Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0349

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
348

4. Ein Königtum auf Abruf. Das Reich zwischen 1231 und 1235

Ob Friedrich II. die Ausweglosigkeit des Konfrontationsmechanismus zwischen
sich und Heinrich selbst durchschaut hat und sich deshalb zur Abschaffung des Dop-
pelkönigtums entschloss, oder ob er einfach aufgrund der aus diesem Mechanismus
folgenden psychologischen Zwänge handelte, ist zweitrangig, da es sich um zwei Seiten
derselben Medaille handelt. Dass Friedrich auf die eine oder andere Weise das Problem
erkannt hatte, zeigt sich schon darin, dass er im Falle Konrads IV. seinen früheren Fehler
vermied, indem er den Sohn von vornherein mit geringerer Autorität ausstattete und
an seiner Rolle als bloßen Stellvertreter des Herrschers keinen Zweifel ließ.^ Konrad
kam aber auch zugute, dass sich die politischen Rahmenbedingungen im Reich nach
1239 derart wandelten, dass sein Hof kein „klassischer" Königshof mehr werden konnte,
der zweifellos doch wieder dieselbe Eigendynamik wie zur Zeit Heinrichs (VII.) entfaltet
hätte. Doch wird dies noch weiter zu untersuchen sein. Ob freilich aus dieser Diagnose
die Aussage folgt, der Bruch zwischen Vater und Sohn sei unvermeidlich gewesen,
erscheint mir zweifelhaft. Ein solches Doppelkönigtum zweier an sich eng verbundener
Herrscher war ein Novum und es hat auch keine Wiederholung gefunden, so dass erfolg-
reichere „Modellvorlagen" fehlen. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren,
dass schon ein engeres persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Vater und Sohn,
eine bessere politische Feinabstimmung und dichtere Kommunikation und zuweilen
persönliche Treffen geholfen hätten, die geschilderte Strukturschwäche dieses Systems
hinreichend abzumildern.^ Konflikte wären dann zwar nicht ausgeblieben, sie hätten
aber in Demonstrationen familiärer Eintracht wieder behoben werden können. Vielleicht
hätte es, wie Theo Broekmanns Studie nahelegt, also schon gereicht, wenn Friedrich II.
weniger vom süditalienisch-normannischen Prinzip der „terroristischen Herrschaft" im
Zeichen des „rigor z'Msü'ü'e", sondern mehr von der traditionellen Herrschertugend der
„ciewenho" geprägt gewesen wäre. Doch erklärt diese mentale Disposition allein nicht
das Geschehen - sie wirkte sich unter den Bedingungen eines weitläufigen Großreiches
und eines spezifischen Modells der Herrschaftsteilung nur eben besonders stark aus: Wo
die „väterliche Liebe" in Bevormundung und Entrechtung mündete, musste sich das
grundsätzliche Strukturproblem dieses Herrschaftsmodells genauso misslich auswirken

aus einem Eigeninteresse erfolgte - nämlich der „Generalabrechnung" mit Heinrich (VII.).
Dass Friedrich mit diesem Vorgehen Erfolg hatte und nicht einfach nur einen Wechsel der
Allianzen provozierte, bei dem sich seine alten Unterstützer nunmehr Heinrich zuwenden (so
wie wir es in der Tat bei Herzog Friedrich von Österreich beobachten können), begründet sich,
wie gezeigt, in der 1234/35 bestehenden geringen Ausprägung des Fürstenantagonismus im
Reich. Unter diesen Umständen konnte Friedrich II. seine überlegene Autorität gegenüber
dem Sohn voll ausspielen, bestehende Rivalitäten zwischen wichtigen Akteuren (etwa Mainz
und Bayern), wurden durch Ressourceneinsatz gemildert, so dass sie ihm nicht schadeten.
396 Vgl. hierzu nur etwa Hum, Reichsinsignien, S. 324.
39? Man mag hierzu das Gedankenexperiment anstellen, Heinrich (VII.) wäre 1226 doch durch die
Veroneser Klause nach Italien gekommen. Unglücklich an der 1226er und 1232er Konstellation,
unter denen Herrschertreffen tatsächlich intendiert waren oder stattfanden, war aber, dass
ihnen beiden die Konfrontation zwischen Vater und Sohn schon vorausgegangen war. Unter
solchen Bedingungen wirkten solche Treffen eher kontraproduktiv, wie die „Versöhnung" von
1232, die den Bruch wahrscheinlich schon unheilbar machte, zeigt. Wenn es auch verständlich
ist, dass man sich gerade nur „bei Bedarf" treffen will, hegt doch gerade hier der Fehler,
denn es geht bei dieser Art der Kommunikation um Konfliktprävention und nicht um den
offenen, die Sache noch schlimmer machenden Austrag schon entstandener Differenzen. Die
Treffen von 1226 und 1232 konnten somit den Zweck, das angesprochene Strukturproblem zu
beheben, von vornherein nicht erfüllen.
 
Annotationen