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Huth, Volkhard; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Staufische "Reichshistoriographie" und scholastische Intellektualität: das elsässische Augustinerchorherrenstift Marbach im Spannungsfeld von regionaler Überlieferung und universalem Horizont — Mittelalter-Forschungen, Band 14: Ostfildern, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.34728#0055

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39

2. Raumgebundene Überlieferung, universaler Horizont.
Zur historiographischen Tradition im Elsaß während
der Stauferzeit
Gottfried von Viterbo zielte, wenn er denn ernsthaft die geistige Physiogno-
mie des Stauferhofes hat mitgestalten wollen, sicher zu kurz. Der enzyklopä-
dische Charakter und der legendengeschwängerte Unterhaltungswert seines
erzählfreudigen Werkes, die beide den positivistischen Editoren und For-
schern des 19. (und lange Zeit auch noch des 20.) Jahrhunderts die Befassung
damit hart werden ließen'"! haben indes seinen einstigen Nachruhm begrün-
det, der sich in der reichen spätmittelalterlichen Handschriftenüberlieferung
des >Pantheon< manifestiert'"! Diese Popularität des >Pantheon< beim spät-
mittelalterlichen Lesepublikum hat übrigens ganz erheblich auch die nun erst
auf breiterer Front einsetzende Beschäftigung mit der >Chronik< Ottos von
Freising, einer Hauptquelle Gottfrieds, gefördert'"! Beider gemeinsame - und
damit in bezug auf Gottfrieds Rezeption die früheste bekannte - Nutzung ist
in der recht genau um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen Chronik
des Abtes Hermann von Niederaltaich nachzuweisen'"!
Während Hermanns handschriftliche Vorlage der >Chronik< Ottos von
Freising erst Jahrhunderte später ins Elsaß gelangen und dort mit vielen an-
deren kostbaren Manuskripten der alten Stadt- und Universitätsbibliothek
Straßburg, darunter vor allem auch Herrads >Hortus Deliciarurm, beim Be-

123 In einer Besprechung der MGH-Ausgabe von Georg Waitz (1872), die der Editor selbst als
»labor saepe taediosus« empfunden hatte, erklärte Paul Scheffer-Boichorst im Zentralorgan
deutscher Geschichtswissenschaft, der >Historischen Zeitschrift^ »Diesen weitschweifigen
Autor, der jedes politischen Verständnisses baar ist, ... anzuhören, ihn die ganze Weltge-
schichte in jener von ihm selbst erfundenen Tonart... verarbeiten zu sehen, wäre an und für
sich eine Aufgabe, die genug der Qual böte. Wie erst, jedes einzelne seiner Werke zu prüfen,
seinen zahlreichen Quellen nachzugehen, den wahren Text auf Grund einer fast unüberseh-
baren Zahl von Handschriften herzustellen!«. In Waitzens Edition mit ihren rigorosen Tex-
teinsparungen, denen der große Teil der theoretischen und wissensvermittelnden Partien
zum Opfer fiel, erblickte der damalige Exponent historiographiegeschichtlicher Forschung
daher »den möglichsten Grad der Vollendung« (HZ 29,1873, S. 441).
124 Eine ausführliche Musterung, gegliedert nach den Rezensionen A-E sowie ihren Überliefe-
rungszweigen, bietet jetzt erstmals die Übersicht bei WEBER, Godfrey, S. 59ff.
125 SCHÜRMANN, Rezeption, S. 13. Der Abhängigkeit Gottfrieds von Ottos >Chronik<, auf deren
Ausmaß erst Detailstudien von Bernhard Schmeidler zu Anfang dieses Jahrhunderts auf-
merksam machten (DERS., Italienische Geschichtsschreiber, S. 84ff.), hat Hans Werner Seiffert
eine leider nie veröffentlichte Arbeit gewidmet. Die von ihm in einem kürzeren Aufsatz vor-
genommenen Abgleichungen sind ganz allgemeiner Natur: DERS., Otto von Freising und
Gottfried von Viterbo; ebd., S. 300, die Berufung auf die ungedruckte Studie des Verfassers.
Gottfrieds Benutzung der kaiserlichen Widmungsfassung von Ottos >Chronik< könnte auch
wegen deren Bebilderung Folgen für die Ausgestaltung eines >Pantheon<-Exemplars gehabt
haben, das seinerseits Kaiser Friedrich I. dediziert wurde; dazu unten bei Anm. 160ff. - Zum
textlichen Umgang Gottfrieds mit der >Chronik< Ottos ist nun grundsätzlich BOOCKMANN,
Studien, S. 175ff., zu vergleichen.
126 Zu Autor und Werk s. WATTENBACH-SCHMALE, Geschichtsquellen, S. 181ff. Die von Waitz in
der Vorrede zu seiner MGH-Edition noch nicht ausgewiesene, auch in dem vorgenannten
Werk nicht verzeichnete Gottfried-Rezeption Hermanns von Niederaltaich merkte
SCHEFFER-BOICHORST, in: HZ 29,1873, S. 444, an. Vgl. Anm. 123.
 
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