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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0187

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3. Stellvertreter in stürmischen Zeiten

Die relativ geringe Zahl von Kerngruppen 1225 - insgesamt vier - zeigt noch einmal
die Stabilität der damals bestehenden politischen Bündnisse. Diese relative Einfachheit
der Netzwerkstruktur sollte jedoch keineswegs im Sinne einer unkomplizierten politi-
schen Gesamtlage missverstanden werden - im Gegenteil! In allen Regionen des Reiches
spielten sich zum Teil heftige Konflikte ab, in welchen Akteure der dominierenden
welfisch-wittelsbachisch-kölnischen Kerngruppe (schwarz) mit Akteuren aus den beiden
konkurrierenden Gruppen (hellblau und grün) stritten.^
Für das Jahr 1225 deutet sich so eine gewisse „Parallelschaltung" regionaler Kon-
flikte an und es ist durchaus möglich, von einer reichsweiten Gesamtauseinandersetzung
zwischen zwei Lagern zu sprechen (Kapitel 2.1). Um diesen Sachverhalt in der Darstel-
lung des „Netzwerkes Reich" zu visualisieren, ist in das Soziogramm noch ein neues
graphisches Element aufgenommen worden - eine dick rot hervorgehobene, von Hand
gezeichnete Bruchlinie, welche miteinander verfeindete politische Blöcke, die jeweils
aus einer oder mehreren Kerngruppen bestehen, gegeneinander abgrenzt. Das formale
Verfahren, im Jahressoziogramm eine derartige Bruchlinie herauszuarbeiten, besteht
darin, auf jede Konfliktlinie zwischen Einzelakteuren (dünne rote oder rot gestrichelte
Linie)^ jeweils eine senkrechte Schnittlinie zu fällen und diese Schnittlinien untereinander
zu verbinden. Dabei ist bei der Verbindung dieser einzelnen Schnittlinien auf die Kern-
gruppenzugehörigkeit der Konfliktakteure zu achten: Akteure derselben Kerngruppe
müssen sich (soweit möglich) immer des von der Bruchlinie umschlossenen
Raumes befinden. Ob eine Bruchlinie durch das gesamte Soziogramm durchgezogen
werden kann (so wie es 1225 der Fall ist) oder nicht (in welch letzterem Fall sie in
mehrere unverbundene Teillinien zerfällt), hängt davon ab, ob eine solche Verbindung in
eindeutiger Weise gezogen werden kann. In diesem Fall, so wie 1225, können wir davon
sprechen, dass sich die Einzelkonflikte zu einem reichsweiten Gesamtkonfliktszenario
verbinden. Der sich in den einzelnen Jahren stark wandelnden Gestalt dieser Bruchlinie
ist in den folgenden Ausführungen besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Handelte es sich bei der 1225 zu beobachtenden Auseinandersetzung zwischen
zwei politischen Lagern zunächst um die Summe regionaler Konflikte, so ist zugleich
die reichspolitische Dimension, sprich, das Verhältnis der staufischen Herrscher zu
den Fürsten zu bedenken. Hier wirkte 1225 die Einmischung des Kaisers zusätzlich
verkomplizierend, weil sie sich in einseitig-parteiischer Weise gegen die im Umfeld des
Königs dominierende schwarze Fürstengruppe richtete und die (hellblauen) Babenberger,
Meranier und westdeutschen Fürsten begünstigte (Kapitel 2.2 und 2.4). Der Monat
November brachte mit dem Engelbert-Mord (als Höhepunkt der Auseinandersetzung
zwischen dem schwarzen und grünen Cluster) die Peripetie dieser Krise (Kapitel 2.5).
1226 hat sich das „Netzwerk Reich" schon in recht bedeutendem Maße gewan-
delt (Farbtafel 5): Die Zahl der Kerngruppen erhöht sich stark von vier auf sieben,
die durchgezogene Bruchlinie zerfällt, was bedeutet, dass sich die Bipolarität des Fürs-
tennetzwerkes aufzulösen beginnt. Insgesamt begegnen uns im Jahr 1226 die sieben
Kerngruppen in sechs verschiedenen Kombinationen. Viermal sind Friedensschlüsse
^ Die rot gekennzeichneten Akteure, unter ihnen Thüringen und Salzburg, bilden eine Mittel-
gruppe, die im Jahresverlauf vom welfisch-wittelsbachischen zum österreich-meranischen
Cluster wechselt. Solche „Überläufergruppen", wie sie auch in späteren Jahren zuweilen
begegnen, besitzen oft keine allzu hohe (oder gar keine) innere Kohärenz, so wie es auch hier
der Fall ist. Die ab Farbtafel 4 befolgten Konventionen bei der Farbgebung der Cluster werden
oben S. 84 (Anm. 228) erläutert.
3 Rot gestrichelte Linien stehen für Konflikte zwischen zwei Akteuren, die im Jahresverlauf erst
neu ausbrechen oder aber beendet werden.
 
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