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Gramsch, Robert; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Reich als Netzwerk der Fürsten: politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225 - 1235 — Mittelalter-Forschungen, Band 40: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34756#0371

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5. Das Reich als Netzwerk der Fürsten zwischen 1225 und 1235

Forschung bisher die Existenz eines ausgeprägten Klientelverbandes im Norden des Rei-
ches aufgefallen sein, welcher sich vor allem um den Bremer Erzbischof und die Grafen
von Holstein gruppiert (grün). Interessant ist hierbei insbesondere auch die Anbindung
der Erzbischöfe von Magdeburg und der mit ihnen verwandten Schwarzburger und
Woldenberger an diesen Kreis. Diese Gruppe eint vor allem die gemeinsame Weifengeg-
nerschaft, als solche treten ihre Akteure insbesondere noch 1234/35 als gewisse (aber
zu schwache) Stützen des Königtums Heinrichs (VII.) hervor. Ihr gegenüber steht die
welfische Gruppe (violett), die vor allem durch das Konnubium ihrer drei Hauptvertre-
ter zusammengehalten wird. Das Phänomen der „überspringenden Bündnisbildung"
tritt hier deutlich hervor, insofern Magdeburg und Bremen von den Welfen und ihren
Partnern recht wirkungsvoll „in die Zange genommen werden", was sich durchaus
auch in den konkreten Konflikten zeigt. Eine weitere zahlenmäßig recht starke Gruppe
bilden die südost-mitteldeutschen Fürsten um die Meranier (hellblau), als welche neben
den Herzogen selbst auch Ekbert von Bamberg und die nahe verwandten Henneberger
anzusprechen sind. In ihren Beziehungen zu den anderen „hellblauen" Akteuren tritt die
Bindewirkung des Konnubiums deutlich hervor. Bemerkenswerterweise bilden hier die
askanischen Orlamünder eine „Brücke" zur welfischen Gruppe (durch geteilte Färbung
angedeutet), diese haben damit eine Scharnierfunktion, deren konkrete Wirkung weiter
zu untersuchen wäre.^
Gegenspieler vor allem der Meranier und der mit diesen verbündeten Babenberger
sind Bayern und Böhmen, die ebenfalls in einem recht stabilen Block verbunden sind
(schwarz). Dieser schließt im Westen, verbunden über die Markgrafen von Baden als
„Scharnier", an eine limburgische Gruppe (gelb) an - ein Zusammenhang, der aber
vergleichsweise abstrakt bleibt.^ Mainz ist Kern einer sechsten Gruppe (rot). Als eigen-
ständig strukturbildende Kraft tritt das Erzbistum aber erst seit dem Regierungsantritt
Siegfrieds III. hervor (zuerst 1231), was in diesem Fall als Anzeichen eines Stilwechsels
Mainzer Politik verstanden werden kann, indem insbesondere die Frontlinien gegen
Thüringen und Pfalz-Bayern stärker konturiert werden.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Grobanalyse der politischen Lagerbildungen
einige Überraschungen zeitigt, aber auch im Grundsatz Vertrautes aufzeigt. Die Stärke
des netzwerkanalytischen Ansatzes scheint eher in der auf Einzelereignisse bezogenen
Detailanalyse zu liegen, doch lassen sich mittels dieser Modellbildung immerhin auch
die Strukturen der (fast schon) longue duree erkennen. Diese sind freilich aufgrund ihrer
größeren Dauerhaftigkeit und inhaltlich bedingten relativen Zwangsläufigkeit von der
Forschung zumindest zum Teil schon längst erkannt worden.^ Der Wert einer solchen
Betrachtung liegt somit vielleicht weniger in der damit möglich werdenden, abstrakt
zusammenfassenden Beschreibung des „Netzwerkes Reich" als in der damit verbundenen
Probe, dass die hier praktizierte anaiys/'s zu grundsätzlich sinnvollen Resultaten
führt.
35 Zu erinnern ist etwa daran, dass der Graf von Orlamünde 1235 als einziger mitteldeutscher
Akteur dem Kaiser bis in die Steiermark entgegenkam, siehe oben S. 339 (Anm. 365).
36 Politisch wirksam wird die hier postulierte limburg-pfälzische Allianz im Untersuchungszeit-
raum nicht, Pfalz-Bayern verbündet sich zwischen 1230 und 1232 sogar mit dem Antagonisten
Limburgs, Köln. Dies steht aber wohl eine merkwürdige „Ausnahme von der Regel" der
bündnispolitischen Beziehungen im Mittelrheingebiet dar, die noch weiter zu untersuchen
wäre.
3" Dies gilt vor allem für den Kölner Klientelverband, der aber auch am stärksten ausgeprägt ist.
„Ostdeutsch" sind in dem skizzierten Gruppenszenario v.a. die grüne und hellblaue, teilweise
auch die violette Gruppe, „westdeutsch" die blaue, rote und schwarze Gruppe.
 
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