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Gramsch, Robert
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0053

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52

1. Politische Verflechtungen im spätstaufischen Reich

Bedeutung des „Brunhild-Hagen-Paktes" als auch die Zwangslage, in die Günther als
„Wackelkandidat" zwischen den Cliquen gerät, beleuchten - Einsichten, die keineswegs
ganz selbstverständlich sind. Und ein wie viel größerer Erklärungsnutzen ist für solche
Szenarien zu erwarten, die aufgrund einer viel größeren Zahl von Akteuren und Bindun-
gen weitaus komplexer und damit schwerer durchschaubar sind als der fiktive Wormser
Domtürenstreit! Zudem wird nicht nur die Analyse einer Einzelsituation auf diese Weise
ermöglicht, sondern auch die Betrachtung zeitlicher Entwicklungen.'' ^ Es eröffnen sich
somit ganz neuartige Möglichkeiten der Visualisierung, Beschreibung und Interpretation
netzwerkdynamischer, sprich, historischer Prozesse.

1.3. Gegenstand und Vorgehensweise dieser Untersuchung

1.3.1. Unfähiger König oder Opfer der Verhältnisse?
Heinrich (VII.) und sein Sturz neu betrachtet
Diese Untersuchung hatte sich das Ziel gesetzt, die Geschichte des Interregnums aus
netzwerkanalytischer Perspektive neu zu schreiben. Entstanden ist eine Arbeit, in der
der Schwerpunkt der Betrachtung auf den Jahren 1225 bis 1235 liegt. Die Vorgeschichte
hat das Hauptthema völlig verdrängt und dies hat Gründe.
Niemand wird behaupten wollen, dass das Interregnum schon 1225 begann. Den-
noch ist die Frage der chronologischen Abgrenzung keineswegs trivial, denn an ihr hängt
bereits eine Vorentscheidung darüber, was man als das Hauptkennzeichen dieser Zeit
betrachtet. Ist es allein die „Fremdherrschaft" durch einen nichtdeutschen König? In
diesem Falle würde die traditionelle Datierung 1257 ausreichen. Aber das Ungenügen
dieser Perspektive liegt heute auf der Hand.' ^ Die „Anarchie", sprich: die Rivalität
zweier Herrscher, begann mit der Gegenkönigswahl am 22. Mai 1246 und bereits seit der
Absetzung Friedrichs II. auf dem Lyoner Konzil (Juli 1245) kann man vom Fehlen eines
voll legitimierten, allgemein anerkannten Königtums sprechen. '^ Aber: Die fürstliche
Opposition, die Heinrich Raspe wählte, hatte sich nicht über Nacht formiert. Man müsste
mindestens bis 1241 zurückgehen, dem Jahr, in dem die Erzbischöfe von Köln und Mainz
ihr antistaufisches Bündnis schlossen,'^' um die Entstehung dieser kaiserfeindlichen
Partei nachzuvollziehen. Und das Papsttum, dessen entscheidender Anteil an der Desta-
bilisierung der staufischen Position im Reich ganz offensichtlich ist, hatte den offenen
Kampf bereits 1239 aufgenommen. Koordinierter fürstlicher Widerstand gegen den Kai-
118 Siehe dazu unten Kap. 1.3.3.
Siehe oben S. llf.
120 Für KEMPF, Interregnum, bildet die Absetzung Friedrichs den Ausgangspunkt der Betrachtung
und angesichts dessen, dass der Revindikationserlass Rudolf von Habsburgs dieses Datum
als Stichtag wählte, ab dem Erwerbungen von Reichslehen nicht mehr als legitim erachtet
wurden, scheint mir dies nach wie vor der beste, quellennächste Ansatz für die Datierung des
Beginns des Interregnums zu sein. Siehe dazu auch KiRK, Interregnum, S. 375f. u.ö.; KRIEGER,
Rudolf von Habsburg, S. 120f.
1^1 Vertrag zu Bodenfelde am 10.9.1241, vgl. BF 11367. Vgl. hierzu neben dem oben genannten
Sammelband von WERNER (Hg.), Heinrich Raspe, insbesondere die Studie von KARL E. DE-
MANDT, Der Endkampf des staufischen Kaiserhauses im Rhein-Maingebiet, in: Hessisches Jb.
für Landesgeschichte 7 (1957), S. 102-164.
 
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