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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0021

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1. Politische Verflechtungen im spätstaufischen Reich

ist allemal viel zu groß, als dass von den gängigen Methoden des „Sinn-Verstehens"
zugunsten analytischer Verfahren abgegangen werden könnte. Doch sollte die grundsätz-
liche Möglichkeit, bestimmte abgrenzbare Probleme unter Zuhilfenahme analytischer
Ansätze (letztlich mithilfe von eigens entwickelten Computerprogrammen) lösen zu
können, nicht länger bestritten werden. Selbst wenn auf diese Weise zunächst nur kleine
Erkenntnisfortschritte erzielt werden könnten, wäre doch für die Zukunft viel gewonnen,
da sich hier zweifellos ein weites Entwicklungsfeld eröffnet. Ja selbst die bloße Rcpro&A-
hon älterer Forschungsergebnisse mit den neuen Methoden erscheint zunächst durchaus
wünschenswert. Denn erstens können wir uns nur so der Adäquatheit der gewählten
analytischen Verfahren versichern und zweitens - und hierin liegt durchaus auch ein
Erkenntnisfortschritt von einigem Gewicht -, lassen sich bei einem durch analytische
Verfahren gewonnenen Befund dessen Geltungsbedingungen sehr viel genauer angeben
als in einem nur durch die Evidenz der Erzählung beglaubigten historischen Urteil.
Werner Hechberger hat in seiner 1996 erschienenen, viel beachteten Dissertation
gezeigt, dass die Forschungslogik der Geschichtswissenschaft sich nicht grundsätzlich
von der der so genannten „positiven" Wissenschaften unterscheidet: Auch das prag-
matische Vorgehen des Historikers bewegt sich demnach vollständig im gefürchteten
„hermeneutischen Zirkel" zwischen Theorie und Empirie: Ohne vorgefasste Theorie ist
Beobachtung nicht möglich,^ ohne durch Beobachtung gewonnene Daten aber auch
keine (verbesserte) Theoriebildung.^ Gerade weil die historischen Sachverhalte, die zu-
nächst in Form von Quellenaussagen am Anfang der Untersuchung stehen, so komplex
und vieldeutig sind, kommt der Theoriebildung in der Geschichtswissenschaft (worunter
ja schon die Begriffsbildung fällt) eine so eminent große Bedeutung zu, weil anders der
„Sinn" dieser Quellenaussagen gar nicht zu erfassen wäre.^' Es lohnt dabei durchaus die
29 Diese Einsicht unterscheidet die hier vertretene Position des kritischen Rationalismus von
einem naiven Positivismus, wobei freilich zu bemerken ist, dass die Kritik am Positivismus
oft auch nur auf Unkenntnis beruht. Denn entgegen einem verbreiteten Missverständnis
postulierte der Positivismus Comtescher Prägung durchaus nicht den Primat der Beobachtung
über die Theorie, sondern war sich der Interdependenz beider Denkoperationen sehr wohl
bewusst (ELIAS, Was ist Soziologie?, S. 33ff.).
3° HECHBERGER, Staufer und Welfen, S. 49f.
33 HECHBERGER, ebda., S. 86f. und 91-94. Zum häufigen Einwand anachronistischer Theorie-
bildung durch den Historiker ebda., S. 67f., 90, 199. Siehe auch ALBERT, Theorie, S. 212f.
Ziel der historischen Theoriebildung ist freilich nicht, wie etwa im 19. Jahrhundert Hegel,
Comte und Marx meinten, das Auffinden von allgemeinen historischen Bewegungsgesetze
(als Quasi-Naturgesetzen), sondern die Formulierung von in der Regel probabilistischen
„Theorien mittlerer Reichweite", um historische Phänomene in einen jeweils angemessenen,
räumlich und zeitlich beschränkten Erklärungsrahmen einordnen zu können (HECHBERGER,
ebda., S. 46). Zur am Paradigma der „exakten" Naturwissenschaften orientierten Konzeption
der Geschichtswissenschaft bei Comte siehe etwa ECKHARD FucHS, Henry Thomas Buckle:
Geschichtsschreibung und Positivismus in England und Deutschland (Beiträge zur Universal-
geschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung, 9), Leipzig 1994, S. 17 und 25. Eine
Zwischenposition nimmt ein: CARL GUSTAV HEMPEL, The function of general laws in history, in:
Journal of Philosophy 39 (1942), S. 35-48 (ND in: DERS., Aspects of scientific explanations and
other Essays in the philosophy of Science, New York / London 1965, S. 231-244) sowie DERS.,
Wissenschaftliche und historische Erklärungen, in: HANS ALBERT (Hg.), Theorie und Reali-
tät. Ausgewählte Aufsätze zur Wissenschaftslehre der Sozialwissenschaften (Die Einheit der
Gesellschaftswissenschaften, 2), 2. AuR., Tübingen 1972, S. 237-261. Zum Hempel-Oppenheim-
Schema des historischen Erklärens siehe auch (kurz) OSWALD ScHWEMMER, Art.: Erklärung, in:
MITTELSTRASS (Hg.), Enzyklopädie, Bd. 1, S. 578-584. Eine kompakte Darstellung und Kritik
der Hempelschen Position liefert ALAN DoNAGAN, The Popper-Hempel theory reconsidered.
 
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