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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0272

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4.1. Das Eingreifen des Kaisers (1231/32)

271

Wichtiger noch als die Isolierung des Wittelsbachers war dem Kaiser aber wohl
ein zweites Ziel - die Wiederherstellung des engen Einvernehmens mit Österreich, das
nach dem Tode Herzog Leopolds und den Scheidungsplänen Heinrichs (VII.) in eine
Krise geraten war. Denn anders als Herzog Leopold, der den Kaiser 1225 so geschickt
gegen den Sohn ausgespielt hatte, hielt sich Friedrich der Streitbare auch gegenüber dem
Kaiser zurück, obwohl dieser offenbar bestrebt war, das strategische Bündnis mit den Ba-
benbergern aufrechtzuerhalten."" 1236 stellte Friedrich seine Kritik am Nichterscheinen
des Herzogs auf dem Hoftag zu Ravenna seinen Anklagen gegen den Streitbaren voran -
er sei der Einladung nicht gefolgt, obwohl der Kaiser ihn „mit väterlicher Liebe hatte
aufnehmen und begünstigen wollen"."" Das Nichterscheinen des Herzogs in Aquileia
verschlechterte die Stimmung weiter. „Kindisch" hätte sich der Streitbare verweigert,
dorthin zu kommen, erst als der Kaiser ihm auf eigenes Herrschaftsgebiet nach Pordeno-
ne entgegenkam, hätte er einem Treffen nicht länger aus weichen können."' Auch wenn
wir berücksichtigen, dass diese Ereignisschilderung erst aac/; dem Bruch zwischen Kaiser
und Herzog verfasst wurde, sie mithin die Dinge etwas überzeichnen könnte, leuchtet
doch ein, dass der Kaiser sich 1232 tatsächlich „in seinem ausgeprägten Majestätsgefühl
bereits arg verletzt" gefühlt haben muss (Hausmann). Das Beharren auf dem Wortlaut
des Privilegium minus, das den Herzog nur zur Teilnahme an Reichshoftagen auf dem ei-
genen Territorium verpflichtete, kam hier zweifellos einem Affront gleich, der, so müssen
wir einfach annehmen, auch gewollt war. Einem Kaiser derart penibel „juristisch korrekt"
zu kommen, entsprach unter den gegebenen Umständen nicht mehr dem „guten Ton".
Warum Friedrich der Streitbare den Kaiser derart provozierte, wo er doch von
ihm Hilfe gegen Heinrich (VII.) in der schwebenden Scheidungsangelegenheit erwarten
konnte, bleibt offen. Es bleibt fast nur der freilich paradox wirkende Schluss, dass für den
Herzog diese Eheverbindung wirklich nicht mehr ganz oben auf seiner politischen Agen-
da stand (dass Margarethe, wie Konrad von Fabaria betont, das anders sah, spräche wohl
nicht zwingend dagegen). ' " Jedenfalls war der Herzog bereit, die guten Beziehungen
noch zusätzlich angeheizt worden sein. Vgl. zur Familie WILHELM STÜRMER, Art.: Ortenberg,
in: LexMA VI, Sp. 1481h; zu den Konflikten in den 1240er Jahren: JosEF BREiNBAUER, Otto
von Lonsdorf. Bischof von Passau 1254-1265 (Passauer Historische Forschungen, 6), Köln /
Weimar / Wien 1992, S. 130-133.
109 ygi hierzu HAUSMANN, Friedrich II., S. 244f.
"" Siehe im Folgenden die Kaiserliche Enzyklika gegen den Herzog vom Juni 1236, in: MGH
Constitutiones II, Nr. 201, S. 269-272, hier S. 270. Zu dem mit dieser Enzyklika eingeleite-
ten Prozess gegen den Herzog vgl. nunmehr KNUT GöRiCH, Normen im Konflikt. Kaiser
Friedrich II. und der „Prozess" gegen Herzog Friedrich den Streitbaren von Österreich, in:
DERS. / JAN KEUPP / THEO BROEKMANN (Hgg.), Herrschaftsräume, Herrschaftspraxis und
Kommunikation zur Zeit Kaiser Friedrichs II., (Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft,
2), München 2008, S. 363-388; ferner HAUSMANN, ebda., S. 243ff.
''' Kaiserliche Enzyklika (wie vorige Anm.): „Dgz'adg aoAs baasgaafAas /LpAgyAa;, cum cum
AAgaz pAgrg pgdgazas, pocafas pgaAg pagrAfgr rgcasapA Qaod et aos AAgafgs rgspgcbaa ad pafgraa
sgroz'cA dz'ssAadarg pohAaas, gfahs sag azof Aas ascrAgabs; tpa'a pocAs af go aoa rgcgdgrgaazs Aoz'so,
coabAaazs aos pgrsoaAdgr ad fgrraaz saaaz Porig Noag, zyaaaz AAg&A A Poro faA, gf Ai azoraaz
frAzgafgs aa'sAazs pro godgaz, ai, si azoigsfaaz sAi/agrA ia cioifAAas aosfri Azpgrii aos oidissg, ad
fgrraaz saaza pro aoA's accgdgrg aoa pz'iargi." Siehe auch BF 1977a.
' Die „Eigenwilligkeit" der Politik des neuen Herzogs, betont auch LECHNER, Babenberger,
S. 276f., der auf die neugeknüpften verwandtschaftlichen Bindungen in den stauferfernen
Norden verweist. Tatsächlich beobachten wir des Öfteren, dass Herrschaftswechsel in den
Reichsfürstentümern mit einer grundsätzlichen politischen Neuausrichtung verbunden waren -
so etwa im Falle der thüringischen Landgrafen nach dem Tode Ludwigs IV., die sich ebenfalls
vom Kaiser sichtlich zurückzogen (oben S. 203ff.), und bei den Meraniern nach 1234 (S. 339ff.).
 
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