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Huth, Volkhard; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Staufische "Reichshistoriographie" und scholastische Intellektualität: das elsässische Augustinerchorherrenstift Marbach im Spannungsfeld von regionaler Überlieferung und universalem Horizont — Mittelalter-Forschungen, Band 14: Ostfildern, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.34728#0209

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III. Zur Marbacher Intellektualitätskultur im
ausgehenden 12. Jahrhundert.
Verbindungslinien zur Historiographie

Im dritten Viertel des 12. Jahrhunderts, in der Zeitspanne zwischen dem um
oder vor der Mitte des 12. Jahrhunderts liegenden Studienaufenthalt Hugos
von Honau in Frankreich und seiner letzten Bezeugung als Lebender (1183),
muß Marbach allgemein von einem rasanten kulturellen Aufschwung erfaßt
worden sein. Diese Feststellung gründet sich auf das Tableau der mit Mar-
bach-Schwarzenthann in Verbindung zu bringenden, dort oder in einer
Straßburger Gemeinschaft Marbacher Observanz hergestellten Handschriften,
deren Schrift- und Bildqualität für die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts eine
deutliche Klimax anzeigt. Das berühmteste Zeugnis, der in Gemeinschaftsar-
beit der Kanonisse Guta und des Kanonikers Sintram 1154 gefertigte >Liber
vitae<, bildet dabei eigentlich nur den point de depart, die Höhepunkte indes
bezeichnen zum Jahrhundertende hin die vollendet anmutenden, künstlerisch
höchst anspruchsvoll bebilderten Evangelistare von Laon (B. M., Ms. 550) und
Karlsruhe (BLB, St. Peter perg. 7). Während für die - nach gängiger Einschät-
zung - Blütezeit der Marbacher Reformbewegung, die Zeit der intensiven
Verbrüderungen und >Consuetudines<-Übernahmen in der ersten Hälfte des
12. Jahrhunderts, keine einzige Handschrift dem Marbacher Scriptorium
zwingend zugewiesen werden kann, steht für die zweite Jahrhunderthälfte
eine Bilanz von immerhin etwa zwei Dutzend erhaltener Codices zu Buche,
deren Entstehung in Marbach oder auch in Schwarzenthann mit hoher Wahr-
scheinlichkeit anzunehmen oder im Einzelfall gar zu sichern ist. Für weitere
Zeugnisse ergeben sich, wie gerade anhand des recht großen und noch immer
ziemlich geschlossenen Indersdorfer Bestandes zu erörtern war, konkrete
Möglichkeiten der Zuordnung. Addiert man ferner die Manuskripte, die un-
ter Heranziehung Marbach-Schwarzenthanner Kräfte, von dort stammenden
oder vermittelten Vorlagen entstanden sein dürften, wie dies etwa für Werke
aus dem Umfeld der Odilienberggemeinschaften diskutiert werden kanrW, so
erweitert sich nicht nur der quantitative Rahmen, sondern auch der Blick für
die kulturellen Kontakte und Entfaltungsmöglichkeiten Marbachs - samt

639 Hierbei ist nicht nur an den berühmten >Hortus<, sondern auch beispielsweise an das äu-
ßerst qualitätvolle Freiburger Einzelblatt aus einer verschollenen Bilderhandschrift der Zeit
um 1200 oder an eine heute in London aufbewahrte Bilderfolge mit Szenen aus dem Leben
Johannes des Täufers zu denken; vgl. oben die Anmerkungen 248 und 538. Zwischen allen
drei Zeugnissen herrschen enge motivische Verwandtschaften. Zum Teil griffen sie auf die
gleichen Vorlagen zurück, die sich an byzantinischen resp. italogriechischen Bildtypen ori-
entierten. Für deren direkte Beschaffung in Marbach wie auf Hohenburg gibt es prosopo-
graphische Anhaltspunkte, die jedoch ihrerseits im Lichte der Verbindungen zum Kaiserhof
bzw. zur staufischen Herrscherfamilie zu sehen sind.
 
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