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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0359

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358

5. Das Reich als Netzwerk der Fürsten zwischen 1225 und 1235

Die 1233 zerreißende Bruchlinie verliert langsam die Kontur, die sie in den zwei
Vorjahren gehabt hatte. Am Niederrhein bleibt die alte Konfliktkonstellation noch eine
Weile bestehen, um sich dann weitgehend aufzulösen, in Sachsen sprengt der neu ausbre-
chende Streit um die Grafschaft Stade die Einheit der ostdeutschen Fürsten auseinander.
Auch der Konflikt im Südosten, der sich 1233 militärisch massiv zuspitzte, änderte seinen
Charakter, da sich Heinrich (VII.) und die ihm verbündeten rheinischen Erzbischöfe
nunmehr auf Seiten Österreichs in den Krieg einschalteten. Heinrich konnte mit dieser
ganz im Sinne der kaiserlichen Vorgaben liegenden Politik zwar Bayern zum Einlenken
zwingen und den Frieden im Südosten wiederherstellen. Er verlor damit aber (wie sich
zeigen sollte) endgültig die Wittelsbacher als politische Partner und eröffnete somit
Friedrich II. die Möglichkeit, durch einen Ausgleich mit Otto dem Erlauchten den Sturz
Heinrichs in die Wege zu leiten. Umso stärker ausgeprägt war 1233/34 Heinrichs Allianz
mit den rheinischen Erzbischöfen, die sich in der gemeinsamen Abwehr der gegen diese
Gruppe gerichteten Ketzerverfolgung Konrads von Marburg bewährte. Insbesondere
der Erzbischof von Mainz geriet aber in seiner teils offen-militärischen, teils verdeckt-
politischen Auseinandersetzung mit Thüringen 1232 bis 1234 immer stärker unter Druck,
zumal ihm, offenbar veranlasst durch den Kaiser, ein heftiger Gegenwind von der Kurie
her ins Gesicht blies. Dies machte Siegfried III. für kaiserliche Abwerbungsversuche, ihn
vom Bündnis mit Heinrich abzubringen, empfänglicher.
Jüngere Untersuchungen wie die von Christian Hillen und Karl Borchardt haben
den Sturz Heinrichs (VII.) 1234/35 mit der Existenz rivalisierender Fürstengruppen
im Reich erklärt, wobei Heinrich in seinem Aufstand gegen den Vater „aufs falsche
Pferd setzte" und deshalb unterlag. Demgegenüber kommt diese Untersuchung zu
einem anderen und auf den ersten Blick überraschenden Ergebnis: Von einem Dualismus
von Fürstenparteien findet sich 1234 keine Spur, vielmehr lösen sich alte Bündnis-
und Konfliktstrukturen weitgehend auf. Auch 1235 ist im Netzwerkmodell allenfalls
eine schwache Konfrontation zweier Fürstengruppen (angesichts örtlicher Konflikte um
Lorsch und Stade) zu bemerken. Heinrich (VII.) und Friedrich II. suchten und fanden
innerhalb dieser schwach ausgeprägten Fürstenparteien Partner und Gegner auf beiden
Seiten, wobei das diplomatische Geschick des mit Gregor IX. verbündeten Kaisers und
sein hoher Ressourceneinsatz den Ausschlag zugunsten des Kaisers gab.
Eine systematische Anwendung des netzwerkanalytischen Erklärungsansatzes, wel-
cher ja auch Hillen und Borchardt inspirierte, brachte mithin ein zu deren Urteil genau
entgegen gesetztes Ergebnis. Doch beweist dies nicht die Unangemessenheit des netz-
werktheoretischen Paradigmas, sondern zeigt vielmehr, dass dasselbe eben tatsächlich
in methodisch kontrollierter Form in der Forschung angewendet werden sollte. Der
Triumph Friedrichs II. lässt sich auf diese Weise sehr viel eleganter erklären, als dies
der älteren Forschung möglich war: Nur unter den spezifischen Bedingungen jener
Situation (und nicht aufgrund seiner prinzipiell fürstenfeindlichen Haltung) ließ sich
Heinrich (VII.) von seinen Unterstützern isolieren. Gerade weil die politischen Ant-
agonismen im „Netzwerk der Fürsten" 1234/35 so gering ausgeprägt waren, konnte
Friedrich seine überlegenen Ressourcen (materieller und symbolischer Art) zur Anwer-
bung der wichtigsten Reichsfürsten voll zum Einsatz bringen, ohne die Gegenreaktion
ihrer jeweiligen Gegner im Parteienkampf (wie er sie 1231/32 erlebt hatte) fürchten zu
müssen. Heinrich hat in diesem Moment zu sehr auf die in den Vorjahren eingespielten
Anziehungs- und Abstoßungsmechanismen vertraut - etwa wenn er sein Bündnis mit
den rheinischen Erzbischöfen für allzu fest, die Feindschaft zwischen dem Kaiser und
dem Herzog von Bayern für unüberwindlich hielt. Deshalb fiel seine eigene Reaktion auf
die im Sommer 1234 einsetzende politische Offensive des Kaisers zu schwach aus, zumal
 
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