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Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Dendorfer, Jürgen [Oth.]
Das Lehnswesen im Hochmittelalter: Forschungskonstrukte - Quellenbefunde - Deutungsrelevanz — Mittelalter-Forschungen, Band 34: Ostfildern, 2010

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Patzold, Steffen,: Ein klösterliches Lehnswesen? Der Zusammenhang von Besitz und personalen Bindungen im Spiegel von Klosterchroniken des 12. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.34751#0105

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104

Steffen Patzold

Bandes: Sie verheißen dem Historiker zwar nicht eine zeitgenössische Theorie des
Lehnswesens, aber sie lassen erkennen, wie sich das, was die ältere Forschung als
dingliche und personale Komponente des Lehnwesens begriff und systemati-
sierte2, in der Praxis auswirkte, wenn monastische Gemeinschaften mit ihrer
Umwelt in Kontakt traten. Klosterchroniken geben Aufschluss über den Zusam-
menhang zwischen Besitz und personalen Bindungen3.

2 Die klassische Darstellung hierzu ist François Louis Ganshof, Was ist das Lehnswesen?,
dt. Ausgabe Darmstadt 1961; eine gelungene Zusammenfassung der älteren Sicht zum Unter-
suchungszeitraum dieses Beitrags findet sich bei Sigrid Hauser, Staufische Lehnspolitik am
Ende des 12. Jahrhunderts 1180-1197 (Europäische Hochschulschriften III, 770), Frankfurt/Main
u. a. 1998, S. 19-40. Ein rechtlich fundiertes Lehnswesen in Sinne Ganshofs wird bisweilen auch
in neuerer Literatur noch als historische Wirklichkeit schon der Zeit vor 1200 vorausgesetzt, so
beispielsweise bei Michael Mitterauer, Une intégration féodale? La dénomination, expression
des relations de service et de vassalité, in: L'anthroponymie document de l'histoire sociale des
mondes méditerranéens médiévaux, hg. von MONIQUE Bourin/Jean-Marie Martin/François
Menant (Collection de l'Ecole Française de Rome 22), Paris 1996, S. 295-311; Hans K. Schulze,
Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 1: Stammesverband, Gefolgschaft, Lehns-
wesen, Grundherrschaft (Urban-Taschenbücher 371), Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 42004, S. 54-94;
Hedwig Röckelein, De feudo femineo - Uber das Weiberlehen, in: Herrschaftspraxis und soziale
Ordnungen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Ernst Schubert zum Gedenken, hg. von
Peter Aufgebauer/Christine van den Heuvel (Veröffentlichungen der Historischen Kommis-
sion für Niedersachsen und Bremen 232), Hannover 2006, S. 267-284, die im Übrigen sogar schon
für das 11. Jahrhundert einen Leihezwang postuliert (S. 269). Ein knappes Resümee des For-
schungsstandes zu dieser Frage bietet IRIS Kwiatkowski, Das Lehnswesen im späten Mittelalter -
Stand und Perspektiven der Forschung, in: Blicke auf das Mittelalter. Aspekte von Lebenswelt,
Herrschaft, Religion und Rezeption. Festschrift Hanna Vollrath zum 65ten Geburtstag, hg. von
Bodo Gundelach/Ralf Molkenthin (Studien zur Geschichte des Mittelalters 2), Herne 2004,
S. 145-176, hier S. 152.
3 Die herausfordernde Studie von Susan Reynolds, Fiefs and Vassais. The Medieval Evidence
Reinterpreted, Oxford 1994, ist in der deutschen Forschung bisweilen verkürzt rezipiert oder gar
missverstanden worden (so etwa bei Karl-Friedrich Krieger, in: Historische Zeitschrift 264,
1997, S. 174-179). Das Buch behauptet keineswegs, dass es überhaupt keine Vasallen oder Lehen
gegeben habe, und es ist auch zumindest nicht seine Hauptthese, dass es bis ins Hochmittelalter
keinen systematischen Zusammenhang zwischen Vasallität und Lehen gegeben habe. Reynolds
argumentiert im Kern wie folgt: Weder lasse sich die Bandbreite von Besitzformen und -rechten
mit dem Begriff »Lehen« angemessen erfassen, noch dürfe man das breite Spektrum möglicher
Formen personaler Bindung unter einen einzigen Begriff wie »Vasallität« zwängen. Statt dessen
gelte es, Besitz- und Eigentumsverhältnisse einerseits und personale Bindungen andererseits
möglichst differenziert in ihrer Interdependenz zu beschreiben - und zwar ohne spätere
rechtliche Systematisierungen erst des 12., dann des 16. Jahrhunderts auch für die jeweils davor-
liegende Zeit schon als gegeben vorauszusetzen. Zur Einschreibung der Feudalität in (west-)
europäische Meistererzählungen über das Mittelalter seit dem 16. Jahrhundert vgl. Kathleen
Davis, Sovereign Subjects, Feudal Law and the Writing of History, in: Journal of Medieval and
Early Modern Studies 36, 2006, S. 223-261. Teile der jüngeren französischen und US-
amerikanischen Forschung postulieren einen Umbruch um das Jahr 1000 von einer
karolingerzeitlichen »öffentlichen« Ordnung hin zu einer Feudalisierung der Gesellschaft
aufgrund neuer rechtlicher Verhältnisse zwischen Vasallen und Herren; vgl. dagegen aber die
treffende Kritik von STEPHEN WHITE, A Crisis of Fidelity?, in: Building Legitimacy. Political
 
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