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Huth, Volkhard; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Staufische "Reichshistoriographie" und scholastische Intellektualität: das elsässische Augustinerchorherrenstift Marbach im Spannungsfeld von regionaler Überlieferung und universalem Horizont — Mittelalter-Forschungen, Band 14: Ostfildern, 2004

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34728#0133

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117

2. Marbacher Überlieferungshorizonte
Auf dem bis hierhin sondierten Terrain wurden Konturen ermittelt, die nun-
mehr gewissermaßen als historisch-soziologische Folie dem Bild zu unterle-
gen sein werden, das sich bei der Musterung der Marbacher Überlieferungs-
horizonte zusammensetzt. Über diese ergibt sich eine komplementäre Er-
kenntnischance. Der Weg ist ebenso einfach wie noch allgemein zu selten
beschriften^': Es gilt, über Bibliotheksbestände und Überlieferungsbezüge
einen geistigen Querschnitt anzulegen, der intellektuelle Befindlichkeiten,
Bedürfnisse und Bestrebungen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten
Zeit offenlegt - hier: Marbach, circa 1150-1250.
Während die archivalische Überlieferung meist konsequent aufgearbeitet
wird, findet der bibliotheksgeschichtliche Wegweiser bis heute unter erklär-
ten Fachhistorikern dagegen erstaunlich wenig Beachtung, obschon er me-
thodisch tragfähigere Resultate bereithält als vergröbernde kulturgeschichtli-
che Substitutionen. Unter überlieferungsgeschichtlichem Aspekt liegt das
natürlich auch daran, daß archivalische Provenienzen im allgemeinen leichter
erkennbar, wegen ihrer oftmals grundlegenden Relevanz in juristischen und
ökonomischen Angelegenheiten für die Bestandssicherung einer geistlichen
Gemeinschaft schon ehedem dauerhaft zusammengehalten und geschützt,
meist auch am Ursprungsort per Archivordnung beziehungsweise Registra-
tur bereits einmal erschlossen worden sind. Auch im Falle Marbachs verhält
es sich so: Die überwiegende Masse der Klosterarchivalien vom frühen 12. bis
zum späten 18. Jahrhundert fand nach der Klosteraufhebung fast geschlossen
den Weg in das neu gegründete Departementsarchiv (heute: Colmar; Fonds
de Fabbaye de Marbach) C

381 In einem sachlich breit angelegten, aber konzisen und höchst anregenden Aufsatz von 1936
hat etwa bereits Konrad Josef Heilig (DERS., Mittelalterliche Bibliotheksgeschichte als Gei-
stesgeschichte, S. 23; vgl. DENS., Ostrom und das Deutsche Reich) auf diesem kritischen
Wegweiser als einem »entscheidende[n] Regulativ für die Geistesgeschichte« des Mittelal-
ters bestanden. Wie hier noch zu zeigen sein wird, offenbart sich das gerade bei Fragen nach
Bedingungen und Wegen des >Kulturtransfers<. Vgl. allgemein WOLFGANG MILDE, Artikel
'Bibliotheksgeschichte (Mittelalter)<, in: Lexikon des gesamten Buchwesens. Zweite, völlig
neu bearb. Aufl. hg. v. SEVERIN CORSTEN u. a., Bd. 1, Stuttgart 1987, S. 406-411; speziell:
DOLBEAU, Quelques aspects des relations. Als ein hier im weiteren noch relevantes Einzel-
beispiel mit gleichwohl großer Tragweite nenne ich das Beziehungsgeflecht um ein bislang
noch nicht lokalisiertes Scriptorium saec. XII, dem wir nicht nur Schlüsselwerke antiker
Textüberlieferung verdanken, sondern auch Werkstatthinweise auf stauferzeitliche Überset-
zungen ins Lateinische; s. WILSON, A Mysterious Byzantine Scriptorium, und DENS., Ioanni-
kios and Burgundio. Vgl. unten bei Anm. 803. - Einen höchst ambitionierten und besonders
aufwendigen Versuch jenes Forschungsansatzes im okzidentalen Bereich stellt das Pariser
CNRS-Forschungsprojekt Veronika von Bürens dar, die den Versuch unternimmt, die Bi-
bliothek Clunys zu rekonstruieren; stellvertretend: DIES., Le grand catalogue de la biblio-
theque de Cluny. Mit Unterstützung des 'Institut de Recherche et d'Histoire des Textes<
wird derzeit die Bibliothek der Abtei Clairvaux für die gesamte Konventsgeschichte er-
schlossen; den Band über die (erhaltenen!) biblischen, patristischen und sonstigen theologi-
schen Manuskripte hat Jean-Paul Bouhot 1997 vorgelegt.
382 Allerdings ist dieser Bestand bis jetzt noch nicht abschließend inventarisiert. Von den weni-
gen mir bekannt gewordenen Archivalien, die nicht ihren Weg hierhin genommen haben,
notiere ich ein offensichtlich schon vor der Konventsaufhebung nach Reiningen/Oelenberg
 
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