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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0022

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1.2. Geschichte und Netzwerkanalyse: Eine methodische Einführung

21

Mühe, auf der Suche nach Theorien, die die Beobachtung und Analyse bestimmter histo-
rischer Sachverhalte steuern können, Ausschau in den Nachbardisziplinen zu halten.^
Die Problemadäquatheit solcher Theorien und der mit ihnen verbundenen Arbeits-
methoden kann freilich erst durch ihre Anwendung in der historischen Forschungspraxis
nachgewiesen werden. Auch dazu dient die folgende Untersuchung.

1.2. Geschichte und Netzwerkanalyse:
Eine methodische Einführung

1.2.1. Grundbegriffe der aunlys/'s:
Das Beispiel Thietmar von Merseburg (5. Buch, Kapitel 3)
Es ist ein Charakteristikum der Netzwerkanalyse wie überhaupt aller Soziologie, dass
ihre Theoriebildung oft scheinbare Selbstverständlichkeiten zum Gegenstand hat.^
Viele Grundbegriffe der Netzwerkanalyse erweisen sich letztlich nur als sprachliche
Explikationen von Alltagswissen, welches normalerweise nicht wert erscheint, eigens
thematisiert oder gar theoretisch durchleuchtet zu werden. Das netzwerktheoretische
Paradigma von der grundsätzlichen „Bedeutsamkeit der Netzwerke, des Eingebettetsein
von individuellen und korporativen Akteuren für ihre Handlungsmöglichkeiten" liegt
dem Verstehen historischer Zusammenhänge implizit oder explizit eigentlich immer
zugrunde.^
Zeitigt dieser Umstand zunächst den Vorteil der größeren Eingängigkeit der Theo-
rie, ihrer Anschlussfähigkeit an die Einstellungen des „gesunden Menschenverstandes"
und an ältere Forschungen, so liegt doch auch der Vorwurf ihrer praktischen Irrelevanz
nahe. Dem sind vier Argumente entgegenzuhalten. Zum ersten kann eine methodische
Schärfung der entsprechenden Ausdrucksformen das Alltagsverständnis der Verflech-
tungsphänomene verbessern und vorwissenschaftliche Hypostasierungen vermeiden
helfen.^ Zum zweiten lenkt erst das explizite Aussprechen der netzwerktheoretischen
in: WILLIAM H. DRAY (Hg.), Philosophical analysis and history, New York 1966, S. 127-159.
32 HECHBERGER, Staufer und Welfen, S. 70-74.
33 „Soziologie ist die Wissenschaft, die das, was jeder schon weiß, so formuliert, dass niemand
es mehr versteht." Zitiert nach HuGO DE JAGER / ALBERT Louis Mox, Grundlegung der
Soziologie, Köln 1972, S. 13. Siehe auch etwa HEINZ ABELS, Einführung in die Soziologie,
Bd. 1: Der Blick auf die Gesellschaft (Hagener Studientexte zur Soziologie, 7), Wiesbaden 2001,
S. 17: „Doch hierin liegt ein Problem der Soziologie, denn viele werden auf den ersten Blick
vielleicht gar nicht bemerken, dass es schon Soziologie ist, was vor ihnen ausgebreitet wird.
Ihnen kommt alles so bekannt vor, dass sie sich schon nach wenigen Seiten abwenden, weil
sie meinen, Soziologie verdoppele nur ihre Alltagserfahrung."
34 Definition gemäß JANSEN, Netzwerkanalyse, S. 11. Zur Bedeutung von Alltagstheorien („Le-
bensklugheit", „commonscHsc cxpiHHHh'oHs") in der Geschichtswissenschaft siehe HECHBERGER,
Staufer und Welfen, S. 74; ALBERT, Theorie, S. 214. Auf die massive metaphorische Ver-
wendung des Netzwerkbegriffs in der modernen historischen Wissenschaftssprache wurde
bereits oben verwiesen, doch findet sich ein entsprechendes Verständnis auch in der älteren
Historiographie, wo der Begriff selbst noch keine Verwendung findet.
33 Zu Verschwörungstheorien als der klassischen Übersteigerungsform des Netzwerkparadigmas
vgl. REINHARD, Freunde und Kreaturen, S. 11-14. Auch die häufig getroffene Feststellung, es
 
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