 Vers 1, jetzt in: Archipoeta, ed. KREFELD, S. 60.
10 Singuläre Überlieferung in der Handschrift Paris, Bibliotheque Nationale, Ms. nouv. acq. lat.
299, fol. 14r Sp. 2 - fol. 14v Sp. 1; überschrieben: De casfro fzoyinoua. V. 10 hat die Hs. ;'H, doch
folge ich hier der Emendation von Erwin Assmann; vgl. DENS. (Hg.), Günther, Einleitung
S. 88 Anm. 361. Den gesamten Gedichtkomplex der >Denominatio regnorum imperio
subiectorum< edierte DELISLE, Litterature latine, S. 41-50; zur Autorschaft Gottfrieds und
 
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