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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0098

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2.1. Das Reich im Jahr 1225 - eine netzwerkanalytische Betrachtung

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es problematisch, hieraus auf eine prodänische Stellungnahme des Erzbischofs schließen
zu wollen, doch kann immerhin mit einigem Recht vermutet werden, dass er zu jenen
Fürsten gehörte, die das böhmische Eheprojekt unterstützten und damit im übrigen auch
den Reichsverweser, Erzbischof Engelbert, überstimmten.^
Erzbischof Engelbert und seine (relativ kleine) niederrheinische Klientel wird im
Netzwerkmodell zwar ebenfalls dem blauen Cluster zugeordnet, doch nimmt er in dem-
selben eine Sonderstellung ein. Seine Anbindung an den Kern der Gruppe ist schwächer,
analytisch begründet sie sich vor allem durch eine Brücke zu Herzog Ludwig I. von
Bayern, welche über den Grafen von Geldern läuft.^ Die direkten köln-wittelsbachischen
Beziehungen waren wegen ihrer territorialen Konkurrenz am Mittelrhein eher schlecht,
auch zu Mainz bestanden Differenzen und in der staufischen Ehefrage tendierte Engelbert
sogar zur Gruppe um den Herzog von Österreich.^
Köln, Mainz und Pfalz-Bayern besaßen (wie sich am Hoftagsbesuch zeigt) damals
die größte Herrschernähe und hatten somit beste Aussichten, die Politik des jungen
König Heinrichs (VII.) nachhaltig zu bestimmend Doch die divergierenden Interessen
des Kölners und der anderen rheinischen Fürsten schwächten die Einheitlichkeit des im
Netzwerkmodell blau markierten Fürstenblocks. Dazu kam, dass sich 1225 der Kaiser
selbst massiv in die deutsche Politik einmischte. So sollten denn in den zentralen Fragen
der Reichspolitik die Akteure des blauen Clusters zuletzt das Nachsehen haben.
Zahlenmäßig schwächer als die dominierende blaue Fürstengruppe ist jener hellblau
gezeichnete Verband, dessen Kern durch die Herzoge von Österreich und Meranien
wisser Hildesheimer Kirchenlehen strittig war. Zum Goslarer Streit vgl. JOHANN FRIEDRICH
BÖHMER / CORNELIUS WiLL (Bearb.), Regesta archiepiscoporum Maguntiensium. Regesten
zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe, Bd. 2: Von Konrad I. bis Heinrich II. 1161-1288,
Innsbruck 1886 (kurz: REM), XXXII, Nr. 483ff./492, BF 3976 sowie (Schlichtung durch den
Kardinallegaten Konrad von Urach im Februar 1226) DOB II, Nr. 2276f./83-86 und BF 10078f.
Zum braunschweig-hildesheimischen Verhältnis vgl. SiGURD ZiLLMANN, Die welfische Ter-
ritorialpolitik im 13. Jahrhundert (1218-1267) (Braunschweiger Werkstücke, Reihe A, 12),
Braunschweig 1975, S. 24.
35 Zum Verlauf der Verhandlungen um die Ehefrage siehe Kap. 2.2. Dass das Verhältnis zwischen
dem Kölner und dem Mainzer Erzbischof damals nicht das beste und wohl durch eine
Konkurrenz um den Einfluss beim König gekennzeichnet war, betont GERLiCH, Könige, S. 96.
Ebda., S. 102 sieht er auch in Engelberts Schlichtung des Streits um die Diözesangrenze in
Goslar (siehe vorige Anm.) eine antimainzische Tendenz.
36 Graf Gerhard III. von Geldern war sowohl ein Neffe des Bayernherzogs als auch ein Cousin
Engelberts. Diese gemeinsame Verwandtschaft stellte 1225 eine politisch durchaus wirksame
Größe dar, wie die Ausstellung von Willebriefen sowohl durch den Erzbischof als auch durch
den Bayernherzog und dessen Sohn zugunsten Gerhards hinsichtlich des Lobither Zolls
beweisen (Mai 1224, vgl. BF 3921f.). Zum umstrittenen Lobither Zoll vgl. PETER ScHiEEER, Die
Grafen von Geldern im Hochmittelalter (1085-1229). Ein Beitrag zur Geschichte des unteren
Rheingebietes (Veröff. des Historischen Vereins für Geldern und Umgebung, 89), Geldern
1988, S. 313-319 und 365-368. Siehe dazu unten S. 149f.
3" Zu den Spannungen zwischen Köln und der Pfalzgrafschaft sowie den Kämpfen um die
Burg Thurandt (1217) vgl. LoTHMANN, Engelbert, S. 126-130; GARNIER, Amicus amicis, S. 77-
80; THORAU, Heinrich (VII.), S. 140f.; ferner MATSCHA, Heinrich v. Müllenark, S. 302f. und
WiNERiED DoTZAUER, Die Pfalzgrafen am Mittelrhein, in: FRANZ-JosEF HEYEN (Hg.), Zwischen
Rhein und Mosel. Der Kreis St. Goar, Boppard 1966, S. 59-76, hier: S. 66f. Zu Engelberts die
Babenberger einbeziehenden Heiratsprojekten für Heinrich (VII.) siehe unten S. 99f.
33 Zum Hoftagsbesuch als wichtigstem Indikator für die Herrschernähe von Fürsten siehe die in
S. 75 (Anm. 192) genannte Literatur und hierbei v.a. HiLLEN, Curia regis, der das politische
Umfeld Heinrichs (VII.) analysiert hat.
 
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