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Seibert, Hubertus; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Grafen, Herzöge, Könige: der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079 - 1152) — Mittelalter-Forschungen, Band 18: Ostfildern, 2005

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Winterling, Monika,: Zur Darstellung Heinrichs V. und Lothars III. in der deutschen Kaiserchronik des 12. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.34732#0420

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Monika Winterling

eröffnet aber gerade in ihrer Anbindung an die orale Tradition auch den Blick
für eine andere als die übliche Perspektive. Die Ereignisse, welche historio-
graphische Werke von Herrschern, Fürsten und Geistlichen aus der Vergan-
genheit berichten, bleiben stets nur vereinzelte Bruchstücke. Gezeigt wird
nahezu ausschließlich die Seite der Macht, das, was an der Oberfläche ge-
schieht; alles, was näher am Leben ist hingegen, bleibt nur schwer zu fassen.
Auch die Kaiserchronik liefert mit ihrer Darstellung des Geschehens nur einen
Ausschnitt des realen Lebens, wenngleich dieser auch im Vergleich zur tradi-
tionellen lateinischen Geschichtsschreibung andere Akzente setzt. In der Zeit
ihrer Entstehung beginnt sich eine neue Schicht von Laien herauszubilden, die
an gesellschaftlicher Bedeutung zunahm und schließlich auch aufbauend auf
dem daraus resultierenden neu gewomaenen Selbstbewußtsein nach konkre-
ten literarischen Formen zu dessen Umsetzung suchte. Der Dichter der Kaiser-
chronik versucht offenbar diesem Bedürfnis zu entsprechen, indem er traditi-
onelle Elemente literarischer Darstellung von vergangenen Ereignissen in den
von Oralität geprägten Verständnishorizont dieser sich neu herausbildenden
Schicht von Laien einzubinden versucht. Dabei greift er auch auf Erzählungen
und Geschichten zurück, die bisher weitgehend mündlich tradiert worden
waren und nun, im Laufe des 12. Jahrhunderts, schriftlich nieder gelegt wer-
den. Wie die einzelnen Erzählungen über historische Ereignisse und Persön-
lichkeiten die Jahrhunderte überdauerten, was und warum in der Erinnerung
weggelassen und was und warum hinzugefügt wurde - hierüber mag die
Kaiserchronik an der einen oder anderen Stelle Auskunft geben und so trotz
ihrer Mängel in der Darstellung als eine Art Modell für die Präsenz von Ge-
schichtswissen angesehen werden können.
 
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